AC/DC / Rock Or Bust
Rock Or Bust Spielzeit: 34:44
Medium: CD
Label: Columbia Records, 2014
Stil: Hard Rock

Review vom 03.12.2014


Mike Kempf
Endlich, "Rock Or Bust" hat das Licht der Welt erblickt! Kenner wissen natürlich, dass diese Tonkonserve aus dem Hause AC/DC stammt. Das Management war so clever und hat die Platte marketingstrategisch perfekt zur Adventszeit auf den Markt geworfen und somit reichlich Fingerspitzengefühl bewiesen, wenn es darum geht, die 'Rentenkasse' der australischen Superband prall zu füllen. So liegt es quasi auf der Hand, dass "Rock Or Bust" zahlreiche Nikolausstiefel füllen oder zum Heiligabend unter Millionen von Tannenbäumen liegen wird.
Die Hardcore-Fans, so wie ich, wollen und können nicht so lange warten und doch: Die Schlagzeilen der letzten Monate waren alles andere als positiv. Als mit Abstand schlechteste Nachricht gilt die Gewissheit, dass Malcolm Young, einer der besten Rhythmusklampfer, den die Rockgeschichte jemals hervorbrachte, nie wieder in der Lage sein wird, die Saiten seiner geliebten Gretsch so zu zupfen, wie man es fast vier Jahrzehnte lang von ihm gewohnt war. Dagegen fällt die Story um Phil Rudd eher harmlos aus. Außer dem Verdacht des Konsumierens diverser Aufputschmittel, wurde wenigstens die Anklage wegen Anstiftung zu einem Auftragsmord umgehend zurückgenommen. Falls der Schlagzeug-Terminator wegen Drogenmissbrauchs verknackt werden sollte, müssten wir uns da nicht sorgen, dass künftig die Hälfte unserer Rock'n'Roll-Stars hinter schwedischen Gardinen sitzen wird?
Die elf Songs von "Rock Or Bust" stammen alle aus der Feder der Gebrüder und Gründungsmitglieder Young. Leider wurde, wie wir bereits wissen, das Album anstatt vom bekannten Weltstar Malcolm Young nun von dessen jüngerem Neffen Stevie Young - immerhin mit dem 'Baujahr' 1956 abgestempelt und damit auch nicht mehr der Jüngste - an der Rhythmusgitarre eingespielt. Das heißt, dass auf der bevorstehenden Tour im kommenden Jahr nur Angus als einziges Gründungsmitglied mit von der Partie sein wird - für mich kein wohliges Gefühl.
Dafür erzeugen bei mir die ersten Riffs vom Titeltrack "Rock Or Bust" Wohlbehagen. Ich empfehle: Dreht den Lautstärkenregler bis zum Anschlag auf, denn wer nicht vollkommen gegen handgemachten Rock'n'Roll immun ist, der wird hier mit großer Wahrscheinlichkeit einen Ohrenorgasmus erleben. Das gleiche gilt fürs kurzweilige "Play Ball" und ich stelle fest, dass die Band trotz der kürzlich nicht leicht verdaulichen Schicksalsschläge, kaum etwas von ihrer altbewährten Dynamik verloren hat. Allen voran Brian Johnson, bei dem es sich so verhält, wie mit einem guten Wein: je älter er wird, desto besser ist er. In der Tat sprechen mich seine Vocals immer mehr an, auch wenn diese nicht mit seinem Vorgänger Bon Scott vergleichbar sind.
Was hat Angus einst in einem länger zurückliegenden Interview kundgetan? »Viele Bands schreiben Balladen, AC/DC machen Rock'n'Roll«. Daran hat sich auch beim neuesten Werk des glorreichen Fünfers nichts geändert. So ist es, wie es immer war und wie es vermutlich auch künftig sein wird, ebenso lange, wie AC/DC existiert: Die Band kennt nur eins - allerbesten, schnörkellosen und bis zum Anschlag ausgereizten Rock'n'Roll! Immer mit leichten Blues-Anleihen gewürzt, spiegelt das komplette Album nur diese eine Richtung wider: volle Kanne schnurstracks nach vorne!
Obwohl es für mich - wegen des wirklich guten Gesamtwerks - ziemlich schwierig ist, einen Anspieltipp herauszufiltern, ist Track Nummer fünf, "Dogs Of War", der Song, der mich am meisten berührt. Diesmal frisst der Hund keinen Artgenossen, sondern wird hier 'nur' der 'Hund des Krieges' besungen. Letztlich von nicht allzu großer Bedeutung, denn das Teil geht bei mir dermaßen ins Blut, dass Erinnerungen an vergangene Zeiten wach werden, als ich noch in der Lage war, AC/DC-Rhythmen mit meiner langen Haarpracht kräftig kopfschüttelnd nachzueifern. Mittlerweile hat sich meine lange Matte längst verabschiedet und auch ein unfallfreies Kopfwackeln ist wohl nicht mehr drin. Zwar handelt es sich bei meinen Emotionen rund ums 'Hundelied' nur um eine Momentaufnahme und es kann morgen zum Beispiel "Rock The Blues Away" in meiner Beliebtheitsskala ganz vorne liegen - letztlich ist es egal, denn mein Adrenalin hat nach rund 35 Minuten ungeahnte Höhen erreicht und verlangt, "Rock Or Bust" umgehend noch mal zu konsumieren. Keine Frage, das Album brettert in altbewährter AC/DC-Manier aus den Boxen und produziert bei mir reichlich Glückshormone.
Fazit: Die 1973 gegründete Band bleibt auch nach über 40 Jahren ihrer Linie treu. Deshalb bleiben für den Musikfreund, wie sollte es auch anders sein, große Überraschungen aus - gut so! Sechs Jahre nach Black Ice haben sie mit "Rock Or Bust" nicht nur ein würdiges Nachfolgealbum eingespielt, sondern meiner Meinung noch einen drauflegen können. Auch wenn sie aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters nicht mehr über die überschüssige Energie aus der Zeit ihrer Anfänge, Mitte der 70er, verfügen: An AC/DC führt auch heute noch kein Weg vorbei. Und an Angus beispiellos aggressiven Gitarrenläufen sowieso nicht! Trotzdem: Bei aller Freude übers neue Album, trübt mich Malcolms Erkrankung so sehr, dass ich für seine Gesundheit liebend gern auf "Rock Or Bust" verzichtet hätte. Nun gut, es ist so wie es ist und nicht zu ändern. Also: Lange Rede, kurzer Sinn - "Rock Or Bust" gehört ohne Wenn und Aber unter den Weihnachtsbaum.
Line-up:
Brian Johnson (vocals)
Angus Young (lead guitar)
Stevie Young (rhythym guitar)
Cliff Williams (bass)
Phil Rudd (drums)
Tracklist
01:Rock Or Bust (3:03)
02:Play Ball (2:47)
03:Rock The Blues Away (3:24)
04:Miss Adventure (2:57)
05:Dogs Of War (3:35)
06:Got Some Rock & Roll Thunder (3:22)
07:Hard Times (2:44)
08:Baptism By Fire (3:30)
09:Rock The House (2:42)
10:Sweet Candy (3:09)
11:Emission Control (3:41)
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