Stan Webb's Broken Glass / Broken Glass
Broken Glass Spielzeit: 39:53
Medium: CD
Label: Mystic Records, 2006 (1975)
Stil: Rock


Review vom 07.01.2010


Markus Kerren
Bei dieser Scheibe, die im Original schlicht unter dem Bandnamen Broken Glass im Januar 1976 veröffentlicht wurde, handelt es sich um nichts Geringeres, als das nächste Projekt von Stan Webb, der 1973/74 zum ersten Mal seine Truppe Chicken Shack nach dem bärenstarken Album Imagination Lady (1972) und dem immer noch sehr guten Unlucky Boy (1973) aufgelöst hatte, um danach zusammen mit Kim Simmonds und Miller Anderson die Drei-Gitarren-Attacke "Boogie Brothers" aufzunehmen, die dann als reguläres Savoy Brown-Album im April 1974 das Licht der Welt erblickte. Es folgte eine zweimonatige US-Tour, die zwar sehr erfolgreich war, in deren Anschluss sich der Tour Manager (Kim Simmonds eigener Bruder) mit der ganzen Kohle aus dem Staub machte, sodass die Musiker mal wieder in die Röhre guckten. Somit war das Kapitel Savoy Brown nach ca. einem Jahr für Stan Webb schon wieder Geschichte.
Für Miller Anderson übrigens auch, aber die beiden Musiker blieben in engem Kontakt. Mit Rob Rawlinson (bass) sowie Mac Poole (drums) fanden sie eine neue Rhythmus-Abteilung und mit Robbie Blunt (später dann Gitarrist von Robert Plant) wurde ein dritter Gitarrist an Bord geholt. Schließlich war es im November 1975 an der Zeit, die Rockfield Studios zu entern und unter der Aufsicht von Produzent Tony Ashton (Ex-Ashton, Gardener & Dyke, Ex-Ashton / Lord), der auch das Piano beisteuern sollte, das hier zu besprechende Album aufzunehmen.
Stan Webb hatte ganz bewusst die Entscheidung getroffen, kein weiteres Blues bzw. Blues Rock-Album einzuspielen, da er nicht in diese Schublade festgenagelt werden wollte. Und so startet "Broken Glass" dann auch mit dem fetzigen Rocker "Standing On The Border", bei dem sich Stan und Miller Anderson die Lead Vocals teilten. Ein geiles Eröffnungsriff wird mit viel Druck von den Strophen abgelöst, die durch den Wechsel-Gesang der beiden Frontmänner profitieren. Wow, was für eine Power! Abgelöst dann von Ashtons rollenden Piano-Einschüben und einem kurzen Gitarren-Solo. Ganz anders dagegen das folgende "It's Alright", das mit einem tollen Groove, drei genial ineinander verzahnten Gitarren und starkem Webb-Gesang glänzt, allerdings auch wesentlich softer kommt. Trotzdem eine der besten Nummern auf dieser Scheibe.
"Keep Your Love" bringt als dritter Titel noch mal was ganz anderes, nämlich Reggae auf den Gabentisch. Auch den beherrschen die Protagonisten natürlich spielend und Tony Ashton kann einmal mehr an der Orgel punkten. Dazu kommt die herrliche Slide-Arbeit von Anderson, der punktgenaue Bass von Rawlinson und die charismatische Stimme von Webb. Mann, waren die gut damals! Vor allem, wenn man bedenkt, dass lt. Stan Webb viele der Stücke gerade erst vor Ort, in den drei Wochen im Studio geschrieben wurden. Was der Scheibe meiner Ansicht nach aber auch durchaus zu Gute kommt, da hier ein lockeres, cooles Live-Feeling vorherrscht. Zum ersten Mal überdeutlich wird dies bei "Can't Keep You Satisfied", das wie ein lockerer Jam rüberkommt und jede Menge Atmosphäre verbreitet, das extrem hohe Qualitäts-Niveau der ersten drei Songs allerdings nicht erreicht.
Direkt wieder einer draufgesetzt wird dann aber mit Akustik-Nummer "Jersey Lightning", ein flotter Country-Stomp, veredelt durch eine klasse Dobro, gespielt von Miller Anderson. Bei 'It's Evil" handelt es sich um den Blues-Klassiker von Willie Dixon, der hier aber eine gänzlich neue Funk-Bearbeitung erfährt. Die zweite Nummer auf der Anderson verstärkt in die Vocals eingreift. Die wahrscheinlich schwächste Nummer hört auf den Namen "Ain't No Magic", die ein weiterer Jam ist, bei dem allerdings nicht allzu viel passiert und auch der durch Effekte entfremdete Gesang nichts zum Gelingen des Tracks beiträgt.
Ein richtiger Kracher ist danach allerdings "Crying Smiling", bei dem es wieder zielgerichtet geradeaus auf die Zwölf zugeht. Ein weiterer geiler Rocker, bei dem Andersons und Robbie Blunts Background Vocals einen sowieso schon starken Refrain krönen. Sehr feines Gitarrensolo von Robbie Blunt auch. "Take The Water" ist die erste Aufnahme des heute als "Chicken Shack Opera" bekannten Songs, der seit über zwanzig Jahren nicht mehr aus den Konzerten von Stan Webb's Chicken Shack wegzudenken ist. Auch hier wieder ein lockerer Blues Jam, bei dem jedes einzelne Bandmitglied zeigen darf, was es drauf hat. Abgeschlossen wird die Scheibe schließlich von dem Titelsong aus der Feder von Anderson, der hier auch den Gesang alleine übernommen hat.
Bei dieser letzten Nummer geht es um den armen Musiker, der von allen Seiten über den Tisch gezogen und ausgenutzt und betrogen wird. Ein Blick in die berühmte Glaskugel, wie sich sehr schnell herausstellen sollte. Der Manager von Broken Glass hatte nämlich den hohen Vorschuss der Plattenfirma in einen weiteren seiner Schützlinge investiert und ganz schnell den kompletten Zaster in den Sand gesetzt. Das Resultat war, dass Broken Glass nach Erscheinen des Albums ein einziges Konzert in London spielten und sich danach sang- und klanglos wieder auflösten. Stan Webb startete danach die nächste Ausgabe von Chicken Shack und nahm Robbie Blunt mit, der für zwei weitere Alben dort ein zu Hause hatte.
Webb war von der damaligen Band, bzw. deren Zusammenstellung sehr angetan (was bei vorherigen und auch später noch folgenden Chicken Shack-Formationen ja nicht immer so war) und war lange Zeit sehr verbittert, dass auch Broken Glass mal wieder von dritter Seite der Garaus gemacht wurde. Letztlich geblieben ist der Nachwelt dieses eine Album, bei dem man sich an Rock, Blues, Reggae, heißen Jams und wunderschönen Akustik-Nummern erfreuen kann. Ein Hoch auf Mystik Records, die diese Scheibe (meines Wissens) zum ersten Mal in CD-Form veröffentlicht haben.
Line-up:
Stan Webb (lead & rhythm guitars, acoustic guitars, vocals)
Robbie Blunt (rhythm guitars, background vocals)
Miller Anderson (electric & acoustic guitars, dobro, additional vocals)
Tony Ashton (piano, organ)
Rob Rawlinson (bass)
Mac Poole (drums)
Tracklist
01:Standing On The Border
02:It's Alright
03:Keep Your Love
04:Can't Keep You Satisfied
05:Jersey Lightning
06:It's Evil
07:Ain't No Magic
08:Crying Smiling
09:Take The Water
10:Broken Glass
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