Thirsty Moon / Lunar Orbit-Live At Stagge's Hotel 1976
Lunar Orbit-Live At Stagge's Hotel 1976 Spielzeit: 73:14
Medium: CD
Label: Sireena Records, 2011 (1976)
Stil: Kraut'n'Fusion


Review vom 07.07.2011


Ulli Heiser
Faszinierend, was man immer wieder entdecken kann, wenn Macher mit Liebe zum Perlenfischen am Werke sind. Das Label Sireena ist so ein Macher und die Perle heißt Thirsty Moon. Gegründet wurde die Band Anfang der Siebziger in Bremen von den Brüdern Jürgen und Norbert Drogies, Michael Kobs, Harald Konietzko, Erwin Noack, Willi Pape sowie Hans-Werner Ranwig. Es folgten einige Besetzungswechsel und auf vorliegendem Live-Dokument sind neben den Gründungsbrüdern Rainer Neumann (Saxofon), Serge Weber (E-Piano, Clavinet), Junior Weerasinghe (Schlagzeug) am Werk. Und wie!
Aufgenommen im damals berühmten Musikclub Stagge's Hotel (siehe auch hier) im Jahre 1976, brät uns die Truppe eine intensive Mischung aus Prog, Kraut und Jazz/Rock Fusion um die Ohren, welche beim gespannten Hören freudig glühen. Das Live-Programm auf "Lunar Orbit - Live at Stagge's Hotel 1976" ist fast identisch mit dem 1975er Studiowerk "Blitz", übrigens das dritte von vier bei Brain erschienenen. Nummer fünf wurde bei Sky Records veröffentlicht. Der Südwestfunk meinte damals: »Rockmusik, beeinflusst durch neuere Formen des Jazz, Formen der Kollektivimprovisation ...«. Und er hatte recht!
Um auf meinen Eingangssatz zurückzukommen: Thirsty Moon (benannt nach einem Export-Bier) ist in der Tat eine Entdeckung für mich. Die siebziger Jahre, das Label Brain - eigentlich müsste ich doch wenigstens den Bandnamen schon mal gehört haben. Aber wie ein RockTimes-Kollege letztens aus anderem Anlass meinte, dass man sich nämlich ab einem gewissen Alter im »Gefahrenbereich der Verwirrung « befindet, so kann es durchaus sein, die Band früher gehört zu haben, vielleicht auch den einen oder anderen Song auf einem Krautsampler zu besitzen.
Ursprünglich saß Norbert an der Schießbude, wechselte aber dann über zum Bass, während sein Bruder Jürgen für Gitarre, Vocals und allerlei Geräusche zuständig ist. Wenn man ganz schnell resümieren müsste: Eine Gitarre, die dich mit ihren Wah Wah-Effekten zur menschlichen Glückshormonschleuder mutieren lässt und ein Saxofon, das wie so oft mal wieder beweist, dass dieses Instrument im anspruchsvolleren Rockbereich eigentlich nicht wegzudenken ist, schafft es doch diese wunderbar intensive und tiefgehende Verbindung zwischen den zwei scheinbar getrennten Welten des Rock und Jazz. Scheinbar, weil Hardcore-Vertreter beider Lager vom jeweils anderen oft nichts wissen wollen. Hätte ich jetzt Zeit en masse, wäre es mir ein Vergnügen, all die Bands aufzuzählen, die aus der Kombination Blech, Holz, Stahl und Fellen für die berühmten Kicks sorgen.
Aber Zeit ist knapp und außerdem bestens in das Hören vorliegenden Albums investiert. Unverkennbar ist die Live-Atmosphäre sowie der jazzige Jamcharakter. Die Band trabt einfach los und Gitarre sowie Keyboard übernehmen die Regie. Spielerisch tänzelt z. B. "Rainbow", bis sich aus des Gitarristens Handgelenk eine rohe Wah Wah-Sequenz einschleicht - ohne den jammigen Fluss auch nur ansatzweise aus dem Tritt zu bringen. Ein weiteres Beispiel für beschwingte Spielfreude ist das 'leichte' "Riding In The Rain". Da klingt nichts angestrengt oder bemüht. Es fließt und fließt und es muss, den hörbaren Wortfetzen des Publikums im Hintergrund nach, eine lockere Konzertatmosphäre vorgeherrscht haben. "Dreaming" galoppiert eher dreckig und wild, während "Crickets Don't Cry" - genau so dreckig - wieder zum (scheinbar) gebremsten Jam zurückkehrt.
Überhaupt, so finde ich, ist dieses Miteinander beim Spielen die Stärke der Band. Alles ist immer im Fluss, es gibt keine Abweichungen, weder in Richtung Füller noch in Richtung Höhepunkt. Das Konzert ist am besten am Stück zu genießen und wenn man den Schwung gefunden hat, wird man über siebzig Minuten lang auf eine Jazz Rock-Reise in längst vergangene Zeiten mitgenommen.
Interessant die Hendrix-Nummer "Third Stone From The Sun", die weg von des Meisters Härte im Spiel, sich hier total in den Reigen der anderen Thirsty Moon-Songs einreiht. Über zwölf Minuten wird die Nummer, ja, zelebriert. Hier, wie auch sonst öfters, streut Jürgen gekonnt Naturgeräusche in das Geschehen. Wie improvisiert mutiert "Third Stone From The Sun" zum Mammut-Jam und das Original ist über weite Strecken nicht zu erkennen, was nicht am Saxofon-Einsatz liegt.
Eine tolle Live-Aufnahme, herübergerettet ins neue Jahrtausend.
Line-up:
Jürgen Drogies (Gitarre, Gesang, Tape)
Norbert Drogies (Bass)
Rainer Neumann (Saxofon)
Serge Weber (E-piano, Clavinet)
Junior Weerasinghe (Schlagzeug)
Tracklist
01:Cloudy Sky
02:Rainbow
03:Riding In The Rain
04:Music
05:Dreaming
06:Südwind
07:Crickets Don't Cry
08:Lord Of Lightning
09:Third Stone From The Sun
Externe Links: