Tribute / Terra Incognita
Terra Incognita Spielzeit: 44:26
Medium: CD
Label: Sireena Records, 2016 (1990)
Stil: Progressive Rock


Review vom 18.07.2016


Boris Theobald
Sie haben uns neue Ausblicke eröffnet und Barrieren eingerissen - und die letzte Reise führt(e) dahin, wo nie ein Mensch zuvor gewesen ist. Bei William Shakespeare und den Klingonen von "Star Trek VI" hätte dies 'The Undiscovered Country' geheißen; bei Tribute jedoch "Terra Incognita". Nach
New Views, Breaking Barriers und dem Livealbum Live! The Melody - The Beat - The Heart bringt das Goldgräber-Label Sireena nun auch jenes abschließende Album der schwedischen Symphonic-Progger als Wiederveröffentlichung raus. Das Original stammt aus dem Jahr 1990 und bedeutete für die Band nochmal einen kleinen 'finalen' Umbruch. Denn sowohl Schlagzeuger Pierre Moerlen (Gong), als auch Åke Ziedén und - am Auffallendsten - Gründungsmitglied Josef Rhedin waren nicht mehr mit von der Partie. Und dennoch wirkten so viele Musiker wie nie zuvor auf einem Tribute-Album mit. Man hat sich nämlich mit einigen Musikern des Norrköpings Symfoniorkester verstärkt, die ein paar Jahre zuvor auch schon mal mit der Band live aufgetreten waren. Und die Mitwirkung der klassischen Musiker fällt nicht nur im Line-up auf ...
Schon der Opener setzt ein dickes orchestrales Ausrufezeichen. "A Brand New Day" klingt wie ein bombastisches Stück Filmmusik - ein positiv-mitreißender Energieschwall aus hämmernden Blechbläser-Akzenten, feierlichen Fanfaren, verspielten Streichern und lyrischen Flötenklängen. Tribute empfangen den Hörer im wahrsten Wortsinn mit Pauken und Trompeten. Gerockt wird dank Schlagzeug und geproggt dank anspruchsvoller Rhythmik. Das Orchester hinterlässt auch Spuren und Eindruck bei "Poem för Vandrare". Das 'Gedicht für den Wanderer' startet in verträumter Atmosphäre mit Akustikgitarre, atmosphärischer Querflöte und dem elfengleichen Gesang der Andersson-Schwestern, nimmt dann nach zweieinhalb Minuten Fahrt auf. Es entwickelt sich ein langes und eindrucksvolles, wunderbar Tribute-typisches Gitarrensolo mit teils akrobatisch-funkiger Zweitgitarre und zunehmend auch orchestralen Kraft-Tupfern. Spätestens wenn nach viereinhalb Minuten die Trompeten damit beginnen, Gideon Anderssons Gitarrenthema aufzugreifen, ist schwedische Gänsehaut garantiert.
Es folgt mit "Didn't You Notice" eine dynamische Nummer, bei der einander Synthies und E-Gitarre die markanten Melodien geschickt zuschustern. Aber auch, wenn die Flöten ein paar neuartige Tupfer mit reinbringen und der slappende Bass überzeugt, so wird man das Gefühl nicht los, das Ganze schon mal gehört zu haben. Die Komposition klingt ein wenig wie eine (natürlich reichlich verformte, aber dennoch ...) Variation des berühmten Tribute-Tracks "Icebreaker". "Where There Is A Shadow There Is A Light" ist neben "Poem för vandrare" der zweite Track des Albums mit Gesang - dieses Mal Englisch statt Schwedisch. Es ist eine ruhige, zurückgelehnte Rocknummer, bei der sowohl der mehrschichtige weibliche Gesang als auch die bluesrockigen Gitarrenelemente mit Orgelschnipseln überzeugen. "Winds Of Autumn" klingt mit seinem wunderschönen Gitarrenarrangement sowie Klavier, Cello und Flöte - wie der Name schon vermuten lässt - mal wieder wie eine Ode an die schwedische Natur.
Bleibt noch der Titeltrack, das letzte Stück des Albums. Und wenn im Zusammenhang mit dem Opener schon das Adjektiv 'cineatisch' gefallen ist, dann muss es spätestens hier nochmal herhalten. Mit "Terra Incognita" erreichen Tribute nach dem etwas knackiger ausgelegten "Breaking Barriers"-Stoff wieder "New Views"-Dimensionen. Die mehr als 21 Minuten des Stücks sind Kopfkino. Historische Radiosamples aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs gehen über in das beklemmend-traurige Spiel eines Streichquartetts, nach und nach angereichert durch mysteriöse Synthie-Sequenzen. Die Reise geht akustisch weiter mit Schritten im Dschungel und einem afrikanischen Chor. Danach schlägt das Pendel hin und her zwischen Klavier, Oboe und Orchestersaal sowie Gitarren, Effekten und Tonstudio - lyrisch und dramatisch, verträumt und majestätisch. Gerade die Kombination aus organischen Instrumenten und computergenerierten Klängen versprüht eine große Anziehungskraft.
Die Arbeit mit dem Orchester macht dieses bislang - und vermutlich auch für immer - letzte Album von Tribute nochmal zu einem ganz besonderen Werk. Zum Glück! Denn wäre man dem Stil der ersten beiden Platten treu geblieben, hätte es durchaus sein können, dass bei einer erneuten 'Fortsetzung' die Luft raus gewesen wäre - siehe die (absolut verziehenen) kreativen Schwächen in "Didn't You Notice". "Terra Incognita" erinnert symphonisch in gewisser Weise an das Debütalbum der Band - was das Songwriting angeht. Symphonisch im Sinne der orchestralen Umsetzung ist es für Tribute aber ... nun ja, 'Terra Incognita' eben.
Line-up:
Gideon Andersson (electric & acoustic guitars, bass guitar, assorted percussion, piano, synthesizer)
Nina Andersson (vocals, vibraphone, wooden flute)
Lena Andersson (vocals, timpani, tubular bell, glockenspiel)
Dag Westling (acoustic guitar, vocals)

Guest musicians:
Tomas Bergquist (drums, marimba)
Niclas Weltman (cello)
Björn Jason Lindh (flute)
Martin Rosell (trombone)
Jonas Haltia (trumpet)
Petter Karlsson (french horn)
Catherine Warburton (violin)
Bo Öjebo (oboe)
Magnus Fritz (add. snaredum)
Mats Jansson (piano - #5,6)
Anne Engström, Tina Lillieström, Catherine Warburton, Mats Pettersson (string quartet)
Bo Cassel, Classe Comstedt, Jan Erik Dockner, Mats Pettersson, Dag Westling, Gideon Andersson, Mikael Fallana, 'Fiffe' Obson, Oysten Baadsvik ('African choir')
Hedvig Church Choir (finale - #6)
Björn Sahlin Mats Pettersson, Dan Saxlid, Johan Belin (sequencer programming)
Björn Sahlin (sound sampling)
Tracklist
01:A Brand New Day (3:19)
02:Poem för vandrare (5:43)
03:Didn't You Notice (3:31)
04:Where There Is A Shadow There Is A Light (4:05)
05:Winds Of Autumn (6:31)
06:Terra Incognita (21:23)
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