White Lion / Mane Attraction
Mane Attraction Spielzeit: 63:12
Medium: CD
Label: Atlantic Records, 1991
Stil: Hard Rock


Review vom 23.12.2008


Moritz Alves
Ähnlich wie Poison mit Flesh & Blood, bäumten sich auch die New Yorker White Lion zu Beginn der 1990er Jahre noch mal auf und nahmen unter dem Namen "Mane Attraction" ihr ambitioniertestes sowie komplexestes Werk auf, kurz bevor der 1980er Metal dann in der Bedeutungslosigkeit versank. Dieses Album sollte rückblickend das letzte in klassischer Besetzung sein und gleichzeitig das Ende der Band einläuten. Denn interne Querelen zwischen dem dänischstämmigen Sänger Mike Tramp und seinem Saitenhexer Vito Bratta, aber auch musikalische Differenzen mit der Rhythmusgruppe Greg D'Angelo und James LoMenzo führten kurze Zeit nach dem Release zur Auflösung der Band. Somit stellt "Mane Attraction", ganz entgegen seinem Titel, nicht nur das letzte, sondern gleichzeitig auch das in kommerzieller Hinsicht erfolgloseste Album White Lions dar.
Doch kommerzielle Aspekte haben mich eigentlich nie gekümmert, wenn es um musikalische Fragen ging. Das sehen auch viele andere Fans so, denn obwohl man mit "Mane Attraction" in den USA nur noch auf Platz 61 der Billboard-Charts klettern konnte, gilt diese Scheibe in Kennerkreisen neben dem Meisterwerk "Pride" (1987) als das beste Opus des Weißen Löwen.
Wie ich eingangs bereits andeutete, hat man die Herren Tramp, Bratta, LoMenzo und D'Angelo in den Jahren zuvor niemals so nachdenklich, gereift, komplex, ja, nahezu progressiv erlebt, wie es auf "Mane Attraction" der Fall ist. Denn mit "Lights And Thunder" setzt man hier nicht nur den (mittlerweile) zweitlängsten Song der Bandgeschichte an den Anfang (nur "Sangre de Christo" vom 2008er Comeback Return Of The Pride dauert einige Sekunden länger), sondern hat im Folgenden auch mit "Warsong" und "She's Got Everything" noch zwei Stücke in petto, die knapp an der Siebenminutengrenze vorbeischrammen. Und gerade "Lights And Thunder" sowie die Antikriegs-Hymne "Warsong" warten mit ernsten Inhalten und vergleichsweise progressiven Songstrukturen auf.
Ja, das muss sich eine augenscheinlich kommerzielle Hard Rock-Combo wie White Lion erst mal trauen, mit einem verqueren, heftig rockenden Monster à la "Lights And Thunder" zu starten. Damit aber nicht genug, denn diese schwere Kost wurde zudem auch noch als erste Single ausgekoppelt, was wohl für manch einen etwas zuviel des Guten war... Denn erst mit den folgenden Singles "Broken Heart" und "Love Don't Come Easy" gab es wieder versöhnlichere Töne im Radio zu hören. Dabei war die Halbballade "Broken Heart" eingefleischten Kennern übrigens schon vom 1985er Debüt "Fight To Survive" bekannt, wurde für "Mane Attraction" aber noch mal neu aufgenommen.
Insgesamt vereinigt dieses Album jedenfalls das ausgereifteste White Lion-Material. Neben der bereits erwähnten, progressiven Schlagseite sind in Form von "You're All I Need" und "Till Death Do Us Part" hier nämlich die zwei besten Löwen-Balladen versammelt: Während erstere mit Akkordzerlegungen auf der akustischen Gitarre glänzt, basiert "Till Death Do Us Part" auf Pianoklängen.
Mit "Leave Me Alone" und "Out With The Boys" hat man außerdem zwei kernig-fette, packende Rocker im Programm, während beim Instrumental "Blue Monday" schließlich die Fähigkeiten Vito Brattas voll zum Tragen kommen. Es ist wirklich eine Freude, diesem Gitarrenmeister zu lauschen! "Blue Monday" ist übrigens dem damals frisch verstorbenen Stevie Ray Vaughan (1954-1990) gewidmet und weist hörbare Parallelen zu den gefühlvollen Momenten Gary Moores (z.B. "Parisienne Walkways") auf.
Einen besseren und rückblickend passenderen Titel als "Farewell To You" schließlich hätten White Lion gar nicht als letzten Song auswählen können. Denn als ob die Band ihr nahendes Ende vorausgesehen hätte, heißt es da im Text: »Well it's time to say goodbye my friend/ I'm glad you stayed until the end/ I hope that you've enjoyed the time we spent/ Though I know that I will be back again/ I don't know just how soon my friend/ Until we meet again just think of me«.
Dieser Fall der Rückkehr ist denn auch in diesem Jahr eingetreten: Mike Tramp ist, nach zaghaften Gehversuchen unter dem Banner Tramps White Lion, mittlerweile mit komplett neuer Mannschaft und einem saustarken "Comeback"-Album im Gepäck auf die Bildfläche zurückgekehrt. All denjenigen, die sich nun auch mit der alten Band beschäftigen wollen, sei "Mane Attraction" sehr empfohlen, denn auch bei diesem Album gilt wieder die Moritz-Regel: Wenn man sich für nur ein einziges White Lion-Album entscheiden müsste, dann doch bitte für dieses hier - auch wenn man dadurch auf Songs wie "Little Fighter", "Wait" und "When The Children Cry" verzichten muss.
Line-up:
Vito Bratta (guitars)
Greg D'Angelo (drums)
James LoMenzo (bass)
Mike Tramp (vocals)
Tracklist
01:Lights And Thunder (8:08)
02:Broken Heart (4:09)
03:Leave Me Alone (4:26)
04:Love Don't Come Easy (4:10)
05:You're All I Need (4:26)
06:It's Over (5:18)
07:Warsong (6:57)
08:She's Got Everything [Bonus Track] (6:54)
09:Till Death Do Us Part (5:30)
10:Out With The Boys (4:32)
11:Blue Monday [Bonus Track] (4:20)
12:Farewell To You (4:22)
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