Peter Tosh / 1978 - 1987
1978 - 1987 Spielzeit total: ca. 390 Minuten
Medium: CD-Box
Label: EMI, 2012
Stil: Reggae


Review vom 14.09.2012


Jochen v. Arnim
Auch dem größten Ignoranten in Sachen Reggae fallen zum Namen Peter Tosh zumindest ein paar Stichpunkte ein und auch ich muss zugeben, kein Hardcore-Anhänger dieser Musikrichtung zu sein. Dennoch sind sein Name und sein Schaffen unauslöschlich in der Musikgeschichte verankert. Nicht nur als Mitbegründer und langjähriges Mitglied der Wailers, dieser wohl berühmtesten Reggae-Band um Bob Marley, sondern auch als engagierter Verfechter der Legalisierung von Cannabis oder Kämpfer gegen Rassismus, Korruption und für Gleichheit ist er in die Geschichte eingegangen. Seine Überzeugung und sein Handeln für eben dieses haben ihm zu Lebzeiten natürlich neben mächtig Ärger mit Politikern, Behörden und Unternehmen auch Erfahrungen mit gerasterter Sonne, sprich Knast, eingebracht. Unbeirrt davon ließ er jedoch bis zu seinem gewaltsamen Tod im Jahre 1987 in erster Linie seine Musik sprechen. Zu Ehren des 25. Todestages hat EMI nun die Alben aus seiner Solozeit unter deren Patronatschaft neu aufgelegt und in einer interessanten Box zusammengestellt.
Captured LiveWir reden hier von fünf seiner insgesamt sieben Studioalben zwischen 1978 und 1987 sowie der Live-Scheibe "Captured Live" aus dem Jahre 1984. Diese waren zwar vor rund zehn Jahren bereit als separate remasterte Fassungen wiederveröffentlicht worden, aber nun gibt es für den Fan noch einen Haufen Goodies dazu. Zu einer kompletten Diskografie des Tosh'schen Wirkens würden die beiden ersten - und sehr guten - Alben "Legalize It" und "Equal Rights" aus den Jahren 1976 und 1977 gehören. Da Tosh zuvor bei CBS unter Vertrag war, mag das natürlich bei der Auswahl für die vorliegende Box eine Rolle gespielt haben. Die Boni bei der neuen Veröffentlichung bestehen aus einer kompletten CD mit ausschließlich alternativen Aufnahmen bekannter und weniger bekannter Stücke. Dazu gibt es dann noch ein tolles BBC-Konzert von 1983, dessen Mitschnitt bis dato unveröffentlicht war.
Bush DoctorChronologisch vorgehend stoßen wir in der Box zuerst auf das Jahr 1978 und die CD "Bush Doctor". Dieses Album machte ihn nach seinen ohnehin schon ganz starken Vorgängern zwar in Europa mächtig bekannt, sorgte aber gleichzeitig auch für kontroverse Diskussionen. Einen wichtigen Anteil daran hatten in beiderlei Hinsicht die Herren Mick Jagger und Keith Richards - bekanntermaßen früher schon eifrige Jamaika-Urlauber - die man auch musikalisch auf dem Album wiederfindet. Sie trugen sicherlich zur weiteren Popularität des Musikers bei, der sich trotz jamaikanischer Geburt gerne als vertriebenen Afrikaner bezeichnete, speziell Jaggers Anteil an der Platte wurde aber auch des Öfteren als überflüssig bezeichnet. Das Album schwankt zwischen starken und weniger starken Tracks, ist in jedem Fall aber ein wichtiger Teil der Geschichte dieser genialen Ikone.
Mystic ManGleich im Jahr darauf erscheint "Mystic Man", das zwar erneut die ganze Klasse des Frontmannes und auch seiner musikalischen Begleiter deutlich macht. Das gesamte Album ist durchzogen von tollen Passagen mit Blechblasinstrumenten oder - beim Reggae ja nicht unüblich - in Beine und Blut gehende Percussions. Seine langjährigen Wegbegleiter Sly Dunbar und Robby Shakespeare sind ebenfalls wieder mit von der Partie, aber auch hier fühlte sich seinerzeit der eingefleischte Reggaefanatiker gern mal zu Kritik genötigt. Dem Album wird wie auch seinem Vorgänger ein gewisser Hang zur Überproduktion vorgeworfen und dennoch enthält es tolle Songs, wenngleich auch hier Einflüsse anderer Stilrichtungen deutlich werden. Da driftet man zum Beispiel mit "Buck-In-Hamm Palace" schon mal stark auf die Disco-Spur.
Wanted Dread & Alive"Wanted Dread & Alive" und auch "Mama Africa" aus den Jahren 1981 bzw. 1983 sagt man wieder eine richtige und ehrliche Zukehr zu den Tosh'schen Werten nach. Er (Tosh) kann sich besonders beim zweitgenannten Album musikalischen Einflüssen aus dem schwarzen Teil Südafrikas (wir reden von den frühen achtziger Jahren) ebenso wenig verschließen wie er sein Engagement in politischer und bürgerrechtlicher Hinsicht aufgeben möchte. "No Nuclear War" von 1987 - sein letztes Studioalbum, bevor er in seinem Haus von einem Bekannten erschossen wurde - gewann verdientermaßen sogar einen Grammy in der Kategorie für das beste Reggae-Album. "Captured Live" entführt uns dann in das Jahr 1983 und zum Auftritt der Band im Greek Theatre von Los Angeles. Wer live mag, für den ist das ein feines Exemplar dafür, dass Reggae am besten hautnah und auf der Bühne präsentiert erlebt werden sollte.
