Es war mir nie wichtig Millionen abzugreifen, sondern die Umsetzung meiner musikalischen Ideen standen und stehen bei mir immer an der ersten Stelle!
Jean-Paul Bourelly
Der Berliner Musik-Promotor Eddy Czesnick feierte am 24. Januar seinen 50. Geburtstag! Aus diesem Anlass verpflichtete er für seine Geburtstagsparty die Black Stone Raiders. Anschließend ließen wir Sabine Kundmüller und Mona Wolters auf Jean-Paul Bourelly los, um für unser Magazin ein Interview zu präsentieren.

Fotos: Mona Wolters


Interview vom 06.02.2012

Thomas Jonscher


Sabine Kundmüller
Rocktimes: Hallo Jean-Paul Bourelly, vielen Dank, dass du uns die Gelegenheit bietest, um für RockTimes aktiv zu sein und dir ein paar Fragen zu stellen.
Jean-Paul Bourelly: Ja hallo, das mach ich doch gern. Legt los.
Rocktimes: Black Stone Raiders... Jean-Paul, wie ist der Bandname entstanden?
Jean-Paul: Ja, wie ist er entstanden? Wir wollten zunächst gar nicht soviel Aufmerksamkeit haben. 'Black' steht für soziale Brennpunkte, obwohl ich braunhäutig bin. Als wir unser letztes Album eingespielt hatten, dachten wir, unser Bandname sollte zum Denken anregen. Aber vielleicht wäre eine Abkürzung besser gewesen.
Rocktimes:Jean-Paul & Darryl Zum Denken anregen? Also müsst Ihr Euch doch was dabei gedacht haben.
Jean-Paul: Na ja, es ist letztlich auf meinem Kraut gewachsen, ich wollte ein wenig provozieren. Ich fragte Darryl Jones: Hey sag mal, du hast bei den Stones den Job von Bill Wyman übernommen. Warum bist du kein Stone? Er ist ein Black Stone, versteht ihr? Schwarze Musiker haben es nach wie vor nicht leicht. Es handelt sich bei unserem Bandnamen nur um ein bisschen Provokation.
Rocktimes: Gab es denn schon Reaktionen auf eure Provokation?
Jean-Paul: Yeah, es ist sehr subtil. Manche Leute, besonders in Europa, ahnen nicht, dass schwarze Musiker Probleme haben könnten. T.M.Stevens hat z. B. mit den Pretenders gespielt, dann wollten sie nicht, dass er auf dem Cover abgebildet wird. Oder warum wird Darryl bei Videoaufnahmen der Stones kaum gezeigt? Alle sprechen von Gleichheit und Fairness, doch das ist nicht so. Es gibt in der Musikbranche nach wir vor ein Rassenproblem.
Rocktimes: Diese Probleme, auch außerhalb des Musikbusiness, gab es schon vor hunderten von Jahren und wird es wohl auch die nächsten hundert Jahre geben. Lass uns lieber über eure Musik sprechen. Wie habt ihr zusammengefunden?
Jean-Paul: Jean-Paul Bourelly Ich und Darryl spielen schon seit der Jugendzeit zusammen, damals trafen wir uns oft im Keller meiner Eltern. Später bin ich dann nach New York gezogen, und fast jeden Tag traf ich einen jungen Typen mit Sticks in den Händen, den lud ich irgendwann zu mir nach Hause ein, um gemeinsam zu musizieren. Später hat mir Will Calhoun erzählt, dass ich es war, der ihn damals zu sich einlud. Ist schon eine komische Geschichte. Ca. 20 Jahre später, es können auch 25 Jahre sein, traf ich Darryl in Los Angeles. Wir waren uns sofort einig, wieder zusammenzuspielen, er fragte mich: Kennst du Will Calhoun? Ich konnte es kaum fassen, na klar kannte ich den, war er doch praktisch mein Nachbar! Ich sag's euch, das Schicksal hatte es gut mit uns gemeint und ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich an die Szenen von damals denke. Ich fühle mich bei den beiden bestens aufgehoben, wir sind richtige Freunde! Durch diese spirituelle Zusammenführung haben wir einen Grund, im Funk Progressive-Rock noch eine Menge zu bewegen. Seit der Gypsy-Zeit war etwas kaputtgegangen, alles konzentrierte sich nur auf Hard - und Classic Rock. Wir fühlen uns berufen, wieder eine Brücke zur Gypsy-Epoche zu schlagen. Ihr müsst euch in die Seele eines Klassik- oder Jazzmusikers reinversetzen, bei uns geht es sehr in die Tiefen der Musik und wir versuchen ständig, neue Ideen in unseren Songs einzubinden.
