Toby Manning / Rough Guide To Pink Floyd
Rough Guide Pink Floyd Übersetzung aus dem Englischen von Corinna Siebert
300 Seiten mit zahlreichen s/w-Fotos
Paperback
Heel Verlag, Königswinter, 2008
Medium: Buch
ISBN-978-386852-010-1
EUR 14,95

Review vom 05.02.2009


Jürgen Hauß
Was - bitteschön - ist ein Rough Guide? Wörtlich übersetzt ein roher, derber, aber auch geschätzter Führer, was vorliegend nur bedingt weiter hilft. Nun, zunächst einmal ist Rough Guide bzw. korrekt Rough Guides der Name eines britischen Buchverlages, in dem die englischsprachige Originalausgabe des Buches "Rough Guide To Pink Floyd" von dem britischen Autor Toby Manning bereits im Jahr 2006 erschienen ist. Rough Guides war zunächst ein in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gegründeter Verlag für Reiseführer, geboren aus der Idee, dem Individualtouristen zeitgenössische und zugleich durchaus subjektiv geprägte Informationen über sein Reiseziel zu vermitteln. Neben den inzwischen über 200 unter dem jeweiligen Titel "Rough Guide To ..." publizierten Reiseführern sind mittlerweile zahlreiche "Rough Guides" aus dem Bereich Musik, überwiegend biographischer Art erschienen, die ein vergleichbares Ziel haben: dem Leser durchaus eigenwillige Informationen zum jeweiligen Sujet zu bieten.
Die vorliegende deutsche Übersetzung ist vor kurzem im Heel-Verlag erschienen - einem Verlag, der bislang mehr mit Büchern über Autos und anderen Fahrzeugen in Erscheinung getreten ist, als ein mit großer Kompetenz im Bereich Musikbücher ausgestattetes Unternehmen. Allerdings bedarf es ja auch keiner allzu großen eigenen Kompetenz, wenn man lediglich deutsche Übersetzungen anderer Werke 1:1 adaptiert. So ist bislang neben dem zu besprechenden Werk lediglich ein weiterer 'Rough Guide' zu den Rolling Stones erschienen; zwei weitere (über Velvet Underground bzw.
Bob Dylan) sind für das kommende Frühjahr angekündigt.
Original und Übersetzung vermitteln auf jeweils exakt 300 Seiten einschließlich zahlreichen, allerdings durchweg in Schwarz-weiß gehaltenen Fotos, eine Vielzahl von Informationen. Dass die musikalischen "Rough Guides" im quadratischen Format von etwa 18 cm Seitenlänge erscheinen, mag Zufall sein, gibt aber exakt die Größe einer Vinyl-Single vergangener Tage wieder. Das kleine Format und die insgesamt recht schlichte Ausstattung sind sicherlich Grund dafür, dass das Werk mit einem Preis von 14,95 € als äußerst günstig angeboten wird; mit anderen - oft auf Hochglanzpapier gedruckten - Werken kann es sich nur schlecht messen.
So kommt es in allererster Linie auf den (textlichen) Inhalt an. Das Buch ist in drei große Teile untergliedert. Während "Teil Eins: Die Story" in erster Linie die Geschichte der Band in chronologischer Form erzählt, widmen sich "Teil Zwei: Die Musik" und "Teil Drei: Floydologie" vornehmlich einer Dokumentation des Werkes von Pink Floyd einschließlich ihrer Hommage durch andere Künstler.
"Teil Eins", der etwa die Hälfte des Buches umfasst, beschreibt - wie gesagt - die Geschichte der Band, aufgehängt an den stilprägenden Alben von Pink Floyd. Die Story ist umfassend von den Anfängen der Band bis zu ihrem Zerfall - einschließlich der 'Nach-Pink-Floyd-Ära' (jedenfalls dann, wenn man mit dem Autor das Ende von Pink Floyd mit dem Erscheinen von "The Final Cut" im Jahre 1983 festmacht) beschrieben. Dabei wird die letzte Phase mit dem provokanten Titel überschrieben: »Wer ist Pink?«, womit die Diskussion angeheizt wird, wer nach dem Zerfall der Waters-Gilmour-Wright-Mason-Besetzung das Recht hat, den Bandnamen weiterzuführen. Enttäuschend ist in diesem Zusammenhang, dass der kürzliche Tod von Rick Wright keine Erwähnung findet. Dies ist allerdings nicht weiter verwunderlich, wenn man berücksichtigt, dass die englische Original-Ausgabe des "Rough Guide" bereits im Jahr 2006 erschienen ist.
Dem Leser sei jedenfalls empfohlen, diesen Teil des Buches tatsächlich chronologisch zu lesen, da vielfach Bezugnahmen auf frühere Textpassagen erfolgen; ansonsten ist man oftmals veranlasst, in frühere Kapitel zurückzublättern. Das chronologische Lesen wird allerdings erschwert durch das oftmals verwendete Stilmittel des 'Einschubs' in Form eines Kastens (bekannt insbesondere aus einschlägigen Nachrichtenmagazinen), in dem kleine Geschichten oder Anekdoten präsentiert werden. Entweder man unterbricht an dieser Stelle das Lesen der Story, oder aber man muss später wieder zurückblättern, will man diese zusätzlichen Informationen nicht übergehen; der Lesefluss wird jedenfalls gestört.
