Blackmore's Night
10.08.2006, Kulmbach, Plassenburg
Live
Mixed Emotions
Mir ist noch ganz seltsam diffus in meinem Musikkopf vom gestrigen Gig von Blackmore's Night auf der Plassenburg in Kulmbach. In der Regel kommt man von einem Konzert nach Hause und hat eine klare Meinung über das Gehörte und Gesehene. Aber dem ist mir bis heute nicht so.
Vornweg, ich will hier weder den Blackmore's Night - Fans noch den Besuchern des Konzerts zu nahe treten oder ihnen den Spaß an ihrer Musik und dem gestern Erlebten nehmen. Am persönlichen Geschmack gibt es nix zu kritisieren.
Mit der Musik der oft als Mittelalter-Folk-Band bezeichneten BN hab ich mich bisher nicht beschäftigt. Allerdings bekam ich von meinen lieben und wohlwollenden Freunden zum Geburtstag neben der teuren Eintrittskarte auch die jüngste CD "The Village Lanterne" geschenkt, die dann auch mehrmals über die Anlage lief. Und die mir ebenfalls nur ein geistiges Schulterzucken entlockte.
MenschenschlangeTrotzdem wollte ich unvoreingenommen das Konzert aufnehmen, zumal es sich in der eindrucksvollen Umgebung der imposanten mittelalterlichen Burg zu einem besonderen Ereignis hätte entwickeln können. Da der lange, steile Anfahrtsweg hinauf für Privat-Pkws gesperrt ist, bin ich mit dem kostenlosen Buspendler von der Stadthalle (Tiefgarage war ebenfalls gebührenfrei) gefahren. Die paar Meter vom ersten Hof in den oberen, dem sogenannten 'Schönen', legte ich mit einer langen Schlange von Besuchern zurück, die teilweise in Fantasiegewändern, aber auch authentischen Kostümen gekleidet waren. Der Alterschnitt dürfte über 40 gelegen haben, also wohl eher Fans, die Blackmore noch aus einer anderen Zeit kennen. Aber auch ganze Familien waren darunter.
Die erste unangenehme Überraschung dann am Portal. Die Kameras samt Foto-Handys (sowie Getränke in sämtlichen Verpackungen) wurden vom durchaus freundlichen Sicherheitsdienst konfisziert, obwohl von einem Aufnahmeverbot nichts auf den Eintrittskarten stand. Ich hab meine Fotoausrüstung also beim Personal gelassen. Dass ich trotzdem zu eigenen Fotos gekommen bin, die zumindest die Atmosphäre wiedergeben, ist eine andere Sache. Seltsamerweise wurden jedoch immer wieder bestimmte Zuschauer von der Band-Security mit ihren eingeschmuggelten Kameras an die Bühne gelassen, obwohl die Ordner ansonsten das Fotografieren aus dem Publikum heraus sofort unterbanden.
Als ich dann endlich zur Spielstätte gelangte, war die Vorgruppe, Geyers, schon auf der Bühne. Deren Urband Geyers Schwarzer Haufen war wohl die erste Formation, die die alte Musik der Spielleute und Vaganten in Deutschland populär machte. Somit dürfen sie sich auch zu den Initiatoren der ganzen heutigen 'Mittelalter'-Musikszene zählen. In Kulmbach spielten sie original-nah auf traditionellem Instrumentarium Lieder und Stücke aus den letzten Jahrhunderten. Quasi die echte Überlieferung vorangestellt. Als festen Support kannten sie die BN-Fans natürlich und sparten auch nicht mit verdientem Applaus. Die Sonne war längst hinter den hohen Mauern verschwunden, aber es war noch hell genug, das steinerne Bilderbuch an den Arkadenwänden zu betrachten. Der Schöne Hof ist ein Auftrittsort mit besonderem Flair, der vor allem bei Nacht und gutem Wetter einfach wunderbar ist.
BurghofNach kurzer Zeit konnten die wenigen Umbauten bereits abgeschlossen werden, da kam um 20:30 Uhr die Ansage, dass sich der Hauptakt »wegen Security-Problemen im Backstage-Bereich« um 30 Minuten verzögert. Wahrscheinlich war's einfach noch nicht dunkel genug, aber so was sollte ein Veranstalter eigentlich kalkulieren können. Mit dem Ergebnis, dass eben, als BN auf die Bühne wollten, die aufgezogenen Regenwolken ihre Fracht in den Hof entließen und die Zuschauer sich unter die schützenden Arkaden verzogen. Nach weiteren zehn Minuten konnten sie ihre Klappstühle abtrocknen und dann ging's bei empfindlich kühlen 15 Grad endlich los.
Blackmore's Night ist Candice Night mit Begleitband. Zumindest gestern, auf der Bühne. Nur ein Spot und der war auf die feenhafte Sängerin mit ihrer in der Tat bemerkenswerten, honigsüßen Stimme gerichtet. Ritchie Blackmore, der Super-Gitarrist und Hard Rock-Hero früherer Zeiten, blieb im zweiten Licht und war nur schwer zu verstehender Hauptansprechpartner der ständig herumschäkernden Candice. Während des ganzen Gigs spielte er ausschließlich auf seinen drei akustischen Instrumenten.