Rocktimes: Wir finden, dass sich deine Aussagen auch auf eurem letzten Album widerspiegeln. Apropos Album: Da seid ihr doch wohl von null auf hundert durchgestartet.
Jean-Paul: Ja, als wir uns im Juni letzten Jahres trafen, haben wir erstmal eine fünfwöchige Tour gemacht. Dabei haben sich viele Songs entwickelt, nicht alle, aber doch einige, den Rest haben wir im Oktober dann im Studio entworfen bzw. eingespielt. Dann habe ich alles abgemischt, Texte geschrieben usw.
Rocktimes: Jean-Paul BourellyDeine Texte sind für dich wohl nicht unwichtig, oder?
Jean-Paul: Meine Texte sind eine Reflexion auf wichtige Alltagsthemen. Wisst ihr, mich ärgern die Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft. Doch so langsam werden die Menschen wach, verstehen mehr von der Politik, den Bankgeschäften, deren Korruption. Schaut mal, ständig gibt es Reportagen aus Afrika, da fahren die Journalisten ständig mit 'nem schönen Auto durch Afrika und berichten unentwegt von der Armut, die dort herrscht. Ich finde es reicht, wir haben doch schon alles über Afrika gesehen und gelesen. Doch was wird letztlich dagegen unternommen?
Rocktimes: Damit haben deine Texte immer einen politischen Ansatz. Das kann man doch wohl so sagen?
Jean-Paul: Ja, es ist einfach an der Zeit, etwas zu sagen, sei es durch Kunst oder Musik. Wir leben in einer freien Marktwirtschaft, da gilt es, soviel Geld zu verdienen wie möglich. Doch was ist die andere Seite der Medaille? Glaubt mir, wir müssen auf allen Ebenen wieder ein Gleichgewicht herstellen. Z.B. auf die Jazzmusik bezogen, im Tagesspiegel gibt es keine Kritiken über Jazzmusik, ebenso wenig wie in der Berliner Morgenpost oder irgendeiner anderen Berliner Tageszeitung. Das war früher ganz anders, da wurde regelmäßig über Jazz Rock berichtet. Heute können z.B. unsere Kinder gar nichts über unsere Musik lesen, versteht ihr? Wie soll unsere Musik auf Dauer am Leben erhalten bleiben? Deshalb versuchen wir, unsere Musik selbst zu vermarkten und mit anspruchsvollen Texten zu überzeugen, die auch zum Nachdenken anregen sollen.
Rocktimes: Ja gut, doch nun gibt es ja ein Antidepressivum durch Euch, den Black Stone Raiders.
Jean-Paul: (lacht) Ja sicher, wir haben unseren Beitrag zum Heilungsprozess beigetragen. Als ich das erste Mal, 1987, nach Berlin kam, da gab es viele von der 68er-Generation, es war damals eine ganze Bewegung, die ziemlich viel, auch in der Politik, hinterfragte. Die wollten alles wissen, über Kriege, Atomkraft, Wirtschaft, Kunst, einfach über alles Bescheid wissen. Heutzutage gibt es sowas nicht mehr, fast überall nur noch 'blabla fucking blabla'.
Rocktimes:Jean-Paul Bourelly Warum hat es Dich damals von New York nach Berlin verschlagen?
Jean-Paul: Es waren keine politischen Ambitionen, sondern es war Liebe. Ich lernte meine Frau in Leverkusen bei einem Jazz-Festival kennen, sie wollte mit mir unbedingt nach New York ziehen, doch ich hatte die Nase voll, die Nebenkosten waren und sind in New York enorm, so musste ich damals für einen Parkplatz jährlich über 1.000 Dollar zahlen. Zwischenzeitlich haben wir in Chicago gelebt, doch als unsere Kids schulpflichtig wurden, zogen wir nach Berlin.
