Leon Alvarado / 2014 Music From An Expanded Universe
2014 Music From An Expanded Universe Spielzeit: 23:22
Medium: CD
Label: Melodic Revolution Records, 2014
Stil: Ambient Prog

Review vom 29.11.2014


Ulli Heiser
»Der Weltraum, unendliche Weiten...«
Wir schreiben das Jahr 2014 und wissen, dass sich das Weltall seit dem Urknall vor etwa 13,8 Milliarden Jahren pausenlos auf Expansionskurs befindet. Materie, Raum und Zeit entstanden damals aus der Singularität. All das setzt jedoch voraus, dass die uns bekannten Naturgesetze nicht nur in unserem näheren Umfeld Gültigkeit haben, was sich jedoch nicht mit der Quantenphysik in Einklang bringen lässt. Wie das alles nun so ist bzw. war, und ob vor dem Urknall ein Voruniversum sich bis zum big bang zusammenzog, soll hier nicht weiter interessieren, denn der Albumname "2014 Music From An Expanded Universe" hat profanen Grund.
Zum einen wollte Leon 2014 eine Platte veröffentlichen, um die Lücke zwischen dem für das nächste Jahr geplante Album und den beiden Vorgängern "Strangers In Strange Places" (2010) und "Leon Alvarado Plays Genesis And Other Original Stuff" (2008) zu füllen. Zum anderen will er sein musikalisches Universum erweitern, andere, neue Ideen umsetzen, ohne jedoch alle DNA-Spuren des bisherigen Schaffens zu ignorieren. Ich gestehe, die beiden Vorgänger nicht zu kennen, kann aber "2014 Music From An Expanded Universe" nur die besten Noten attestieren. Abzüge gibt es, was die Spielzeit betrifft, denn die fünf Stücke wissen zu begeistern und wenn nach etwas mehr als zwanzig Minuten Stille einkehrt, meint man, etwas zu vermissen. Das Cover erinnert übrigens an Emerson, Lake & Palmers Brain Salad Surgery.
Wie wohl bei den meisten, waren es die Beatles, die Leons Interesse für und an der Musik weckten. Es folgten die üblichen Verdächtigen wie Deep Purple und Led Zeppelin, aber bald kristallisierte sich ein Musikstil heraus, den er allen anderen vorzog. Bands wie Camel, Pink Floyd, King Crimson, Yes, Jethro Tull, Gentle Giant, ELP, Tangerine Dream und allen voran Genesis prägten seine musikalische Heimat. Leon, in Caracas, Venezuela geboren, zog in die Vereinigten Staaten von Amerika und machte sich vor allem einen Namen als Designer und Coverart-Künstler. Vor allem ist er bekannt für seine Covergestaltungen - auch für viele der eben aufgezählten Bands.
Als er überlegte, wie denn das Cover für vorliegendes Album gestaltet werden soll, entschied er sich, es dem kürzlich verstorbenen Schweizer Künstler Hans Rudolf Giger zu widmen, dessen Arbeiten ihn immer fasziniert hatten. Von Giger stammt auch das Artwork für "Brain Salad Surgery", und daher die Ähnlichkeit zu "2014 Music From An Expanded Universe".
Als Mitmusiker gewann Alvarado den Ex-King Crimson-Mann Trey Gunn, dessen Warr Gitarrenspiel berühmt ist. Die Warr Gitarre ist ähnlich dem Chapman Stick, wird also hauptsächlich getappt, hat aber im Gegensatz zum Chapman Stick einen Korpus. Weiterhin ist Jerry Marotta (u. a. Ex-Peter Gabriel) mit an Bord, der mit seinen Tao drums ebenfalls nicht unbedingt gewöhnliches Equipment bedient. Smith6079 und Gracenotex sind bekannt als Cyber Zen Sound Engine und sorgen bei "The 2014 Microcosm" für wahrlich himmlische Klänge und Stimmungen. So kurz die Platte auch ist, so tief setzt sie sich im Bewusstsein des Hörers fest. Trotz der elektronischen Instrumentierung hat sie das Zeug und die Dimension einer großen Sinfonie. Es ist beeindruckend, wie hypnotisch Bass und Schlagwerk in "Blood Like Red" nach sphärischem Intro langsam aber unaufhaltsam eine greifbare Spannung aufbauen, ja zelebrieren, dabei von Keyboardklängen wie aus einer anderen Welt begleitet, hinarbeiten zu der messerscharf schneidend einsetzenden Gitarre. Das ist unbedingt mein Song des Jahres aus diesem Genre, welches gekonnt und wohltuend aus alten Progtugenden und medizinisch wirksamem Ambient besteht.
"2014 Music From An Expanded Universe" schafft es, den Zuhörer zu fesseln und gleichzeitig tief in Trance zu versetzen. In dreiundzwanzig Minuten ist der Stress einer kompletten Woche wie weggewischt und es stellt sich die Frage, ob geplagte Alltägler diese Scheibe nicht auf Rezept bekommen sollten.
Elektronischer Musik haftet nicht selten das Vorurteil von kühler Technik und Wartezimmeratmosphäre oder Unterwasserklängen für verhaltensgestörte Delfine am Revers. Nicht hier, das ist warm, spannend und von enormer Dynamik in Komposition und Choreografie. Die Liveversion von "Cinemania", dem Bonustrack, stammt übrigens vom Album "Leon Alvarado Plays Genesis And Other Original Stuff" und weckt Interesse auf diese Platte. Und auch die Neugierde auf das für 2015 avisierte Folgewerk ist da und groß.
Line-up:
Leon Alvarado (keyboards, sequencing, drums, percussion)
Trey Gunn (bass, Warr guitars - #1-4)
Jerry Marotta (Taos drums - #1,2)
Smith6079 (atmospheric guitars - #2)
Gracenotex (atmospheric keyboards - #2)
Tracklist
01:Irreverence Part I (2:37)
02:The 2014 Microcosm (4:55)
03:Blood Like Red (6:32)
04:Irreverence Part II (2:37)

Bonus Track:
05:Cinemania [Alive] (3:40)
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