Boogaloo Kings / Acidboogie
Acidboogie
Wer zum Teufel sind die Boogaloo Kings und wo haben die bloß bisher gesteckt???
Bluesbands gibt´s in Deutschland bekanntlich genug, auch gute, darunter einige wirklich hervorragende. Die sind zumindest den einschlägigen Fans bekannt und auf den diversen Bühnen regelmäßig zu sehen. Ihre Platten finden die entsprechende Aufmerksamkeit und Anerkennung, nicht zuletzt hier in RockTimes.
Aber die Boogaloo Kings? Die waren uns noch nirgends untergekommen. Doch plötzlich tauchte eine CD in der Redaktion auf und siehe da - "Acidboogie" ist bereits die dritte Scheibe, die die 2001 gegründete Band veröffentlicht. Und die Mitglieder des Quartetts aus Deutschland, Schottland und den U.S.A. sind als Sidemen von u.a. Angela Brown, Louisiana Red, Luther Allison, Johnny Copland, Guitar Crasher, Country Joe McDonald und Axel Zwingenberger den Blues-Liebhabern sicher bereits irgendwann mal auf einer Bühne begegnet. Daneben ist die Band auch bereits auf einigen bekannten Festivals im deutschsprachigen Raum aufgetreten.
Musikalischer Leiter, Frontman, Sänger und Harp-Spieler ist 'Mello Yellow' alias Didi Metzger, ein Badener. Martin 'Professor' Czemmel an der Gitarre, ist gebürtiger Heidelberger. Bassist Kevin Duvernay stammt aus Tacoma, Washington und Drummer Colin 'The Highlander' Jamieson ist Schotte aus Glasgow.
"Acidboogie" wurde in den 'Bluestown Studios' in Stettfeld selbstproduziert, Czemmel zeichnete für den Mix und das Mastering verantwortlich. Das Erste, was auffällt: Die Scheibe hat einen astreinen Sound und wirkt insgesamt absolut professionell, da gibt es kaum was auszusetzen! Die Stücke, von den Bandmitgliedern in unterschiedlicher Zusammensetzung geschrieben oder arrangiert, bieten einen abwechslungsreichen Querschnitt durch den Blues-Garten mit Boogie und (ein wenig) Bluesrock, wobei sich der Stil nach Bandaussage "nicht ausschließlich an das 12 Takt-Schema dieses Genres klammert". Gut so und gut gemacht!
Dass da vier routinierte Könner am Werk waren, wird schnell deutlich. Routine im Sinn von 'wir wissen, was abgeht'. Da passt alles zusammen, nur die besten Zutaten und immer frisch (um mal das Standard-Zitat aller Köche zu bringen, die irgendwann seit 'Novelle Cuisine'-Zeiten unter dem Vorwand, besonders zu kochen, für sich und ihre Fresstempel Werbung im öffentlich-rechtlichen oder privaten Fernsehen machen dürfen). Natürlich nicht die Neuerfindung des Blues, aber zeitgemäß und gekonnt präsentiert. Dazu zähle ich auch das Cover. Die völlig zerschrammte Gibson SG zeigt gleich, was den Hörer erwartet: Solide Handarbeit, alles echt!
Markant die kratzige Stimme, von Mello Yellow. Ein richtiges Pfund von Blues-Rohr, das allerdings seine germanische Abstammung nicht ganz verleugnen kann und auch nicht immer sauber die Gesangslinie hält (na und?). Aber als Harper ist der Frontman ein absolutes Ass! Eindeutig internationale Spitzenklasse, was der da aus seinen Hobeln rausholt. Ihm steht Czemmel in nichts nach, der nicht nur die Technik eines studierten Gitarristen drauf hat, sondern auch das Feeling für die unterschiedlichen Stile. Und dazu die Licks und Tricks zur rechten Zeit und an der richtigen Stelle, aber keine Note zu viel. Dass der Highlander sein Drumming wohl noch in den 60ern gelernt haben dürfte, als auf ein 'melodisches' Spiel Wert gelegt wurde, unterscheidet ihn positiv von den oft recht einfältigen 'Klopfern' im Blues. Mit Duvernay bildet er ein sehr gut eingespieltes Rhythmusteam, das den beiden Solisten alle Freiräume lässt. Allerdings 'ploppt' der Bass mehr, als dass er richtig brummt. Dass die Herren ab und zu mal im Chor singen, kommt auch ganz ordentlich und bereichert das Ganze.
"Acidboogie" ist die absolute Losgehnummer, die der Titel verspricht. Allerdings nicht auf Dope, sondern auf Speed und Groove. Midtempo dann mit "Watch Out"; der Professor spielt ein straightes 'Old School'-Solo, bei dem jeder Ton und jeder Akkord wohlplaziert sind. Mit "Zig Zag Woman" (gewidmet wohl all den liebenswerten, gradlinigen Wesen, ohne die unser Leben so schrecklich einfach wäre …) wird ein rockabilly-mäßiger Stomp aufgefahren. Danach kommt die ultimative Säuferstory "Wino Ballad" , very slow, very sad und natürlich very very blue. Gitarre, Harp und diese Stimme aus der Gruft inszenieren das ergreifendste Selbstmitleid, nein elender kann's nicht mehr werden - "Lord, I can't stand to drink so much", huhuhu.
Entspannung dann mit "Liza Jane", ein bisschen Swing, ein bisschen Bar Jazz mit schönen Tempiwechseln. Keine Ahnung, was ein "Marschacker" ist, aber auf jeden Fall geht dort (instrumental) die Luzie ab - Boogie as Boogie can be. "Tired Of This" ist eine schöne R&B-Retronummer. Im langsamen "Traditional Mix" lassen die Boogaloo Kings die gängigen Bluesklischees in Wort und Ton aufmarschieren, nach dem Motto: 'wenn schon zitieren, dann aber gleich Alles'. "Bag Packing Blues" kommt als Slow-Shuffle daher, bei dem Czemmel mal ausnahmsweise weniger sparsam mit seinen Noten ist. Es geht langsam auf das Finale zu, da wird noch einmal kräftig mit "Why Do I" im Chor geswingt. Ohne Worte klingt die Scheibe aus, "Professor Blues" ist eine herrlich melodische Gitarren-Nummer mit leichtem Bossa-Touch. Ich kann mir vorstellen, dass Herr Czemmel schon mal was vom Kollegen Ronnie Earl gehört hat...
Ich frag mich, wenn schon die Studioscheibe so anturnt, was haben die Boogaloo Kings denn dann erst live drauf? Leider ist unter den aktuellen Tourdaten kein Termin in meiner Nähe. Freunde von der Blues-Gemeinde, ich zähl auf euch - gehet hin und berichtet!


Spielzeit CD: 47:28, Medium: CD, Stormy Monday Records, 2006
1:Acidboogie 2:Watch Out 3:Zig Zag Woman 4:Wino Ballad 5:Liza Jane 6:Marschackerboogie 7:Tired Of This 8:Traditional Mix 9:Bag Packing Blues 10:Why Do I 11:Professor Blues
Norbert Neugebauer, 10.04.2006