1. Futurologischer Congress / Patchwork-Studiotracks 1983-86
Patchwork-Studiotracks 1983-86 Spielzeit: 53:19
Medium: CD
Label: Sireena Records, 2013
Stil: Neue Deutsche Welle, New Wave


Review vom 12.03.2013


Joachim 'Joe' Brookes
U.W.A. Heyder, Johann Sebastian Mac Wasty und Jens T. Tröndle gründeten Anfang der Achtzigerjahre den 1. Futurologischen Congress (1. FC). Namensgeber für die Formation, die während ihres Werdegangs aus einer ziemlich unterschiedlichen Anzahl von Musikern bestand, war Stanislaw Lems Buch "Der futurologische Kongress". Bis zur Veröffentlichung des Debütalbums "Schützt die Verliebten" dauerte es nicht allzu lange. Als Gäste waren unter anderem Miko, Rainer Konstantin (Prima Klima) und der Idealist Hansi Behrendt dabei. 1983 war der 1. FC mit "Wer spricht" (mit FM Einheit) am Start und zwischen den Plattenveröffentlichungen gab es ein denkwürdiges Konzert auf der Berliner Waldbühne. Für eine Band aus dem Westen der jetzigen Hauptstadt ein Heimspiel, das in den dritten Fernsehprogrammen übertragen wurde.
Interessant sind auch weitere Tonträger, wie zum Beispiel "Posthum" (1981). In drei Coversongs ehrt man im ganz persönlichen musikalischen Stil John Lennon/Yoko Ono unter dem Namen Plastic Ono Band mit "Give Peace A Chance", Bob Marleys "No Woman No Cry" und "Hot Love" von
T. Rex. Darüber hinaus ist auf einer anderen Single noch vom "Heimatlied" die Rede, das nach einem »gewonnenen Musikwettbewerb des Berliner Senats produziert wurde.«
Die Medien bezeichneten den 1. FC nach dem Gig als »Deutsche Talking Heads.« Außerdem wurden musikalische Verbindungen zu Heaven 17 beziehungsweise Spliff hergestellt. Das Abschwächen des starken Seegangs der Neuen Deutschen Welle bekam auch der 1. Futurologische Congress zu spüren und die für 1984 geplante dritte LP, für die bereits neun Kompositionen im Kasten waren, blieb, auch wegen Meinungsverschiedenheiten, unter Verschluss. Die Technik unterliegt einer ständigen Weiterentwicklung und nun steht dieses Album als Download zur Verfügung.
Alle Vertreter der Old School-Fraktion und Anhänger der experimentellen Abteilung der Neuen Deutschen Welle können allerdings bei vorliegender Platte "Patchwork Studiotracks 1983-86" die Ohren, oder auch den Bleistift (zum Notieren), spitzen, denn was uns in den insgesamt vierzehn Songs (davon drei in englischer Sprache) geboten wird, ist echt spannend, interessant und die gehobene NDW-Klasse.
Neben den bereits ganz oben genannten Musikern waren bei den Futurologen auch Schlagzeuger Marlon Klein (Dissidenten) oder H.W. Olm, der in der Nummer "Klondike" spricht. Phasenweise bietet der 1. FC die Flächen für Vergleiche mit Heaven 17 oder Spliff. Allerdings macht man die Rechnung ja nie ohne den Wirt oder im Fall dieser Band muss man wohl von Wirten sprechen, denn der 1. FC steht mit seinen Eigenkompositionen und zeitweise humorvollen Texten auch sehr, sehr gut auf eigenen Beinen.
Die Songs haben besonders durch eine funkige Auslage tanzbaren Charakter und zeitweise kommen einem die Avantgarde Pop-Band Foyer des Arts (Max Gold/Gerd Pasemann) in den Sinn. Es ist nun auf "Patchwork Studiotracks 1983-1986" nicht so, dass nur Nummern für den Tanzboden zu hören sind. Die Futurologen können auch Balladen. Und wie! Da wäre zunächst das Gegenstück von "Je T'aime" und heißt "La Excursion". Die flauschig-kuschelige, schwebende Ballade wird beim 1. FC von einem Mann gesungen. In der Abteilung mit englischen Texten ist "Here We Go" eine weitere Nummer mit ruhigerer Atmosphäre, die aber mit einem scharfen Gitarrensolo versehen wurde.
"Bungalow (1. FC Version)" und das sich gleich anschließende "Lawrence von Arabien" sind mit viel Percussion und Handtrommeln aufgeladen worden. Toll! Einerseits glänzt man mit einem kurzen Solo von der Akustischen und andererseits fließen wieder abgedrehte E-Gitarrentöne in die Musik ein. Trompete spielt - laut Line-up - niemand. Es klingt im erstgenannten Track aber danach. "Mach was!" sowie "See Big Brother/Wir ticken digital" sind bestens zum Abzappeln auf dem Dancefloor geeignet und haben jede Menge Futter für all die Remixer der Nation.
Rundum ist "Patchwork Studiotracks 1983-1986" das, was der Titel zum Ausdruck bringt. Die Platte ist ein fürchterlich gutes Sammelsurium von Kompositionen, die viel Hörfreude bieten und sich musikalisch auf der Schaumkrone der damaligen Neuen Deutschen Welle befand. Der 1. Futurologische Congress spielte in der oberen Liga.
Line-up:
U.W.A. Heyder (vocals, keyboards, guitar, rhythmprogramming)
Jens T. Tröndle (moogbass, vocals, keyboards, rhythmprogramming)
Marlon Klein (drums, keyboards, percussion, backing vocals, sequenzer)
Nikko Weidemann (vocals, bass, keyboards, sequenzer)
Hanno Rinne (guitar, keyboards, percussion, choir, rhythmprogramming)

Guests:
Billy Omuto (bass, choir)
Hans Schumann (percussion, choir)
J. S. Mac Wasty (electronic)
Cathrin Vaessen (vocals)
Conrad Göckel (keyboards, choir)
Rainer Kipp/Konstantin (sequenzer programming, sample-sounds)
Thomas Rading (saxophone)
Stefanie Marcus (bass, choir)
Studio Chor Kreuzberg (choir)
Tracklist
01:Dezember (... Sex) [Troendle/Heyder/Rinne/Klein] (4:31)
02:La Excursion (1:47)
03:Klondike [Rinne/Heyder/Olm] (3:38)
04:Art von Mann [Troendle/Heyder/Klein] (3:18)
05:Bungalow (1. FC Version) [Heyder/Klein/Troendle/Rinne] (3:52)
06:Lawrence von Arabien [Heyder/Konstantin/Göckel] (3:18)
07:Alles viel zu spät [Heyder/Konstantin/Göckel] (3:40)
08:Adieu (Hast du keinen Schmerz) [Troendle/Heyder/Weidemann] (5:00)
09:Zeit der Veränderung [Heyder] (3:45)
10:Mach was! [Klein/Weidemann/Troendle/Bearb. Heyder] (4:18)
11:See Big Brother/Wir ticken digital [Klein/Troendle/Hyder] (3:31)

Bonus Tracks (English):
12:Paradise (4:06)
13:Ordinary Officer (4:02)
14:Here We Go (4:17)
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