Blackmore's NightWeiterhin waren ein Keyboarder, ein Herr am E-Bass und akustischen Saiteninstrumenten, ein im Landsknechtstil trommelnder Schlagzeuger und zwei Chor-Frowleins (deren Fantasienamen nicht weiter interessieren) mit auf der mit Strohballen und Fässern ausstaffierten Bühne, über der eine überdimensionale Laterne hing, drumrum gemalte Burgmauern. Nicht mehr dabei war die Geigerin, die nach dem Tourauftakt gegangen (worden?) ist. Das Programm bot eine Mischung aus den bisherigen fünf Alben, mit Schwerpunkt auf dem neuen, wobei ich nicht alle Ansagen mitbekommen hab.
Mit "Play Minstrel Play" ging die Show los, eingebettet in eine durchaus ansprechende Lightshow. Die Bühne vor der historischen Kulisse war ideal, mittendrin die Sängerin im türkisen Zipfelkleid und mit ihrer hellblonden Mähne eine Augenweide. Auch am Sound gab's nichts zu mäkeln, sauber ausgesteuert und mit einer willkommen gemäßigten Lautstärke, die absolut ausreichend war und bei der ich, mit Sitzplatz drei Meter vor einer der Midi-Lautsprecherensembles, keinerlei Probleme hatte. Da ich allerdings nur die Hälfte der Bühne einsehen konnte und ich gern eine zentrale Perspektive aus der Ferne habe, wanderte ich öfters im fast restlos gefüllten Burghof umher, auch um die Leute zu beobachten.
TicketDer nächste Song, der mir haften blieb, weil da auch erstmals das Publikum richtig mitging und der auch rhythmisch durchaus interessant tönte, war "Under A Violent Moon". Ms Night versäumt es nicht, darauf hinzuweisen, dass ein Euro des Eintritts an den WWF, »you know for the animals«, geht. »Why only one?«, die Rückfrage des Oberminstrels war bei Kategorien von 35,30 bis 44,-- Euro plus Gebühren durchaus berechtigt. »Let's discuss it later« die prompte Antwort, die zusammen mit einigen weiteren Bemerkungen (»it's okay when you have another beer«) Rückschlüsse zuließ, wer in der Beziehung wirklich die Hosen anhat …
"Soldier of Fortune" brachte die erste Reminiszenz zu Deep Purple (vom Album "Stormbringer"), allerdings stieß die Weichspüler-Version offensichtlich nicht auf ungeteilte Zustimmung, zumal der Name David Coverdale fiel und zumindest bei den Rockfans wehmütige Erinnerungen weckte.
Bei einigen Instrumentals (die öfters nach der "Bouree" klangen), bei denen 'König Richard der Schweigsame' zwar in die Mitte rückte, aber der Spot aus blieb, zeigte der Gitarrero filigrane Ornamentik auf der Gitarre. Aber das war nicht mehr, als jeder klassische Gitarrist auch zu spielen vermag. In einem gab es eine Einlage des Keyboarders, der später noch mehr Gelegenheit bekam, sich zu produzieren. Unter anderem mit einem ausgedehnteren 'klassisch angehauchten' Piano-Solo, das er jedoch völlig unsauber und uninspiriert herunterklimpert.
Blackmore's NightDann ertönte, offensichtlich ziemlich unvermittelt für die noch herumalbernden Akteure, ein 'mystischer' Männerchor aus den Boxen - das Intro vom Chip von "World Of Stone", einem der griffigeren Stücke auf dem neuen Album. Die Schöne spielte dabei erstmals mit Schalmei und Flöte. Bei "Faerie Queen - Faerie Dance" stimmte das Publikum lautstark in die »Hey«-Schreie ein. Die Grenze des für mich Erträglichen war erstmals erreicht, als die Band Dylans "The Times They Are A-Changin'" zum Mitschunkeln anspielte. Wenn der Maestro das tatsächlich als seine »favourite Version« sieht, wie auf der Bandpage zu lesen ist, dann muss der auch schon verkalkt und alterssenil sein.
Als Candice dann zu "It's Good To Be Back Home Again" winkte, nahm ein Teil der Gewandeten die Einladung zu einem Tänzchen vor der Bühne gern an, zumal dann "Hava Nagila" einfloss (das 'Volk' wurde anschließend von den Ordnern sanft zurück befördert).
Das Bühnenbild sollte wohl eine Kneipe aus alter Zeit darstellen und so gab es auch ein Medley aus Mitgröhl- und Hüpfliedern (ausgehend von "Olde Mill Inn"), bei der der Keyboarder den Heldentenor gab und Frau Night glatt niederbrüllte. Ich hörte nach "Drink With Me" erstaunt die englische Version von "Mein Vater war ein Wandersmann" - ein seltsames Zwischenspiel, zumal anschließend die Fee "Streets Of London" (ebenfalls von "The Village Lanterne") intonierte. Das Lied ist schon von Ralph McTell eine Schnulze, aber die BN-Schmuse-Version mit Flöten, elektronischer Streicherverstärkung und Chorgesäusel überschritt erneut meine Toleranzgrenze bei weitem.
