The Brimstone Solar Radiation Band
18.11.2005, Erfurt, Museumskeller
Orangefarbiger Himmel über Erfurt?
Brimstone Solar Radiation BandDie Skandinavier sind schon eine eigenartige Spezies, der Sommer ist meistens nicht viel wärmer als anderswo der Winter, die Sonne schafft es kaum über den Horizont zu blinzeln, und versetzt diese damit in eine anhaltende Melancholie.
Dafür drängte sich aber seit den letzten Jahren die wohl innovativste und anspruchsvollste Rockmusik aus dem hohen Norden, genüsslich an unsere Ohren. Einer jener prägnanten musikalischen Stilblüten aus der norwegischen Küstenstadt Bergen hatte sich an diesen Abend in den Gewölben des Erfurter 'Museumkellers' eingefunden, um ihre Mission, den bunten knalligen Pop der End60er in das 21. Jahrhundert zu transportieren, einzulösen.
Brimstone Solar Radiation BandDie Brimstone Solar Radiation Band sorgt ja gegenwärtig in den einschlägigen Kritiker-Kolumnen mit ihrer mittlerweile schon zweiten Studioveröffentlichung Solstice (Big Dipper/Cargo) für einigen Wirbel.
Da heißt es "…einfach Musik, die geerntet wurde wie sie gewachsen ist. Schön!" (F. Schmidtlein, HoR)
"Angesichts dieses Albums gibt es nicht viel, was besser ist als Musik." (Eclipsed, Nr. 77)
"…man findet keinen einzigen Füller oder gar Ausfall…so hinterlässt die Band jeden Konzertbesucher glücklich…" (M. Kerren, RockTimes).
Angesichts solcher durchweg positiven Aussagen waren die Erwartungen an diesem Abend bei mir und den spärlich erschienen etwa 50 Musikliebhabern logischerweise ziemlich hochgesteckt. Natürlich motivierte das die fünf Musiker nicht unbedingt, und so starteten diese dann auch erst mit einer Stunde Verspätung ihre Kellerperformance.
Visuell erweckten die Protagonisten den Eindruck einem Zeittunnel entstiegen zu sein, oder gar einen Kostümfundus am Londoner Picadilly Circus geplündert zu haben.
Brimstone Solar Radiation BandKraftvoll und bissfest sind ihre Kompositionen allemal, und so gestaltete sich die musikalische Zeitreise von Anfang an im Tempo allerdings meistens ziemlich zügellos. Der Ton ist in diesen steinernen Katakomben von jeher recht schwierig auszusteuern, war aber zu diesem Zeitpunkt einfach nur zu laut bzw. verzerrt. Abgesehen davon wirkte die Band zunächst etwas verkrampft und benötigte eine reichliche Anlaufzeit, um sich aufzuwärmen. Stilistisch räubern die jungen Norweger bei der Endsechziger Acid-Rock-Phase und dem Hippiekult ihrer damaligen musikalischen Helden. Dazu gesellen sich eine gehörige Portion Psychedelika, rebellischer britischer Beat, Progressive- und Krautrock, bis hin zu nordischer Folklore.
Die Musiker folgten keinen Regeln sondern ergaben sich den witzigen Harmonien im freien Lauf. Die Inspirationsquellen derselben reichen dabei auch bis in die Gegenwart, man könnte meinen die hippiesken Jefferson Airplane treffen auf die Fuzzgitarrengeschüttelten Motorpsycho.
Brimstone Solar Radiation BandVieles klang durch die Manzarek-inspirierte Orgelintonierung nach einen beschwingten Jahrmarkt, brillierte aber dennoch vor allem durch Spielwitz und eine farbenfrohe Orchestrierung. Es ist im Großen und Ganzen nett anzuhörender, mit zahlreichen Instrumental-Passagen durchsetzter, melodischer Hippie-Rock wie er einst modern war, aber aus heutiger Sicht leicht anachronistisch ist. Wenn schon nicht San Francisco real, dann wenigstens mental - dachten sich wohl die Fünf.
