Spielzeit: 79:31 Medium: CD Label: Bluebird/RCA Records, 2003 (1962) Stil: Jazz Review vom 11.12.2011    Wolfgang Giese

Es war der 5. Januar 1962, als Chet Baker in Rom eine seiner für meinen Geschmack besten Platten einspielte. Im Programm waren sieben Standards und eine neue Komposition. Eine spätere Veröffentlichung enthielt noch vier Bonustitel, auf denen Baker italienisch singt (!) - sehr ungewöhnlich, wie sich diese satt mit zusätzlichen Streichern unterlegten Titel anhören!
Diese Aufnahmen werden gemeinhin zu den besten Einspielungen des Trompeters in den sechziger Jahren gezählt, gleichwohl sind sie relativ unbekannt geblieben. So stieß ich einst auf die LP, weil ich als Fan des belgischen Gitarristen René Thomas, der an "Chet Is Back" beteiligt war, auf sie aufmerksam wurde. Auf diese Weise lernte ich quasi 'nebenbei' erst 1975 die Musik Chet Bakers zu schätzen und zu lieben.

Einige Besonderheiten gibt es zu "Chet Is Back" zu berichten, solche, die sich von anderen bekannten Aufnahmen Chet Bakers unterscheiden:
a) Im Gegensatz zu vielen anderen Einspielungen des Musikers finden wir hier lediglich zwei Balladen, die das durchweg schnelle Tempo zum kurzen Atemholen unterbrechen.
b) Die Studiotakes entstanden erst dadurch, dass Baker zu jener Zeit wegen erneuter Drogenprobleme in Italien inhaftiert war.
c) Im Zuge des Aufenthalts entstanden auch Aufnahmen mit Ennio Morricone für einen Soundtrack, die auf der späteren Ausgabe als die genannten Bonustitel auftauchen.
d) Die Originale wurden mit einer hochwertigen, ausgesuchten Besetzung einiger der damals besten europäischen Jazzmusiker eingespielt.
Insofern gibt es genügend Gründe, sich "Chet Is Back! (aka The Italian Sessions)" und insbesondere die vorliegende Ausgabe mit den zusätzlichen Morricone-Stücken zu beschaffen!
Und, wer ihn noch immer nicht kennen sollte: Hier gibt es die Möglichkeit, einen René Thomas in Hochform zu erleben, und auch die übrigen Musiker, allen voran der großartige Bobby Jaspar, zeigen ihr hervorragendes Können!

Überhaupt strahlt die Musik eine unglaubliche Frische und Vitalität aus, Professionalität gepaart mit einer Art Pioniergeist, wie von jungen Musikern, die gerade auf Entdeckungsreise sind... Humair treibt am Schlagzeug die Band kraftvoll vor sich her, Baker spielt frisch wie schon einige Zeit zuvor nicht mehr - der Geist des Be Bop/Hard Bop wird hier zu neuem Leben erweckt. Die zahlreichen Soli zeugen mit imposanter Ausstrahlung hiervon, improvisatorisch liegt die Messlatte qualitativ recht hoch und das Feeling ist packend.
Insgesamt also eine gelungene amerikanisch-belgisch-französisch-italienisch-schweizerische Kooperation erster Güte! Weltjazz in bestem Sinne!

Später kamen die Originalaufnahmen noch einmal als "The Italian Sessions" auf den Markt und als abgespeckte Version als "Somewhere Over The Rainbow". Übrigens, als Nachtrag noch einmal: Das ist eine hervorragende Version des Judy Garland-Klassikers!!!

Und nun gibt es eine erneute Auflage dieser Platte, ergänzt um zwei weitere Titel. Es handelt sich insofern um Raritäten, als dass sie anläßlich einer kurzen Tournee entstanden. Aufgenommen wurde im Sommer 1960 in Baden-Baden und Baker wurde vom Radioorchester Baden-Baden unterstützt - es dirigierte Rolf Hans Müller. Es klingt also mit vollem Streicherensemble richtig satt. Hier soll die einzige Version von "Marilyn" vorliegen. So sind zwei typische Stücke entstanden, wie sie seinerzeit von vielen Orchestern der Unterhaltungsmusik eingespielt wurden, nur eben mit diesem prominenten Frontmann, der die Titel zusammen mit der professionell aufgestellten Band zu zwei Leckerbissen macht.

Line-up:
Chet Baker (trumpet)
Bobby Jaspar (tenor sax, flute - #1,3-8)
René Thomas (guitar)
Amadeo Tommasi (piano)
Benoit Quersin (bass)
Daniel Humair (drums)