Rocktimes: Du hast in Amerika gelebt und nun seit vielen Jahren in Deutschland. Gibt es zwischen den Kulturen gravierende Unterschiede?
Jean-Paul: Die Deutschen sind ganz anders, vor allem bei der Kommunikation. Der Deutsche sagt immer erst Nein, der Ami erstmal Ja. Könnt ihr euch vorstellen, wie ich mich zuerst gefühlt hatte? Wenn ich in Deutschland eine Frage stelle und ich bekomme als Antwort: Nein! (lacht dabei). Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Es ist auch nur eine Kleinigkeit, doch es gibt viele solcher kleiner Unterschiede.
Rocktimes: Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen?
Jean-Paul: Als ich neun Jahre alt war, hat mir mein Cousin eine Carlos Santana-CD vorgespielt, das war für mich wie ein Offenbarung! Seine ältere Schwester holte dann noch ein paar Gypsy-Platten aus dem Regal und spielte sie mir vor. Ich dachte noch: Wow, das ist erlaubt? So zu spielen?
Rocktimes: Da bist du mit neun Jahren einen eher ungewöhnlichen Weg gegangen, normalerweise hört man in dem Alter doch eher die Charts, den Hitparadenschrott.
Jean-Paul: Ja schon, die meisten Menschen denken doch, mit neun Jahren sei man noch dumm, doch das ist nicht so! Ich habe für meinen Sohn einmal meine "Transatlantic"-CD gespielt. Es ist eine sehr anspruchsvolle, intensive Platte. Er hörte sie und meinte zu mir, dass es sich sehr friedlich anhört. Er hat meine Botschaft schon im jungen Alter verstanden.
Rocktimes: O.K., doch es muss doch auch bei dir einen Knackpunkt gegeben haben, der dich zum Gitarrenspiel veranlasste.
Jean-Paul: Mein Entscheidung stand fest, als ich ca. 16 Jahre alt war. Später wollte ich damit auch meinen Unterhalt finanzieren. Es war mir aber nie wichtig, die Millionen abzugreifen, sondern die Umsetzung meiner musikalischen Ideen standen und stehen bei mir immer an erster Stelle!
Rocktimes: Hast du in dieser Zeit auch angefangen Songs zu komponieren?
Jean-Paul: Ja, ja, ich hatte damals mit meinem Cousin und meinem Bruder komponiert. Wir haben damals sogar einen Gig gespielt.
Rocktimes:Jean-Paul Bourelly Lass uns mal ein paar Jahre überspringen. Irgendwann kam Buddy Miles zu dir.
Jean-Paul: Moment, zunächst hat mir Marcus Miller viel beigebracht! Ich habe viel mit meinen Heros zusammengespielt, doch ich wollte immer meine eigene Musik spielen. Und ganz wichtig, ich habe mich in der ganzen Zeit meines musikalischen Schaffens nie als Rockstar gefühlt. Ich muss mich immer weiterentwickeln können, ich darf nicht stehen bleiben. Es ist sicherlich keine schlechte Sache, wenn du vor zehntausenden von Zuschauern spielst und richtig gut verdienst. Doch für mich wird es dann zu kommerziell, alles bewegt sich in einem bestimmten Quadrat, da darf man nicht außerhalb des Quadrats spielen. Das war noch nie mein Ding, ich muss musikalisch frei bleiben, mich unentwegt weiterentwickeln können, dann bin ich zufrieden.
Rocktimes: O.K. Jean-Paul, vielen Dank für das Interview. Abschließend möchten wir wissen, wie würdest du dem Musikfreund eure Gigs, eure Musik schmackhaft machen?
Jean-Paul: Ich möchte es mal so formulieren: Für mich beruht alles auf einem Stimulationsfaktor. Wenn du keine Lust auf Erweiterung deines Horizontes hast, dann bleib zu Hause. Wenn du aber für neue Sachen offen bist, dann bist du bei uns genau richtig. Du erlebst drei Meister ihres Fachs, sie verstehen ihr Handwerk und bieten dir ständig was Neues. Es wird bei uns nie langweilig, doch wie gesagt, du musst für unsere Art von Musik bereit sein, dann wirst auch du dein musikalisches Verständnis erweitern.
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