Yes / Tales From Topographic Oceans
(Expanded & Remastered)
Tales From Topographic Oceans Spielzeit: 124:49
Medium: Do-CD
Label: Rhino, 2003 (Atlantic, 1973)
Stil: Classic Prog


Review vom 14.01.2009


Wolfgang Merx
Der Anfang von dem Opener "The Revealing Science Of God (Dance Of The Dawn)" hat etwas von "Close To The Edge", dem Titelstück des vorherigen Albums von 1972, welches von den Fans und den Kritikern als bestes Yes-Album gewertet wird. Es beginnt mit Tönen, von denen man glaubt, sie schon oft gehört zu haben - leises Rauschen - und man denkt immerzu an das Meer. Bei "Close To The Edge" ist es Vogelgezwitscher und Wasserrauschen (genau hier liegt die Verbindung), welche von Keyboardsounds verstärkt werden.
So auch hier: Langsam, aber stetig steigen die Lautstärke und der Druck. Der Gesang beginnt und wird auch lauter - und Rick Wakemans MiniMoog-Synthesizer bringt die Entladung. Ab diesem Zeitpunkt läuft das Lied in einem durch - mal leiser und langsamer, dann wieder schneller und lauter, in sehr lyrischen Teilen. Das Stück baut sich immer weiter auf, um nach etwa 20 Minuten im Finale zu enden und wieder die Klänge des Anfangs aufzunehmen.
Dieser Yes-Sound ist neu und doch so vertraut, auch wenn die Stimmung in der Band nicht so gut war. Vor allem war dem Keyboarder Rick Wakeman die Lust vergangen. Er fand keinen gemeinsamen Nenner mit Jon Anderson, dem er sonst immer voll vertrauen konnte. Wakeman machte nur noch seine Arbeit, welche für ihn nichts Besonderes mehr war. Aber seine Sounds und Soli haben mehr Raum in allen vier Stücken des Albums und sind nun gleichauf mit Howes sonst so dominanten Gitarrenparts. Es entsteht ein noch stärkerer Bandsound, den es nie zuvor gegeben hat.
Als zweiter Track kommt mit "The Remembering (High The Memory)" ein klassisch angehauchtes Stück daher, welches eine grandiose Klangfülle hat: Pastoral, orchestral, nahezu übernatürlich - man kann es fast nicht beschreiben, man muss es einfach hören. Das ist kein Progressive Rock mehr, sondern eine einzigartige, alles übersteigende Musik, vielmehr ein wahrer Traum, der leider viel zu schnell zu Ende geht. Man kann diese Musik am besten als eine Mischung aus dem klassischen Sound von Mike Oldfields Album "Incantations" von 1978 und dem 1977er Yes-Longtrack "Awaken" von Going For The One bezeichnen. Allerdings gilt "The Remembering" damit als Quelle der Inspiration, da dieses Stück schon 1973 erschien.
"The Ancient (Giants Under The Sun)" wiederum ist etwas enttäuschend. Das akustische 'Geklimper' der Band - als Fan spreche ich mal von einer 'offenen Improvisation' - will nicht so recht zünden, bis sich zum Schluss ein Folk-Stück ("Leaves Of Green" wird es allgemein genannt) entwickelt, welches leicht dahinplätschert, aber dennoch Form findet. Howe zeigt dort wieder seine genialen Fähigkeiten auf der Akustikgitarre. Trotzdem liegt hier das schwächste Stück des Albums vor.
Mit "Ritual (Nous Sommes Du Soleil)", dass an sich wieder die Linie der ersten beiden Stücke aufnimmt, jedoch mit einem 'freien' Trommelsolo daherkommt, bekommt die Platte ihren krönenden Abschluss. Zwar ist dieses Solo zusätzlich mit Synthesizerquietschen gespickt, was es aber auch nicht besser macht. Alles in allem überwiegen aber die besseren, monumentalen Momente. "Ritual" endet mit ähnlichen Sounds, mit welchen das Album angefangen hat. Diesmal sind es allerdings keine Naturtöne mehr, sondern die letzten Töne der klassischen Besetzung, die nach diesem Album zerbrach und erst 1977 mit "Going For The One" zurückkam.
Die Rhino-Remasterausgabe von 2003 ist als Doppelalbum erschienen und bietet zwei Bonustracks, nämlich Studioproben des ersten und des dritten Stücks. Sie zeigen die Entwicklung der Songs, was allerdings nur etwas für Fans ist. Viel wichtiger ist das eigentliche Remastering, wodurch der Sound erheblich verbessert wurde, obwohl sicherlich noch mehr Raum nach oben ist. Das ist ein geringer Makel der Rhino-Remasters, zumindest bei den Yes-Alben.
Die "Tales..." sind unter den Fans sehr umstritten. Viele finden, dass das Album zu viele Längen hat, in denen einfach zu wenig passiert. Das kann man sehen, wie man will; lang ist es allemal: Alle Songs füllten 1973 jeweils eine Schallplattenseite.
Ich finde, die Musik braucht eine gewisse Zeit, um sich zu entwickeln. Wer sich einmal darin zurechtgefunden hat, wird meine positive Meinung verstehen und den elegischen Yes-Sound genießen können.
Tracklist
CD 1:
01:The Revealing Science Of God (Dance Of The Dawn)
[Original LP-Seite 1]
02:The Remembering (High The Memory)
[Original LP-Seite 2]
03:The Ancient (Giants Under The Sun)
[Original LP-Seite 3]
CD 2:
04:Ritual (Nous Sommes Du Soleil)
[Original LP-Seite 4]
05:Dance Of The Dawn
(Studio Run-Through)
06:Giants Under The Sun
(Studio Run-Through)
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