...wir waren damals eher eine Power Metal-Band mit einer Thrash-Schlagseite
Rocktimes Interview Anacrusis - für viele Gourmet-Banger DIE Definition einer Symbiose aus Thrash und Progressive Metal. Alben wie "Suffering Hour" (1988) und "Manic Impressions" (1991) krempelten seinerzeit den Underground völlig um, bevor sich das Quartett 1993 viel zu früh wieder in alle Winde zerstreute.
Anlässlich des Reunion-Gigs in Originalbesetung auf dem diesjährigen Keep It True-Festival führten wir ein Interview mit Kenn Nardi, seines Zeichens Sänger und Gitarrist der Kultband aus St. Louis/Missouri.


Interview vom 15.07.2010


Marius Gindra
Annihilation Complete RockTimes: Zuerst möchte ich mich bei Dir bedanken, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview genommen hast! Ich habe den Auftritt auf dem letzten Keep It True-Festival sehr genossen. Bitte, erläutere den RockTimes-Lesern doch ein paar genauere Details und wie es im Endeffekt dann dazu kam. Vielleicht noch ein paar Wörter über die kurz vorher entstandenen Schwierigkeiten, worüber wir ja alle Bescheid wissen. Du weißt ja: Verdammte isländische Vulkane!
Kenn: Man vermittelte mir Oliver (Weinsheimer - d. Verf.), den Promoter und Veranstalter des Festivals über Stormspell Records, die auch Anfang 2009 unsere Demo-Compilation "Annihilation Complete" veröffentlichten. Wir sagten dem Angebot von Oli zu und verbrachten das restliche Jahr damit, uns für den Auftritt und unsere Reunion-Show in St. Louis einzuspielen.
Hindsight: Suffering Hour & Reason Revisited RockTimes: Lass uns mal über eure letzte (Eigen-)Veröffentlichung "Hindsight: Suffering Hour & Reason Revisited" sprechen. Wie kamt ihr auf die Idee, eure ersten zwei Alben "Suffering Hour" (1988) und "Reason" (1990) erneut auf Konserve zu bannen?
Magst du den Sound der Original-Scheiben nicht oder weshalb hast du die Aktion durchgezogen? Ganz ehrlich: Ich finde, der Klang dieser beiden Platten ist sehr roh bzw. rau und dadurch doch erst so genial! Okay, ich mag zwar auch beide Versionen, aber das Original doch noch einen Deut mehr! Was denkst du darüber?
Kenn: Offenbar mag ich die neuen Versionen etwas mehr, sonst hätte ich sie ja nicht noch mal veröffentlicht (lacht). Um Dir deine Frage zu beantworten: Wir waren nie zufrieden mit dem ursprünglichen Sound dieser beiden Alben. Es gibt durchaus gute Ansätze an ihnen, aber die Aufnahmequalität passte nicht so gut zu den Songs selbst. Ich hoffe, durch unseren neuen Release werden einige Leute das Material nochmals antesten, ohne sich zu sehr an den Originalen zu orientieren.
Manic Impressions RockTimes: Lass uns zurück zu den Anfängen gehen! Ihr habt die Band im Jahre 1986 als lupenreine Thrash-Band gegründet. Welche Interpreten oder Musikstile beeinflussten euch damals am meisten? Wie kam eigentlich der Plattenvertrag mit Metal Blade 1990 zustande? Denkst Du, Ihr könntet heute bekannter und erfolgreicher sein, als Ihr es tatsächlich seid?
Kenn: Ich finde, wir waren damals eher eine Power Metal-Band mit einer Thrash-Schlagseite. Der Großteil der Songs war im Mid-Tempo gehalten, auf den früheren Alben mit gelegentlichen Thrash-Songs bzw. Parts. Frühe Einflüsse waren bei uns Metallica, Slayer, Mercyful Fate, Metal Church, Savatage und Trouble.
Kurz bevor wir "Reason" aufnahmen, unterschrieben wir einen Plattenvertrag mit Metal Blade. Wir hatten einen Deal mit Active Records aus England über zwei Alben. Dieser war damals dann erfüllt und wir schlossen uns direkt Metal Blade an.
Reason RockTimes: 1991 wurdet ihr mit dem legendären Album "Manic Impressions" progressiver. Gab es damals einige Fans, die sich von euch abwandten, weil es ihnen zu 'untrue' war? Wie war damals so die Resonanz?
Kenn: Ich weiß, dass einige Fans von unserer späteren Ausrichtung nicht sonderlich begeistert waren. Manche mochten eben nur das frühere, thrashigere Zeug wie z.B. "Suffering Hour". Die meisten Hörer bevorzugen jedoch das spätere Material.
RockTimes: 1993 habt ihr euch aufgelöst. Wie kam es dazu, nachdem ihr solch einen legendären Longplayer der Marke "Screams & Whispers" aufgenommen habt? Was waren die Gründe für den Split, gab es Probleme mit dem Label?
Kenn: Gut, sicher gab es auch diverse Probleme mit dem Label, aber ebenso wurden wir sehr frustriert über die Tatsache, Musik zu spielen und damit einfach kein Geld zu verdienen. Dann kamen noch einige gewöhnliche Sachen dazu, die passieren, wenn man halt in einer Band zockt, persönliche Auseinandersetzungen hatten wir ebenfalls. Aber in welcher Band ist das nicht so? Ich persönlich denke, wir hätten noch ein wenig länger machen können, wenn man uns etwas mehr gepusht hätte.
Screams & Whispers RockTimes: Ihr habt eure gesamte Diskographie auf eurer offiziellen Webseite als freien Download zur Verfügung gestellt. Weshalb? Ein interessantes Thema, denn die meisten Bands werden ja eher wütend, wenn die Hörer ihre Musik nur herunterladen!
Kenn: Lange Jahre waren unsere Scheiben nicht mehr erhältlich und schwer zu bekommen. Ich dachte mir, dass es sicherlich keinem irgendwelche Probleme bereitet, wenn man sie für die Leute zum Download bereit stellt. Ich meine, es half wirklich, den Bandnamen über die ganzen Jahre weiterhin am Leben zu erhalten. Ich traf bzw. hörte von Leuten, die zuerst von Anacrusis realisierten, als sie unsere Scheiben herunterluden und danach riesige Fans wurden.
Suffering Hour RockTimes: Mittlerweile habt ihr euch reformiert im Original-Line-Up. Was sind eure Pläne für die Zukunft? Eine komplette Europa-Tour und ein neues Album wäre doch echt eine geile Sache!
Kenn: Wir haben uns nicht im eigentlichen Sinne wiedervereinigt. Das letzte Jahr verbrachten wir damit, für unsere Reunion-Show und die Teilnahme am KIT 13 zu proben. Wir packten die Gelegenheit am Schopfe, um dazu die ersten zwei Scheiben erneut aufzunehmen. Wir möchten in der Zukunft auch Auftritte absolvieren, aber ein neues Album wird es leider nicht geben. Ich schmiede gerade Pläne, neue Musik mit einigen anderen Mitgliedern der Band aufzunehmen, die in gewisser Weise der von Anacrusis ähnelt. Es wird auch wieder eine Eigenveröffentlichung werden, wenn es fertig ist. Viele Fans werden sicherlich das, was sie da hören, mögen!
RockTimes: Und nun übergebe ich das letzte Wort an Dich!
Kenn: Vielen Dank für das Interview und natürlich Danke an jeden, der über all die Jahre unsere Musik gehört und unterstützt hat!
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