The Aaron Clift Experiment / Outer Light, Inner Darkness
Outer Light, Inner Darkness Spielzeit: 63:46
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2015
Stil: Prog Rock

Review vom 11.01.2016


Boris Theobald
Aaron Clift macht Experimente - und da spielen wir doch mal gerne das Versuchskaninchen! Der Texaner Clift hat eine nicht uninteressante Vergangenheit jenseits der Rockmusik, vom Bratschenspieler im Schulorchester über späteren Klavier- und Gesangsunterricht sowie Ausflüge in den Jazz bis hin zum Studium der klassischen Komposition. Letzteres blieb dann aber doch nur ein kurzer Abstecher; und es zog ihn zurück zum Rock - als Sänger und Tasteninstrumentalist. Mit seinem 'Experiment' - klingt möglicherweise interessanter als 'Band' - hat er nach dem Debütwerk "Lonely Hills" nun das zweite Forschungsprojekt am Start: "Outer Light, Inner Darkness".
Des Bosses Background ist deutlich hörbar - nicht nur, weil er für drei Songs ein komplettes Streichquartett ins Studio eingeladen hat, sondern auch an gewissen 'Extras' in Sachen Harmonik und Songstruktur. Wann gibt es schon mal ein einminütiges Bass-Solo wie im Opener "Kissed By The Sun", jazzig eingefärbt von Clifts Orgel ... Ein begeisternder Einstieg, dieses "Kissed By The Sun" - episch und dennoch sehr eingängig dank zündender Melodien. Durch das Zutun von Gastgeiger Oscar Dodier hat die Nummer durchaus etwas von 'klassischen Kansas light'; und das ist gar nicht despektierlich gemeint. Und in der Single-Version als Bonus - knappe vier Minuten statt gute siebeneinhalb - macht man, um es mal so auszudrücken, aus einem "Song For America" ein "Carry On Wayward Son".
Die Qualität der Kompositionen nimmt danach nicht ab - und dabei ist es bemerkenswert, wie verschieden und dabei auch 'verschieden' gut die einzelnen Stücke sind. Bei "Aoide, Goddess Of Song" huldigt Aaron Clift der griechischem Muse mit einem Folk-angehauchten Gitarren- und Klavier-Drive, der vor Energie und Optimismus nur so strotzt. Dagegen "Your Arms Hold Them To The Dark": Es startet vorsichtig-mysteriös mit tieftönigem Klavier und bringt später die härtesten Gitarren des kompletten Albums hervor. Wenn beides aufeinanderprallt, gibt das einen fesselnden Effekt. Das ist Dramatik ohne Overplay, so muss das; so frisst sich das in Ohr und Seele. Und es ist interessant, dass man ausgerechnet die Nummer mit den dicksten Gitarrenwänden als Bonus in einer rein akustischen Version dazu gepackt hat; das nennt man Mehrwert.
Mit "The Last Oasis" frönt Aaron Clift besonders ausgiebig seiner klassischen Ader. Da gibt es dreieinhalb Minuten lang nur Flügel und Streichquartett, bevor der Rest der Band einsetzt. Läppische fünf Zeilen Gesang folgen Minuten später. Die Gesamtdramaturgie mit symphonischem Finale ist sehr gelungen, 'speziell' und äußerst hörenswert. Selbiges trifft auch - und nicht zuletzt - auf den 'dicken Brocken' von "Outer Light, Inner Darkness" zu, nämlich das atmosphärisch wie auch textlich sensibel und mitreißend aufgebaute Anti-Kriegs-Stück "Moonscape". Das verträumte, schwerelose "Bathed In Moonlight" wirkt im Anschluss daran wie ein Nachhall und setzt dem Album (mit Ausnahme der Bonus-Tracks, versteht sich) einen bemerkenswerten Abschluss.
Irgendwelche Songs nicht erwähnt? Nun ... auch "Locked" und "Fragments Of Sleep" sind starke Nummern und laufen keineswegs Gefahr, nicht beachtet zu werden, nur weil sie keine Überlänge oder sonstige hervorstechende Eigenschaften besitzen. Im Gegenteil - "Fragments Of Sleep" ist für mich persönlich sogar so etwas wie der 'heimliche Held' auf "Outer Light, Inner Darkness". Es handelt von Leuten, die im Halbschlaf durchs Leben gehen und es dabei verpassen, Chancen zu nutzen und ihre Träume zu verwirklichen. Der Chorus ist ein echter melodischer Leckerbissen und wird am Ende sogar noch zum Kanon erhoben - ein bisschen Spock's Beard-Style.
Apropos 'Bärte': Die Musik der Marke Clift ist klar im 'klassischen' symphonischen Progressive Rock verwurzelt - es sind jedoch überwiegend jüngere Bands, an die mich die Gruppe konkret erinnert, die allesamt der Melodiösität enormen Wert beimessen, wie Enchant aus Kalifornien, Galahad aus Großbritannien, Galleon aus Schweden oder auch Nemo aus Frankreich. The Aaron Clift Experiment hätten mit diesem starken Album auch ein wenig Prominenz in der Szene verdient, auch wenn man stilistisch nicht die Musikwelt revolutioniert. Aber hey - wenn ich durch eine schöne Landschaft laufe, dann will ich ja auch nicht immer weiter, weiter und weiter, um Neues zu sehen, sondern dann mach ich auch mal langsam, schaue mich um und genieße. In diesem Sinne: Aaron Clift - Experiment gelungen!
Line-up:
Aaron Clift (vocals, keyboard, organ, grand piano)
Eric Gutierrez (gutar, mandolin)
Devin North (bass guitar, double bass)
Joe Resnick (drums, percussion)
Guest musicians:
Oscar Dodier (violin - #1)
Corina Santos (violin I - #3,6,8)
Behnam Arzaghi (violin II - #3,6,8) Michael Zahlit (viola - #3,6,8)
Diana Burgess (cello - #3,6,8)
Tracklist
01:Kissed By The Sun (7:40)
02:Locked (5:23)
03:Fragments Of Sleep (4:37)
04:Your Arms Hold Them To The Dark (4:20)
05:Aoide, Goddess Of Song (5:58)
06:The Last Oasis (8:36)
07:Moonscape (12:05)
08:Bathed In Moonlight (7:27)
09:Your Arms Hold Them To The Dark [Acoustic Version] (3:40)
10:Kissed By The Sun [Single Version] (3:59)
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