Sweet / Desolation Boulevard
Desolation Boulevard Spielzeit: 75:50
Medium: CD
Label: RCA Records, 2005 (1974)
Stil: Hard Rock, Glam Rock


Review vom 20.12.2007


Ralf 'Jogi' Ruhenstroth
Bei dem Album "Desolation Boulevard" aus dem Jahr 1974 sprechen wir ganz sicher nicht mehr von einer Teenie-Band ohne musikalische Qualität. Die Zusammenarbeit von Sänger Brian Connolly, Bassist Steve Priest und Schlagzeuger Mick Tucker begann bereits im Jahr 1968, als man die Gruppe Sweetshop gründete. Als diese Formation wenig bis gar keinen Erfolg verzeichnen konnte, stieß im Jahr 1970 der Gitarrist Andy Scott zur Band. Er ersetzte Frank Torpey (es gibt andere Quellen, u.a. Wikipedia, die angeben, dass zwischenzeitlich noch ein gewisser Mick Steward an der Gitarre spielte). Nur ein Jahr später schrieb das Komponistenduo Nicky Chinn und Mike Chapman fortan fast alle Songs für Sweet, während sich Phil Wainman um die Produktionen kümmerte. Daraus resultierten zwar Single-Hits, doch die ernstzunehmende Rockpresse verweigerte der Band die notwendige Aufmerksamkeit und das entsprechende Feedback.
Die Stilrichtung wurde in den erfolgreichsten Jahren der Band als Glam Rock bezeichnet, Make-up und Glitzern waren das äußere Erscheinungsbild von Sweet. Da herrschten Vorwürfe, die Band würde sich im Studio guter Musiker bedienen. Ehrlich gesagt, es stimmt nicht. Auf "Desolation Boulevard", dem dritten offiziellen Studio-Album, begann sich das Quartett freizuschwimmen. Dieses Album zeigt erstmals den avisierten Wandel vom chart-orientierten Glam Rock zu kernigem und spielerisch anspruchsvollerem Hard Rock.
Für diese Besprechung dient die remasterte Version aus dem Jahr 2005, das Original wies damals insgesamt neun Tracks auf. Lediglich "The Six Teens" und "Turn It Down" stammten noch aus der Feder von Chinn und Chapman. Den überwiegenden Teil schrieben die Musiker von Sweet selbst und bewiesen so erstmals, dass sie wesentlich mehr auf der Pfanne hatten, als bis zu diesem Zeitpunkt von der Rockwelt angenommen wurde. Im übrigen ist der Sound der remasterten Version absolute Spitzenklasse, so manche moderne Produktion könnte sich davon eine Scheibe abschneiden.
Zudem kann sich das Bonus-Material sehen lassen. Neun Stücke, die man auf den originalen Alben vergeblich sucht. Da Sweet im Zeitalter der Singles zu Ruhm kamen, hat sich das Label nicht lumpen lassen und einige sog. B-Sides mit auf das Remaster gepackt. So sind insgesamt 75 Minuten Nostalgie entstanden.
Was gibt es neben dem Hit "The Six Teens" zu hören? Ein stampfendes "Solid Gold Brass", fernab vom Mainstream, ein hart rockendes "Turn It Down" und ein groovendes "Medussa". In "Lady Starlight" singt Andy Scott die Leadstimme, ein ungewöhnlich sanfter, balladesker Song der Gruppe. Anschließend bekommen wir ein Highlight zu hören. Nicht nur der große Carl Palmer (u.a. Ex-ELP, Asia) nutzte den Gong und andere Utensilien. Sweet demonstrierten ihren Sinn für wirklich starke Rocknummern und Mick Tucker bewies in "Man With The Golden Arm" eindrucksvoll, dass er ein sehr guter Drummer war. "Fox On The Run" kennen die meisten als Single-Version mit dem allseits bekannten Synthie-Intro. In der originalen Version auf dem Album beginnt die Nummer eher schlicht mit einem satten Guitar-Riff. Sweet zeigten nebenbei einen guten Geschmack für Rockhymnen anderer Künstler. "My Generation" von The Who liegt hier als ansprechendes Cover vor.
Zum Bonusmaterial habe ich bereits ein paar Ausführungen gemacht. Okay, "Teenage Rampage" ist noch mal eine Hommage an eigene alte Zeiten, in denen die sexy Ausstrahlung der Band wichtiger als die Musik erschien, aber die damalige B-Seite "Own Up, Take A Look At Yourself" hat es wirklich in sich. Das treibende Schlagzeug, die kräftigen Bassläufe und ein vielseitiger Gesang wissen zu gefallen.
Aus heutiger Sicht mag man kaum glauben, dass "Burn On The Flame" damals lediglich als B-Seite von "The Six Teens" erschienen war. Der Track geht mächtig nach vorne und richtig ins Ohr. Für mich der klare Favorit der Bonus-Tracks und darüber hinaus einer der besten Songs, die Sweet in ihrer Karriere abgeliefert haben. Nicht besonders anspruchsvoll, allerdings in seinem gesamten Melodieablauf unwiderstehlich.
"Desolation Boulevard" beinhaltet also wesentlich mehr, als uns die Kritiker von damals weis machen wollten. Sweet konnten richtig rocken und zeigten auf diesem Album erstmals ihre anderen Qualitäten auf, welche sie auf den Folgealben bekanntlich noch intensivierten. Eine Formation, die sich mit fortlaufender Dauer zu einem guten Rock-Act entwickelte, sich allerdings wegen der eigenen Vergangenheit nie mehr richtig in Szene setzen konnte. Aus heutiger Sicht haben sie allerdings ein paar richtig geile Scheiben eingespielt. Und da die Band unter der Federführung von Andy Scott noch immer, vor allen Dingen in Deutschland, tourt, empfehle ich einen Besuch der Konzerte. Steve Priest lebt in den USA, Brian Francis Connolly verstarb am 09.02.1997 im Alter von 52 Jahren, Drummer Michael Thomas Tucker verlor am 14.02.2002 54-jährig den Kampf gegen die Leukämie.
Line-up:
Brian Connolly (lead vocals)
Andy Scott (guitars, synthesizer, vocals, lead vocals - #5)
Steve Priest (bass, vocals)
Mick Tucker (drums, timpani, tubular bells, gong, vocals)
Tracklist
01:The Six Teens (4:03)
02:Solid Gold Brass (5:31)
03:Turn It Down (3:29)
04:Medussa (4:43)
05:Lady Starlight (3:13)
06:Man With The Golden Arm (8:26)
07:Fox On The Run (4:47)
08:Breakdown (3:05)
09:My Generation (3:56)

Bonus-Tracks:
10:Teenage Rampage (3:36)
11:Own Up, Take A Look At Yourself [B-Side of Teenage Rampage] (4:00)
12:Burn On The Flame [B-Side of The Six Teens] (3:38)
13:Someone Else Will [B-Side of Turn It Down] (3:26)
14:Medussa [Home Demo - previously unreleased] (5:48)
15:Burn On The Flame [Home Demo - previously unreleased] (4:00)
16:I Wanna Be Committed (3:12)
17:Fox On The Run [7" version] (3:22)
18:Miss Demeanor [B-Side of Fox On the Run] (3:29)
Externe Links: