Violent Femmes / 3
3 Spielzeit: 19:45 (Side 1), 16:55 (Side 2)
Medium: LP
Label: Warner Music (Cargo Records), 2014 (1988)
Stil: Rock


Review vom 31.05.2014


Markus Kerren
Mann, was hatten diese drei Jungs von Violent Femmes Anfang der achtziger Jahre mit ihrem Debütalbum für einen Wirbel gesorgt. Das war so geil, frei von der Leber weg, mit so dermaßen viel Adrenalin versehen und so mitreißend, dass die Band sich gleich zu Beginn ihrer Karriere ein Denkmal gesetzt hatte, dem zugegebenermaßen sehr schwierig zu folgen bzw. das sehr schwierig zu übertreffen war. Aber obwohl die Messlatte verdammt hoch gelegt war, konnte das Trio auch mit "Hallowed Ground" (1984) und "The Blind Leading The Naked" (1986) wieder große Erfolge einfahren, wenn sie sich auch etwas von dem ursprünglichen Akustik-Gitarre/Bass/Mini-Drums-Stil weg bewegten.
Nochmal zwei Jahre später, also 1988 wurde dann die vierte Scheibe aufgenommen und anachronistisch schlichtweg "3" genannt. Hier ging die Band wieder zurück zu ihren Wurzeln und außer seltenen Einsätzen von Saxophon, Piano und Keyboards hört man wieder lediglich die drei Grundinstrumente. Nun, wo soll ich anfangen? Die Platte hat mich Ende der Achtziger kaum berührt und reißt mich - um ganz ehrlich zu sein - auch heute nicht gerade vom Hocker. Das Rezept der Songs und die Rollenverteilung innerhalb der Band waren die gleichen geblieben, die Tracks sind durchaus gut komponiert und auch insgesamt gelungen, aber dennoch ist hier alles anders.
Was war passiert? Zum einen waren die Musiker sowie auch der Songwriter, Sänger und Gitarrist Gordon Gano ein paar Jahre älter und reifer geworden. Jahre, in denen viel passiert war, sei es unterwegs auf Tour, Erfahrungen mit der hässlichen Seite des Musik-Business und auch die ewige Tour/Album/Tour-Tretmühle hatte ganz sicher ihre Spuren hinterlassen. All dies mögen Gründe gewesen sein, warum sich "3" doch wesentlich abgeklärter, routinierter, irgendwie müder und auch kalkulierter anhört. Es wird auf Altbewährtes - wie etwa Brian Ritchies filigranes und im Prinzip die Wirbelsäule der Songs bildendes Bassspiel, Ganos getrieben melancholische und dann doch wieder himmelhoch jauchzende Vocals und Victor DeLorenzos swingende Drums - gesetzt, ohne auch nur ein winzig kleines Ass, oder wenigstens eine kleine Überraschung im Ärmel zu haben.
Aber das funktionierte ja auch nach wie vor noch sehr gut. Wobei mir die erste Seite, die mit "Nightmares" allerdings ziemlich stark beginnt, doch etwas zu sehr auf 'Nummer Sicher' getrimmt ist. "Just Like My Father" ist ein etwas bemühter Versuch, einen auf Böse zu machen, "Fat" kommt wesentlich infantiler rüber, als selbst die ganz frühen Aufnahmen waren und "Nothing Worth Living For" fummelt dann doch ganz verstärkt am Depri-Knopf. Alles gut gemacht, wohlgemerkt, lediglich springt der Funke bei mir so überhaupt nicht über.
Es muss aber auch gesagt werden, dass die zweite Seite der LP dann doch deutlich einen drauf legt. Mein Favorit und der beste Song der gesamten Scheibe ist "Lies", das alleine schon wegen des im Bluegrass-Stil mit Banjo vorgetragenen Ambientes einiges her macht und darüber hinaus über einen starken Refrain verfügt. Mit "World We're Living In" beginnt der zweite Teil eher noch verhalten, aber direkt im Anschluss geht es mit "Outside The Palace" schon etwas beschwingter zu. Richtig cool ist die Hillbilly-Nummer "Telephone Book", während der auch noch einmal die alte Klasse aufblitzt. Auch das flotte "Mother Of A Girl" ist besser als das meiste Material auf der ersten Seite und der Rausschmeißer "See My Ships" ist eine klasse Ballade im Singer/Songwriter-Stil.
Man kann dem vierten Album der Violent Femmes also durchaus bescheinigen, dass es ein gutes ist. Wenn auch, um dieses hässliche Wort mal zu gebrauchen, langweiliger als der Debüt-Klassiker. Musikalisch ist da kein riesengroßer Unterschied festzustellen, aber was den Amerikanern in der Zwischenzeit etwas abhanden gekommen war, war dieses rotzige und trotzige Element, das die Debütscheibe so außerordentlich frisch und unverbraucht erscheinen ließ und lässt. Und wie gesagt ist die Musik - wenn auch in etwas gesetzterem Tempo - die gleiche, sodass man auch nicht unbedingt von einer Weiterentwicklung sprechen kann.
Aber sei's drum, diese Platte hatte schon immer ihre Freunde und wird sie auch weiterhin haben, sehr wahrscheinlich sogar neue dazu gewinnen.
Line-up:
Gordon Gano (guitars, vocals)
Brian Ritchie (bass)
Victor DeLorenzo (drums)

With:
Peter Balestrieri (baritone saxophone)
Sigmund Snopek III (keyboards)
Tracklist
Side 1:
01:Nightmares
02:Just Like My Father
03:Dating Days
04:Fat
05:Fool In The Full Moon
06:Nothing Worth Living For

Side 2:
01:World We're Living In
02:Outside The Palace
03:Telephone Book
04:Mother Of A Girl
05:Lies
06:See My Ships
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