"Teil Zwei" ist mehr dokumentarischer Art: Zunächst werden sämtliche Alben der Band vor- und dargestellt, ihre Entstehungsgeschichte beschrieben sowie inhaltlich analysiert. Deutlich subjektiver geprägt ist die Darstellung »Floyds fantastische 50«, in der der Autor die aus seiner Sicht besten 50 Songs der Band vorstellt. Dies geschieht allerdings - außer der Tatsache, dass die Berücksichtigung eines Songs in diesem Abschnitt bereits eine positive Bewertung bedingt - nicht in der Art einer Hit-Liste, denn die 50 aufgelisteten Songs werden in streng chronologischer Form präsentiert. Jedoch merkt man an der Art der Beschreibung, dass dem Autor die frühen Jahre von Pink Floyd musikalisch deutlich mehr zusagen als die späteren Werke. Insbesondere die langen Stücke der Band - namentlich "Atom Heart Mother" und "Echoes" werden regelrecht seziert, d.h. unter Angabe der (fast) genauen Spielzeiten in ihren unterschiedlichen Passagen analysiert. Hier sei dem Leser das parallele Anhören der Tracks dringend empfohlen: man nimmt die Stücke deutlich bewusster wahr und erfährt dadurch ein durchaus intensiveres Musikerlebnis.
Komplettiert wird die Dokumentation der Musik von Pink Floyd durch eine Aufzählung sämtlicher Soundtracks, die die Band eingespielt hat, sowie diverser Compilations und Bootlegs, wobei letztgenannte Darstellung durchaus auch für den informierten Floyd-Fan noch Neuheiten bietet. Nicht zu vergessen - und das Projekt Pink Floyd komplettierend - die Darstellung der Solo-Projekte der einzelnen Band-Mitglieder, die - jedenfalls während des Bestehens von Pink Floyd - als Zeichen der Zerrissenheit der Band zu sehen sind. Auch diese Zusammenstellung ist allerdings - bedingt durch die verstrichene Zeit zwischen dem Erscheinen der Originalausgabe und der deutschen Übersetzung - nicht mehr aktuell.
Der letzte - mit knapp dreißig Seiten auch der kürzeste - "Teil Drei" des Buches "Floydologie" gibt Einblick in Cover-Versionen, Raritäten, DVDs, Bücher und Websites bis hin zu den Live-8-Konzerten. Über die Notwendigkeit derartiger Informationen lässt sich streiten; jedenfalls vervollständigen sie das Bild, das man von Pink Floyd hat bzw. sich machen kann, erfüllen von daher den Zweck des Buches einer umfassenden Information.
Diesem Ziel soll sicherlich auch der anschließende, relativ umfängliche Index-Teil dienen. Hier stellt sich allerdings die Frage, welchen Sinn ein solches Register haben soll, wenn beispielsweise als Fundstelle für Nick Mason (ähnlich für die anderen Bandmitglieder) die Seiten 4-148, 239-241 genannt sind. Natürlich werden die Bandmitglieder insbesondere im biographischen Teil ständig genannt; eines diesbezüglichen Hinweises bedarf es nicht. Immerhin taucht der Name Pink Floyd im Register nicht auf. Umgekehrt sind jedoch auch eine Vielzahl von Künstlern genannt, zu denen - wenn man die entsprechende Fundstelle aufsucht - lediglich die Information zu lesen ist, dass ein Song von Pink Floyd an einer bestimmten Stelle nach einem bestimmten Titel des jeweiligen Künstlers klingt (Beispiel: Fleetwood Mac, S. 208). Derartige Verweise sind m.E. völlig überflüssig. Dass schließlich einzelne Fundstellen schlichtweg falsch sind (die Abweichungen betragen allerdings - soweit festgestellt - lediglich +/- eine Seite) sei nur am Rande vermerkt. Ihre Ursache dürfte in der 1:1-Übernahme des Inhaltsverzeichnisses aus dem englischen Original begründet sein, von dem die deutsche Übersetzung drucktechnisch bedingt ab und zu abweicht.
Mein Gesamt-Resümee: Wenn man sich für Pink Floyd interessiert und bislang keine umfänglichen Informationen verfügbar hat, macht man mit dem Buch - insbesondere wegen seinem unschlagbar günstigen Preis - bestimmt nichts falsch. Aus diesem Grund ist es sicherlich auch immer ein dankenswertes Geschenk für einen Pink Floyd-Fan; die eine oder andere Neuigkeit lässt sich dem Werk sicherlich entnehmen. Für den fortgeschrittenen Pink-Floyd-Intimus dürfte es hingegen kaum etwas Neues geben; allerdings gibt insbesondere die Darstellung von "Floyds fantastische(n) 50" Veranlassung, sich mit dem Werk wiederholt auseinanderzusetzen. Ich jedenfalls nutze diese 'Hitparade' derzeit gerne - mit entsprechender musikalischer Begleitung - als Gute-Nacht-Geschichten, auch wenn - bzw. gerade weil - ich nicht immer die Meinung des Autors teile.
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