Mama AfricaAm Interessantesten sind sicherlich die beiden restlichen CDs, denn mit einer Spielzeit von deutlich über einer Stunde gibt uns die Scheibe mit den sog. Alternative Versions im Grunde das, was (auch) den Reggae ausmachen kann: Live- (s. o.) und besonders Langfassungen. Das ist ja grundsätzlich nichts Neues und auch diese hier vorliegenden Versionen hat es alle irgendwie schon einmal als Bonusmaterial oder was auch immer gegeben. Wer einmal so richtig eintauchen will in den Kopf und die Seele dieses engagierten Musikers, dem öffnen die 16 Tracks auf CD 5 alle Türen. Da kommen Gefühl, Herzblut, Spaß und Lebenslust, Spielfreude, aber auch Zorn (über Ungerechtigkeit etc.) und Sendungsbewusstsein rüber. Man muss sich als Nicht-Reggaeaner ein wenig drauf einlassen, aber ist das erst passiert, dann funkt es.
No Nuclear WarLast but not least kommt dann der wahre Bonus dieses Packs, denn wir haben es bei CD 6 mit dem bis dato unveröffentlichten Konzertmitschnitt vom Auftritt Toshs und seiner Band im Dominion Theatre zu tun. Diese Show am 23. Oktober 1983 in London deckt sich zwar in vier Stücken mit der "Captured Live", geht aber noch deutlich darüber hinaus. Wichtig ist letztendlich für den Fan und Sammler die bisherige Einzigartigkeit dieser Veröffentlichung, die aus der Box eine richtig schöne und runde Angelegenheit macht. Vor diesem Hintergrund mag dann auch der für mich absolut unverständliche Zusammen- bzw. Auseinanderschnitt der regulären Alben weniger krass erscheinen. Wie in drei Teufels Namen kann man auf das schmale Brett kommen und pro Einzel-CD anderthalb Alben verwursten? Meine Meinung dazu - der Rest, abzüglich der beiden ersten Alben Toshs, aber das hatten wir ja schon eingangs geklärt, ist toll!
Tracklist
CD 1 - Album "Bush Doctor" (1978):
01:(You Gotta Walk) Don't Look Back
02:Pick Myself Up
03:I'm The Toughest
04:Soon Come
05:Moses - The Prophet
06:Bush Doctor
07:Stand Firm
08:Dem Ha Fe Get A Beatin'
09:Creation
Album "Mystic Man" (1979) - Side 1:
10:Mystic Man
11:Recruiting Soldiers
12:Can't You See
13:Jah Say No
14:Fight On
CD 2 - Album "Mystic Man" (1979) - Side 2:
01:Buk-In-Hamm Palace
02:The Day The Dollar Die
03:Crystal Ball
04:Rumors Of War
Album "Wanted Dread & Alive" (1981):
05:Coming In Hot
06:Nothing But Love
07:Reggaemylitis
08:Rok With Me
09:Oh Bumbo Klaat
10:Wanted Dread And Alive
11:Rastafari Is
12:Guide Me From My Friends
13:Fools Die (For Want Of Wisdom)
CD 3 - Album "Mama Africa" (1983):
01:Mama Africa
02:Glass House
03:Not Gonna Give It Up
04:Stop That Train
05:Johnny B. Goode
06:Where You Gonna Run
07:Peace Treaty
08:Feel No Way
09:Maga Dog
Album "No Nuclear War" (1987) - Side 1:
10:No Nuclear War
11:Nah Goa Jail
12:Fight Apartheid
13:Vampire
CD 4 - Album "No Nuclear War" - Side 2:
01:In My Song
02:Lessons In My Life
03:Testify
04:Come Together
Album "Captured Live" (1984):
05:Coming In Hot
06:Bush Doctor
07:African
08:Get Up, Stand Up
09:Johnny B. Goode
10:Equal Rights
11:Rastafari Is
CD 5 - Alternative Versions::
01:Soon Come (Long Version)
02:I'm The Toughest (Long Version)
03:Bush Doctor (Long Version)
04:(You Gotta Walk) Don't Look Back
05:Buk-In-Hamm Palace (12" Version)
06:Dubbing Buk-In-Hamm (Dub Version)
07:The Poor Man Feel It
08:Cold Blood
09:That's What They Will Do
10:Nothing But Love (Long Version)
11:Johnny B. Goode (Long Version)
12:Where You Gonna Run (Long Version)
13:Mama Africa (7" Version)
14:No Nuclear War (Single Version)
CD 6 - BBC In Concert: Live At The Dominion Theatre:
01:African
02:Coming In Hot
03:Not Gonna Give It Up
04:Where You Gonna Run
05:(You Gotta Walk) Don't Look Back
06:Glass House
07:Can't Blame The Youth
08:Johnny B. Goode
09:Get Up, Stand Up
10:Mama Africa
Externe Links: