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Arsen / Muttererde
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Zweites Album von Arsen: "Muttererde" - und seit dem ersten Album zwei Jahre zuvor, Worte gegen Krieg, ist die Welt nicht viel besser geworden, und damit auch nicht die Laune von Arsen. Die Berliner Truppe echauffiert sich in ihren Songs über Ignoranz, Wegduckerei, Unvernunft und Maßlosigkeit, über gesellschaftliche Blindflüge, asozialen Fortschritt und Umweltverwüstung. Einfach mal so frei raus ...
Der letzte Akt wäre nur konsequent / Wenn wir die Bombe zünden Was uns erwartet ist die nackte Wahrheit / Über Gier, den Hass, den Tod Es sollte uns nicht traurig stimmen / Der beste Weg zum Neubeginn ("Was uns erwartet")« .. oder auch mal mit einem satten Schuss Ironie:
Freies Uran im Reaktorbecken / Wird die heißen Quellen zum Leben erwecken ("Mutter Erde")« Und wie machen sie das? Mit dem 'Selly'-Faktor. Sängerin Selime Sahin, Spitzname Selly, hat mit ihren Stimmbändern ein sensationelles Instrument parat und drückt Arsen wieder man ihren Stempel auf: Sie singt laut und wütend und klagend und leidend und verstörend, rau und dreckig, aber auch technisch gut. Selly erkennt man aus ganz vielen heraus. Wurde sie mit Absicht derart prägnant in den Vordergrund gemischt oder ließ sich das Aufnahmemikro einfach nicht noch leiser stellen? Gut so - mit diesem Pfund lässt sich wuchern; diese junge Frau stellt einem die Härchen am Unterarm senkrecht.
Dabei lässt sich die Band aber keinesfalls in die Statistenrolle drängen. Man rifft und rockt in angenehmstem Maße abwechslungsreich. Schön und vor allem auch mitreißend, wie sich dabei so mancher Song 'durchentwickelt' statt einfach nur im Strophe/Bridge/Chorus-Schema serviert zu werden. Ganz groß wirkt das bei "Was uns erwartet": Nach einem Bombast-Intro geht es nur mit Bass, Drums und Gesang los, bevor Schippe um Schippe Drive, Druck und Drang draufgepackt werden, einschließlich wohl platzierter Breaks, die die Wirkung eher verstärken als irgendwas zu bremsen.
Nicht nur hier verstricken sich die Gitarren in einen bemerkenswerten Mix aus frickeligem Geschrubbel und hochmelodischer Emotionsarbeit. Hier verschwimmen die Grenzen bei Arsen, und das ist auch gut so. "Herzlos" ist noch so ein Beispiel: Da ziehen böse Riffs kantig-scharfe Furchen in die Luft vor den Lautsprechern und Selly singt entsprechend unfreundlich. Und dann hebt da plötzlich dieser Refrain atmosphärisch ab - klasse! Das erwartet am Anfang kein Mensch. Hier wird geshoutet, auch mal mit aufgekratzem Sprechgeang - dort werden melodisch glanzvolle Hooklines hervorgezaubert.
"Reine Herzen" ist als Powerballade sogar ein kompletter 'Ausreißer' auf dem Album, aber immer noch ein bisschen Selly-mäßig angeraut im Chorus. Auch "Orient Express" ist einer der Songs, hinter den man ein Kreuzchen machen muss - eine Liebeserklärung Sellys an ihre zweite Heimat, die Türkei. Cool, wie sie da die Düfte des Basars und die Atmo der Istanbuler Nächte besingt - nicht etwa sehnsüchtig, sondern mit Arschtritt, und dann noch mit orientalischen Zitaten im Gesang. Super Teil. Und ganz am Schluss von "Muttererde" machen sich Arsen mit einer astreinen Sommer-Sonnen-Freiheits-Gemeinschafts-Hymne noch mal richtig Luft: "Wir sind Eins".
Arsen sind punkig, hart rockend, emotional, melodisch mitreißend ... und so tiefgehend, dass man sie leicht unterschätzen kann. Das gibt sich sofort, wenn man das Album ein Mal komplett gehört hat. Auch, wenn die meisten nicht jeden Song verstehen, denn ein paar sind auf Türkisch - Arsen hinterlassen mächtig Eindruck.
Sie sind unter uns und gewiss nicht allein Völlig verloren sozial abgestumpft Trägst du, sag mir trägst du selbst die Maske der Vernunft? (“Maske der Vernunft”)«
Line-up:
Selime (vocals) Gelee (bass) Norman (guitar) Arnd (guitar) Dennis (drums)
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