Brink Man Ship / Instant Replay
Instant Replay Spielzeit: 54:28
Medium: CD
Label: Unit Records, 2012
Stil: Urban Electronic Jazz


Review vom 31.05.2012


Wolfgang Giese
Nach der Live-Aufnahme aus dem Jahr 2007 folgt nun das neue Studioalbum der Schweizer Ausnahmekünstler Brink Man Ship. Noch immer bieten sie eine Melange des Ungewöhnlichen. Die Tradition des ambitionierten Jazz Rock weicht immer mehr der Moderne - die Musik von "Instant Replay" ist noch zukunftsorientierter geworden.
Elektronische Verfremdungen, mitunter stark 'technisch' wirkende Klänge wirken stärker roboterartig, in vielen Momenten an das erinnernd, was Miles Davis einst schuf. In gewisser Weise kann dieser seine Ideen durchaus fortgesetzt sehen, gerade auch dann, wenn dieser dumpfe und eindringliche Bass das Konstrukt tief am Boden erdet. So finden sich auch hier wieder mannigfaltige Einflüsse aus vielen Bereichen der Musik: Neben der Elektronik blitzt immer wieder Funk auf, schiebt sich die Sparte Drum'n'Bass elegant in das Geschehen und auch Rock-Elemente finden ihren Weg auf "Instant Replay". Das ist moderne urbane Musik, die nicht nur im Jazz verwurzelt ist, dazu werden zu viele Grenzen überschritten. In meiner früheren Rezension sprach ich von »Musik des 21. Jahrhunderts« - ich kann das hier nur unterstreichen.
Zwei Mal gibt es Gesangsbeiträge, die zu einer weiteren Farbe der bunt bestückten Palette beitragen. Freunde von Bugge Wesseltoft und Nils Petter Molvær dürften sich durchaus angesprochen fühlen. Brink Man Ship spielt für mich in der gleichen Liga, ganz oben. Der Einsatz der Gitarre stellt für mich ein ganz besonderes Moment dar. Als Fan dieses Instruments bin ich besonders davon angetan, dass es hier nicht unbedingt im klassischen Sinne verwendet wird. Das ist nicht das typische 'Jazzgerüst' mit entsprechenden Solo-Beiträgen jedes einzelnen Mitwirkenden, sondern mir fällt eher die Vorgehensweise von Weather Report ein, wo irgendwie ständig 'soliert' wurde. Die Gitarre ist Teil eines Gesamtkonzepts des Klangbildes und darf fauchen, röcheln und stöhnen, scheinbare Endlosschleifen produzieren und ist für mich somit nicht wegzudenken, unverzichtbar im Ensemblespiel - auch, weil sie die eine oder andere rockige Note einbringt, so zum Beispiel auf "Mervin".
Brönnimann, der Holzbläser, ist, ähnlich Wayne Shorter bei Weather Report, nicht mit solistischen Höheflügen dabei, sondern gestaltet auf seine besondere Weise überwiegend. Einem Nebelhorn gleich startet er "Gugulethu" - ein Titel, der sich geheimnisvoll in das Gesamtbild einschmiegt.
Die dreizehn Tracks wirken auf mich wie eine Art Suite, erscheinen sie doch irgendwie zusammenhängend. Diese Musik ist prickelnd und spannend, sie scheint auf samtenen Pfoten zu schleichen, geheimnisvoll einer edlen Katze gleich, um dann an anderer Stelle perkussiv zu wirken, oder auch das eine oder andere Mal auszubrechen, wie ansatzweise beim sehr druckvollen "Horikawa". Alle Titel sind recht kurz, was aber angesichts des Suitencharakters nicht besonders auffällt.
Dafür verabschiedet uns Brink Man Ship mit gut zehn Minuten im letzten Song. Dieser erscheint wie eine Summe aller Ideen, der Gegensätze der gebotenen Musik, wie eine Essenz aller Zutaten. Die Klarinette mit ihrem warmen Sound steht in völligem Gegensatz zur kalten Elektronik und wieder ist es der Gitarrist, der für mich das verbindende Element darstellt.
Diese Musik ist für mich als Jazzfan eine Herausforderung und mit zunehmenden Hördurchläufen fühle ich mich in dieser faszinierenden Klangwelt gefesselt.
Line-up:
Jan Galega Brönnimann (bassclarinet, kontrabassclarinet, electronics)
René Reimann (guitar, electronics)
Emanuel Schnyder (bass, electronics)
Christoph Staudenmann (drums, electronics)

Guests:
Nya (vocals - #1)
Joy Frempong (vocals - #4)
Tracklist
01:Instant Replay (5:03)
02:Bielefeld (6:27)
03:Aither (1:29)
04:Mervin (5:44)
05:Gugulethu (2:47)
06:Horikawa (2:12)
07:Einzelheiten der Freude (5:40)
08:Hd 10180 (1:44)
09:Sakituintro (0:44)
10:Sakitubrinkman (1:50)
11:Winterweiss (4:07)
12:Khayelitscha (6:18)
13:ø (10:18)
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