Blackmore's NightDa war das nächste Stück im Stil eines höfischen Schreittanzes ("Village Dance") willkommene Erholung, zumal darin "Child In Time" mit Echoeffekten auftauchte und mich weiter hoffen ließ (leider umsonst). Blackmore blieb auch hier völlig im Hintergrund und (entgegen der CD-Version) bei der Akustik-Gitarre. Candice sang den Solopart seltsamerweise mit tiefer Stimme und überließt dann für den Chorus ihren 'Mond Schwestern' das Feld, um selbst wieder zur Schalmei zu greifen. O Rockgötter, wo blieben die Blitze …
Das war's, kurze Verabschiedung, Schluss. Solange ich im unteren Hof auf den Bus gewartet habe, eine gute Viertelstunde, war keine Zugabe zu hören.
Bei meinen Rundgängen habe ich in einander versunkene Paare gesehen, andere lehnten wohl träumend an den Mauern oder tanzten. Selbst Fans aus Südafrika hatten die erste Reihe besetzt und sangen begeistert mit. BN spricht offensichtlich Fans mit Sinn für romantische Verklärung an, deren Seele natürlich bei den Konzerten in alten Gemäuern und mit den nachgeahmten historischen Gewändern bestens gestreichelt wird. Der 'Herr der Ringe' hat da wohl das Feld geebnet. Dagegen ist nichts einzuwenden - give the people what they want - und »wir sind doch alle ein bißchen Enja«, oder?
Blackmore's NightTrotzdem blieben viele Fragezeichen. Unter den Besuchern waren auch solche, die ich von anderen Konzerten, mit ganz anderer, 'echterer' Musik, kenne. Und ich sah auch genug Leute, die wohl genauso auf ein 'Zeichen' des alten Rock-Giganten gewartet hatten. Vergebens, die Strat blieb im Halfter. Was treibt so viele Leute von weit her an einem Donnerstag Abend, bei nasskalter Witterung, bei diesen für meine Begriffe völlig unverhältnismäßigen Preisen, zu dieser Band? Allein die körperliche Anwesenheit Blackmores und die Schönheit seiner Maid kann das doch nicht sein?!
Auch die Musik nicht, dieses Fantasy-Gemisch aus Pseudo-Mittelalter, Folk und Schnulzen; Spielleute-Folklore, übertrieben gesagt, nicht viel anders wie Die Schäfer auf englisch und mit Band. Dazu noch nicht mal erstklassig gespielt. Mit Rockmusik hat das sowieso nichts zu tun. Landauf, landab gibt es Dutzende von Bands, die dieses Genre für kleinstes Geld besser bedienen, die auf Mittelaltermärkten oder in Kneipen spielen, wo es keine Securityauflagen gibt und man für das gesparte Geld mit seinen Freuden gewaltig einen draufmachen könnte. Das will mir nicht in den Kopf. Muss auch nicht.
Blackmore's NightWas mir noch aufgestoßen ist: Künstler und auch der früher so empfindliche Blackmore reklamieren regelmäßig den Respekt für sich und ihre Musik. Was ist denn mit ihren Fans, die teilweise hunderte von Kilometern an einem Werktag anreisen, so einen horrenden Eintritt zahlen? Die müssen erstmal, ohne vorherigen Ankündigung, ihre Fotoapparate abgeben und drauf hoffen, dass das Ordnerpersonal dann in dem Trubel auch wieder das teure Eigentum unter hunderten von Exemplaren unbeschädigt aus der großen Kiste herausfischt. Die Band wartet unnötigerweise, bis ihre Gäste (sofern die überhaupt noch als solche angesehen werden) erstmal kalt und nass sind und beginnt dann vor halbleeren Rängen. Auf der Bühne zwar eine blendende Candice Night, die aber zwischen den Songs mit ihren Mitmusikern und dem Publikum minutenlang plaudert. Das kann man zwar als Lockerheit sehen, aber ich hatte eher den Eindruck, als wenn sich die Band für andere Auftritte grad mal einspielt.
Ritchie Blackmore blieb nicht nur im übertragenen Sinn im Schatten, seine einzige Geste an die Fans war, dass er seinen Bierkrug einem der Gewandeten schenkte. Was mit dem wirklich los ist, möchte ich gern wissen. Und dann eine dürftige Absage und keine Zugabe, nachdem die Besucher bei dieser feuchten Witterung so lange ausgeharrt hatten. Kein einziges kleines Solo auf der Strat, nachdem sicher ein Großteil der Fans gelechzt hatte.
Warum sind die Fans so unkritisch und schieben solchen Künstlern ihr immer knapper werdendes Geld für diese Musik und diese Haltung in den (wenn auch noch so verlockenden) Hintern? Warum ignorieren sie eine solche Band nicht oder pfeifen sie wenigstens dafür aus?
I don't know. Really.


Blackmore's Night, Kulmbach, Plassenburg, 10.08.2006
Norbert Neugebauer, 12.08.2006