Jim Allchin / Overclocked
Overclocked Spielzeit: 51:06
Medium: CD
Label: Sandy Key Music, 2011
Stil: Blues

Review vom 25.11.2011


Joachim 'Joe' Brookes
Jim Allchin? Noch nie gehört? Ich auch nicht. Zur Musik auf seinem zweiten Album "Overclocked" kommen wir gleich, denn seinen Werdegang kurz zu umreißen ist schon lohnenswert. Klein-Jim wuchs in einem Orangenhain in Florida auf. Klingt doch toll, oder? Leider spielt einem dabei die Fantasie dann doch einen Streich, denn er kam aus relativ ärmlichen Verhältnissen. Im vom Vater gebauten Haus gab es keine Innentüren und Räume entstanden durch einfache Wandkonstruktionen. Wie Allchin sagt, hatten sie quasi nichts, aber eine tolle Kindheit.
Auf der musikalischen Seite waren es Jimi Hendrix, Lynyrd Skynyrd sowie die Allman Brothers, die seine Nerven erregten. Nach Beendigung seiner Schulzeit tourte er mit Band und musste feststellen, dass er wieder nichts zu kauen hatte. Also ging er abermals zur Schule und spezialisierte sich auf Computerwissenschaften. Er machte diverse Abschlüsse und landete schließlich bei Microsoft. Dort wurde er 'Co-President of the Platforms & Service Divison'. In dieser Position musste er ziemlich gut gewesen sein, denn Bill Gates sagte über Allchin: »He's a brillant technologist, visionary and a strong leader.«
Allchin hat seinem zweiten Album, nach "Enigma" (2009), jedenfalls einen Titel gegeben, der aus der Computerwelt stammt. "Overclocked" bedeutet 'übertaktet' und hat etwas mit Prozessoren zu tun. Meines Erachtens soll das so weit als Erklärung reichen, denn was der Amerikaner in der knappen Stunde und dreizehn Eigenkompositionen zu bieten hat, ist schon wichtiger.
Die Scheibe startet mit dem Titeltrack und typischem LP-Knistern. Da lässt der Protagonist schon gleich zu Beginn die Leinen locker und serviert uns einen prächtig rockenden Blues. Die Saiten glühen und dem Hörer begegnet eine toll mitgehende Band. Was einem vielleicht etwas sauer aufstoßen könnte ist hier Allchins Stimme, die er meines Erachtens ziemlich hoch ansetzt. Allerdings relativiert sich diese Beobachtung in den anderen Tracks, denn der Mann kann auch eine rauere Gangart anstimmen. Musikalisch ist der Opener sehr gut arrangiert. Zunächst meint man, das Stück ist so etwas wie Blues-Allerlei, aber da muss man gewiss genauer hinhören, denn die Qualität der Nummer steckt in den kleinen, über die gesamte Spielzeit der Komposition fein verteilten Gitarren-Licks. Durch diesen nicht zu heftigen Blues Rock mit Boogie-Shuffle weckt Allchin die Aufmerksamkeit des Hörers.
Ui, jetzt wird es interessant. "Willow Tree" wird bestens mit Gebläse aufgeladen und der Künstler singt eine Tonlage tiefer. Das passt, und wenn das Stück am Anfang schon Groove-Charakter hat, dann bekommt es plötzlich eine ganz andere Färbung, weil der Keyboarder sein Instrument auf Piano einstellt und der Komposition eine wunderschöne Jazz-Note verpasst. Allchins gleich danach folgendes Gitarren-Solo verfügt dagegen über die Schärfe eine Chili-Schote. Klasse Kontrast, klasse Stück!
Wieder ein toller Shuffle mit kurzem, aber sich in den Gehörgängen festsetzendem Refrain. Mensch, dieser Allchin hat echt hinlangende Soli auf der Pfanne. Diese ersten Songs gehen richtig gut ab. So verhält es auch mit "Don't Tell Me What To Do". Ein weiterer Track auf hohem Niveau. Ah, der erste Slow Blues und der Protagonist nimmt mehrer Schritte Abstand vom Mikrofon, sodass die bisher als Chorsängerin schon prächtig auftrumpfende Keely Whitney die Lead Vocals übernimmt. Hey, die Frau hat vielleicht Soul in der Stimme. Super! Weil es so schön war, kommt sie in "Perfect Game" gleich noch mal zum Zuge. Das Stück ist melodischer Pop und Whitney singt zusammen mit Allchin im Duett. Ein Hauch von Reggae durchzieht die Nummer, sie kommt allerdings gegenüber den vielen anderen Songs nicht so richtig in die Liste der sehr guten Lieder.
Zum Schluss geht es auch ganz ohne Gesang. "Opening My Eyes To Love" ist das, was man schon vom Namen des Titels erwarten kann... ein hingebungsvoll-verträumtes Sechssaiter-Arrangement nach Art eines Carl Verheyen, und auch hier wird man ein Fan des Mannes aus Florida. Auf der Platte befinden sich ebenfalls klasse Ausflüge in den Funk, selbstredend mit aufdrehenden Bläsern. "Flirt" hat mit seinem Chicago-Rhythmus und seinen muskulösen Gitarren-Riffs ein Auge auf die Siebzigerjahre geworfen. Ein R&B-inspirierter Track sorgt für weitere Freude.
Insgesamt ist "Overclocked" in allen Belangen eine tolle Platte geworden. Diesen "Perfect Game"-Ausrutscher verzeiht man Jim Allchin, denn schließlich bleiben ja zwölf Songs auf der Habenseite. So ein Album macht rundum Spaß und Bill Gates' Aussage darf man, im übertragenen Sinn, ruhig auf diese CD beziehen.
Line-up:
Jim Allchin (solo guitar, rhythm guitar, lead vocals)
Keely Whitney (lead vocals - #5,10, background vocals)
Glenn Lockecki (rhythm guitar)
Ty Bailie (keyboards)
David Gross (keyboards)
Colin Pulkrabek (trombone)
Josh Gailey (trumpet)
Scott MacPherson (tenor saxophone)
New York Brass (horns)
Garey Shelton (bass)
Chris Leighton (drums)
Ben Smith (drums)
Martin Ross (background vocals)
Mycle Wastman (background vocals)
Tracklist
01:Overclocked (3:05)
02:Willow Tree (4:09)
03:Back In The Swamp (3:44)
04:Don't Tell Me What To Do (3:19)
05:One For The Money (3:57)
06:Fall (4:14)
07:Dr. J (3:13)
08:Mr. Unknown (4:51)
09:Flirt (3:40)
10:Perfect Game (5:40)
11:Just Playin With Me (2:57)
12:The One (3:45)
13:Opening My Eyes To Love (4:33)
(all songs written by Jim Allchin)
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