Edward Vesala / Nan Madol
Nan Madol Spielzeit: 46:29
Medium: CD
Label: JAPO/ECM, 1976
Stil: Jazz


Review vom 07.12.2010

  
Wolfgang Giese
Am 15.2.1945 wurde Edward Vesala als Martii Juhani Vesala geboren. Der am 4.12.1999 verstorbene Finne galt als einer der führenden europäischen Jazzmusiker und das hier vorgestellte Album galt/gilt bei vielen Fachleuten als sein bestes.
Martii studierte in den 60er Jahren Perkussion in Helsinki, kam schon früh in Kontakt mit Jazzmusikern und erwarb sich einen sehr guten Ruf als Komponist und einfühlsamer Begleiter verschiedener Stile innerhalb des Genres. In der Tat stellt die Musik dieser im April 1974 eingespielten Platte eine Besonderheit dar, weil sie, obwohl recht ungewöhnlich, vielleicht weniger 'sperrig' wirkt als Nachfolgeproduktionen.
Der melodische Reigen beginnt mit einem getragenen Bläsereinsatz, der eine mystische Melodie spielt, untermalt von Vesalas Perkussionsarsenal mit dezentem 'Gerassel', flirrend wie ein dahinfließender Bach, mit Geräuschen aus Wald und Flur (auch einen tropischen Regenwald scheint man zu spüren).
Ansonsten wirkt es aber eher sehr nordisch ausgeprägt, die Idylle der finnischen Landschaft mit all den vermuteten Fabelwesen (Titelstück). Dann "Love For Living", das nur mit Sopransax und Harfe besetzt ist. Der Saxer Juhani Aaltonen agiert hier etwas freier... sehr wohltuend, sehr expressionistisch! "Call From The Sea" besteht lediglich aus Perkussion und ist ganz kurz gehalten. "The Way Of..." ist mit 12:08 etwas länger und hat Anklänge an ganz frühe Weather Report, jedenfalls erinnert mich die Atmosphäre bisweilen stark an deren erste Scheibe. Der Bläsersatz spielt wieder schöne Melodien, fein abgestimmt von Vesalas abwechslungsreicher Perkussion, bis freie Ausbrüche aus der Verträumtheit, in die man sich vielleicht hat fallen lassen, herausreißen. Das Stück löst sich dann langsam und Aaltonen wird wieder schön gefeaturt und zeigt seine Ausnahmestellung unter den skandinavischen Jazzsaxofonisten. Und Vesala swingt, obwohl der Rhythmus frei ist und er seine Drums melodiegestaltend mit einsetzt. Hier zeigt es sich: Er war ein wirklich großartiger und wunderbarer Drummer!
So, und nun kommen wir zu meinem absoluten Lieblingstitel, einer 'für die Insel', für die Ewigkeit: "Areous Vlor Ta".
Eine Einleitung von Charlie Mariano auf dem Nagaswaram bringt uns sogleich in fernöstlich-exotische Stimmung; herrlich, und dazu wieder Vesala mit seiner feinen und fragilen Perkussion. Dann setzt die ganze Bläsersektion wuchtig mit einer herrlichen, indisch klingenden Melodie ein und trägt mich als Hörer einfach fort, wohin auch immer. Das ist ein wahres 'Killerstück'!!!! Und Edward swingt und bringt darüber hinaus noch rockige Elemente mit ein. Die Melodie wird in Gemeinsamkeit aller beteiligten Musiker immer wieder abgewandelt, gesteigert, bis sich einzelne Solisten herauslösen und das Stück langsam freier wird.
Nachdem sich nach 12:38 Minuten der hervorragende Aaltonen am Tenor einmal wieder richtig 'frei gemacht' hat und die Violine das Hauptthema wieder aufgegriffen hat, kommt das Stück leider schon zum Ende (am besten vorsorglich die Repeat-Taste drücken!). "The Wind" heißt der ruhige Ausklang, so, wie die Platte begann. Die Flöten spielen orientalisch anmutende Melodien, die aber auch aus altem folkloristischem finnischem Liedgut stammen können. Sehr mystisch wirkt das Ganze, Fabelwesen scheinen auch hier wieder überall allgegenwärtig zu sein, flirrende Perkussion umhüllt uns... Das hat mitunter schon eine bestimmte Nähe zu den finnischen Klassikern wie Sibelius etc.
Aus meiner Sicht war die Musik dieser Platte ihrer Zeit weit voraus... "Nan Madol" ist eindeutig eine meiner liebsten JAPO/ECM - und überhaupt Jazzscheiben...
Und sie blieb auch immer meine liebste Platte des Musikers, obwohl es da noch das eine oder andere Liebhaberstück von ihm gibt, die noch immer einer Wiederveröffentlichung harren.
Line-up:
Edward Vesala (drums, percussion, flutes, harp)
Kaj Backlund (trumpet - #1, 4, 5)
Mircea Stan (trombone - #5)
Juhani Aaltonen (soprano saxophone, tenor saxophone, piccolo flute, flute, bells, voice - #1, 2, 4, 5, 6)
Seppo Paakkunainen (soprano saxophone - #5, 6)
Pentti Lahti (soprano saxophone, bass clarinet - #5, 6)
Charlie Mariano (alto saxophone, nagaswaram, flute - #5, 6)
Sakari Kukko (flute - #1)
Juhani Poutanen (violin, alto violin, voice, bells - #1, 4, 5, 6)
Teppo Hauta-aho (double bass - #1, 4, 5, 6, )
Elisabeth Leistola (harp - #4)
Tracklist
01:Nan Madol (6:02)
02:Love For Living (3:48)
03:Call From The Sea (1:58)
04:The Way Of ... (12:08)
05:Areous Vlor Ta (12:38)
06:The Wind (9:23)
(all composed by Vesala)
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