Die Gitarren resonanzmäßig auf 1968 abgestimmt, die Hammondorgel leicht neben der Spur (schon schön, das man mit einem Keyboad sogar 'nen Hammondsound rüberbringen kann) und schon war der Versuch, die Stimmungen bzw. Schwingungen der Woodstock-Generation einzufangen, vollends gelungen. Liedsänger und Gitarrist R.Edwards erweckte Affinitäten an einen abgespacten Ray Davies-Aspiranten und thematisierte mit seinen Artikulationen bzw. Gesangstil die jugendlich-freche Kinks-Ära der 60er Jahre.
Brimstone Solar Radiation BandZwar gelingt es ihnen nicht, livetechnisch den Durchbruch zu neuen, verborgenen Bewusstseinsebenen herzustellen, aber trotzdem das Credo der einstmaligen, neue Wege suchenden Beat-Generation einzufangen.
Auch bei mystisch, überirdisch behaftetem Songmaterial wie "Applepies & Orange Sky" oder "Flying Saucers", sind die Brimstone's von den 'Pforten der Wahrnehmung' noch meilenweit entfernt, bis dato aber auf dem besten Wege dahin.
Ausgedehntere Rockstücke, die ihre Lust am spielerisch-versierten Stil-Experiment auskosteten, waren während des Auftritts rar gesät. Eigentlich gab es für mich einen einzigen Höhepunkt mit dem psychedelisch-breitgetretenen Zehn Minuten-Epos "The Spirit Of The Airborne Hogweed" vom aktuellen Output, dessen getragen-komplexe Zwischentöne, satter Spielwitz und energetische Darbietung keine Wünsche offen ließ.
Hierbei wurde die Nähe zum progressiven Rock schon deutlich spürbar.
Brimstone Solar Radiation BandHandwerklich hatten die Jungs ihr Instrumentarium voll im Griff bzw. beherrschte jeder gleich mehrere davon, so dass es auch zu 'Bäumchen Wechsel dich' Spielchen kam.
Tastenmann Oyvind Gronror zupfte schon mal den Bass, oder Gitarrist Erling Halsne bearbeitete die Orgel.
Überhaupt kam an diesem Abend ein umfangreiches Instrumenten-Inventar zum Zuge, welches von Mandoline bis zu Congas reichte. Es wird in guter 60er, 70er Rock-Tradition musiziert, soliert und Tempi gewechselt. Die Gitarrenriffs gehen allerdings selten über den Durchschnitt hinaus. Ihre musikalischen Ideen bzw. die Grundlagen für Ihre Kompositionen stützten sich zu sehr auf anderswo aufgeschnappten Einfällen, so dass dabei Ihre Identität häufig verloren geht und sehr darunter leidet.
Durch die weitgehend groovigen Rhythmen blieb die Musik jedoch tanzbar, klang aber bezeichnenderweise dennoch irgendwie Out-Of-Space.
Brimstone Solar Radiation BandLeider, zum Leidwesen der Anwesenden, war der Auftritt mit knappen 70 Minuten Spielzeit ziemlich karg bemessen, und zu einer Zugabe waren die Knaben auch nicht mehr zu bewegen. Vielleicht waren diese auch schon mit ihren Gedanken beim darauf folgenden Tag und ihren großen Auftritt beim 'Eclipsed-Festival', vor größerer Kulisse.
Eines ist sicher, wenn es die Brimstone Solar Radiation Band schaffen sollte von ihrem musikalischen Image als Kopie der genannten Vorbilder wegzukommen, könnten sie den Anschluss zum fahrenden Progrock-Zug noch packen, ansonsten müssten diese höchstwahrscheinlich weiter ein Dasein als witzige Kellercombo fristen.
Dass der Himmel über Erfurt an diesen Abend seine Farbe wechselte, dazu reichte es leider nicht!
Mein persönlicher Dank für den freundlichen Support geht an Mike Walnut, 'Encore Booking' und Reiner Kalisch vom 'Museumskeller' Erfurt.


Bilder vom Konzert
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Brimstone Solar Radiation Band, 18.11.2005, Erfurt, Museumskeller
Ingolf Schmock, 24.11.2005