Die mir vorliegende Scheibe von einer Dame, namens Aina "Living In A Boy's World" preist das Label 'MTM' als eine der verloren gegangenen Schätze des AOR und eines der besten Hard Rock Alben, die je in Norwegen produziert wurden an, und nimmt dies zum Anlass sie in einer digital remasterten Version wieder zu veröffentlichen. Um den Anreiz des Kaufens zu erhöhen, wurde das Ursprungsalbum um fünf Bonustracks aufgestockt. Soweit so gut. Wirkt ja erst mal recht interessant.

Die weiteren Informationen über die Künstlerin sind ziemlich spärlich. Kein Beipackzettel, keine eigene Homepage. Die Recherche ergibt, dass Mrs. Aina wohl aus Norwegen stammt, mittlerweile in Los Angeles lebt, und ihre Dollars als professionelle Fotografin verdient.
Keine Angaben zu Musikern, Produzent oder Songschreibern (vermutlich AINA größtenteils selbst) auf der Promo-CD.
Die Homepage von 'MTM' offenbart zumindest die (mir relativ unbekannten) mitwirkenden Instrumentalisten und zeichnet einen groben Lebenslauf der Künstlerin. Meine Vermutung tendiert dahin, dass die damalige Erstausgabe Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger Jahre erschienen ist. Am Computer überarbeitet wurde sie jetzt von Toni Übler.

Nimmt man die ersten 10 Tracks allerdings zum Maßstab, erweist sich die oben erwähnte Anfangsthese seitens des Labels als ziemlich gewagt, besser gesagt ziemlich übertrieben. Man muss schon über die ca. 40 Minuten hinweg, echte rockmusikalische Steherqualitäten beweisen, oder im sonstigen Leben hartes Nehmen, wie ich beispielsweise bei meinem Lieblingsverein 'Rot-Weiss Essen', gewöhnt sein.
Grässlich hektische, mit Drumcomputer und Synthesizer verunstaltete Melodien, ballern einem kräftig und sehr gekünstelt im 80er-Jahre-Duran-Duran-Gewand entgegen, lediglich Aina selbst mit ihrer eigentlich recht akzeptablen Stimme und der Gitarrist sind bemüht, eine völlige Katastrophe zu verhindern. Bis dahin meiner Meinung nach so ein Teil, dass man auf CD-Wühltischen großer Supermarktketten findet, wobei man sich aber im Nachhinein dann doch ärgert, die 1,95 Euro nicht gleich in drei weitere Flaschen Bier investiert zu haben. Das polternde "Rocks Off", mit seinem mitgrölbaren Refrain und das abschließende "Pleasure & Pain" mit dem an Deep Purple erinnerndem Organ-Gitarren-Kombi-Führungsriff wirken noch mit viel Wohlwollen akzeptabel.

Etwas befriedigender wird es eigentlich erst bei den Bonustracks: Das rockig dahinstampfende "Save Me Father" enthält überraschende Slideeinlagen und ein filigranes E-Solo, könnte aus dem Repertoire einer Lita Ford stammen, "It's Raining It's Pouring" hat leicht orientalisches Rockflair und wieder gute Gitarrenparts, "Too Good To Be True" ist dann das alles überragende Stück. Ein wunderbarer rhythmisch poppiger Melodic Rocker der Marke Robin Beck. Tolle Vocals hier von Aina. Danach folgt wieder ein Rückfall in alte Zeiten. "If I Can't Have You" entpuppt sich als ‚Bonnie-Tyler-für Arme-Song' mit schrecklichen Synthies und üblen Harmoniegesängen.
Das abschließende "Shake You Good" hat ebenfalls eine schöne rockige, gitarrenorientierte Aufmachung, Aina haucht lasziv sexy im Break, wie seiner Zeit Fancy bei "Wild Things". Aus meiner Sicht hätte also eine EP mit vier Songs gereicht.

Meine Empfehlung an die Künstlerin:
Den Fokus ihres beruflichen Lebens bitte beim Fotografieren belassen oder alternativ, wie es das ansehnliche Cover beweist, eventuell selbst mal als Modell zu agieren.
Wenn es musikalisch unbedingt weiter gehen soll, rege ich an, sich besseres Songmaterial zu besorgen und auf jeden Fall einen anderen Produzenten anzuheuern. Vielleicht mal bei Robin Beck um Rat nachfragen. Die hat nämlich mit ihrem letzten Werk Do You Miss Me gezeigt, wie man es besser machen kann.

Und noch eine Anmerkung zu einem der 'besten norwegischen Alben': Schon mal was vom Debütwerk der BandOn The Rise gehört...?