Blues Caravan / Pilgrimage
Pilgrimage
Kurz vor der Mitte Januar 2006 beginnenden 2. Blues Caravan Tour liegt jetzt eine CD vor, die allen Bluesinteressierten schon mal einen ersten Eindruck vermittelt, was da auf uns zukommen wird. Doch dazu später mehr.
Schon Anfang des Jahres 2005 setzte Thomas Ruf, seines Zeichens Chef der 'Ruf Records GmbH', seine Idee in die Tat um, eine Blues Karawane durch Deutschland und Europa ziehen zu lassen. Der Erfolg dieser ersten Tour, bei der ausschließlich weibliche Interpreten dabei waren, machte Lust auf mehr. Schon bald häuften sich Anfragen, wer denn bei der nächsten Blues Caravan Reise mit dabei sein würde.
Die Wahl fiel auf drei Musiker, die zu der New Generation in Sachen Blues gehören und in der letzten Zeit stetig auf dem alten Kontinent unterwegs waren, dabei ihre jeweiligen Fangemeinden immer weiter vergrößern konnten.
Da ist zunächst mal Aynsley Lister zu nennen, der trotz seiner jungen Jahre inzwischen auf fünf CDs zurückblicken kann. Vor allem sein Live Album zeigt auf, zu was der Gitarrist und Sänger auf der Bühne fähig ist. Seine Live-Shows sind an Dynamik und Power kaum zu überbieten.
Sein britischer Landsmann Ian Parker besticht vor allem durch sein persönliches, oft poetisches Songwriting. Altmeister Walter Trout schwärmte über ihn: "Von einer Stimme, einem Ausdruck und einer Gitarrentechnik wie Ians können seine Konkurrenten nur träumen."
Dritte im Bunde ist Erja Lyytinen aus Finnland. Nicht nur durch ihr Äußeres, sondern natürlich vor allem durch ihre Stimme und das exzellente Slidegitarrenspiel, hat die junge Dame, die im Moment noch als Geheimtipp gilt, die Chance sich einem breiten Publikum vorzustellen. Nicht umsonst kann sie schließlich auf gemeinsame Auftritte mit Legenden wie Koko Montoya, Marcia Ball und Bonnie Raitt verweisen.
Doch nun zu dem vorliegenden Silberling. Dieses Album konnte eigentlich keinen anderen Titel als "Pilgrimage" erhalten, entstand es doch bei einem Aufenthalt der drei Musiker im Süden der USA. Auf dieser 'Pilgerfahrt' zu historisch bedeutenden Orten der Blueswelt machten sie Station in Clarksdale, Mississippi, einem Ort in dem die Kultur dieser Musikrichtung auch heute noch lebt. Inspiriert durch zahlreiche nächtliche Gespräche in den Hütten einer alten Baumwollplantage entstanden so im 'Delta Recording Studio' neun Songs des Albums in nur vier Tagen. Die Produktion übernahm Jimbo Mathus, der in der Bluesbranche durch seine Zusammenarbeit mit Buddy Guy bekannt wurde.
Die restlichen Tracks wurden in den 'Ardent Studios' in Memphis, Tennessee, eingespielt. In diesem hochmodernen und technisch erstklassig ausgestatteten Studio war Jim Gaines für die Produktion verantwortlich, ein Mann, der tief mit der Musikgeschichte von Memphis verbunden ist. Unter anderem arbeitete er mit Stevie Ray Vaughan und Luther Allison zusammen.
Die ganzen Eindrücke und Erlebnisse scheinen sich irgendwie in der Musik widerzuspiegeln. Das Ganze klingt relaxt und locker, aber dennoch inspiriert und intensiv. Gleich als Opener ist mit "1010°" ein knallharter Boogie mit starker Gitarrenarbeit im typischen Aynsley Lister Stil zu hören. Für mich schon d e r Anspieltipp des Albums. Schleppend und wesentlich ruhiger, zudem mit Slidegitarre, folgt dann "All The Time". Hier ist ein sehr gefühlvolles Solo an den sechs Saiten eingebettet. Auch der mehrstimmige, teilweise á capella vorgetragene Refrain ist auffallend.
Ian Parker dominiert dann bei der Ballade "Heal Me Love". Den Gesang teilt er sich mit Erja Lyytinen. Die Beiden bestreiten auch im "Last Love Song" den Hauptpart. Hier ist noch mehr Gefühl angesagt, und die Stimmen werden nur durch zarte Keyboardklänge begleitet.
Mit mehr Dampf geht es dann weiter. "You Don't Know" ist mit einer Bläsersektion unterlegt, und die Gitarren wechseln ein um's andere Mal in der Führungsrolle. Delta Blues pur bietet der "Mississippi Lawnmower Blues" mit Gesang und Akustikgitarre. Hier fühlt man sich sofort auf die Plantagen zurückversetzt und leidet mit den schwarzen Sklaven mit.
Rollender Bass und verfremdete Stimmen stehen am Anfang des Titelsongs. Dazu stoßen dann die Lead- und Slidegitarren, und schließlich übernimmt Erja den Gesangspart. Fräulein Lyytinen intoniert anschließend die "Funky Mama" und sorgt somit dafür, dass die Funkfraktion auf "Pilgrimage" ebenfalls vertreten ist.
Dieser Silberling bietet eine ganz enorme Bandbreite in Sachen Blues und verbreitet eine total relaxte Atmosphäre. Die drei jungen Musiker beweisen dabei, dass sie über ein gewaltiges Feeling verfügen, ganz zu schweigen von ihren musikalischen Fähigkeiten. Ich glaube, diese Blues Karawane wird uns allen auch auf der Bühne viel Freude bereiten.


Spielzeit: 57,56 Minuten, Medium: CD, Ruf Records, 2006
1:.1010° 2:All The Time 3:Heal Me Love 4:Last Love Song 5:You Don't Know 6:Too Much To Hide 7:Mississippi Lawnmower Blues 8:Blues Caravan 9:Funky Mama 10:Dreamland Blues 11:Twinkle Toes Willie 12: Time Bares Witness
Jürgen Bauerochse, 03.01.2006