Jochen Brueckner / Eleven And A Half
Eleven And A Half Spielzeit: 44:09
Medium: CD
Label: Sireena Records (Broken Silence), 2014
Stil: Pop/Rock, Westcoast

Review vom 19.11.2014


Markus Kerren
Was wäre wohl passiert, wenn...? Eigentlich war irgendwann Mitte der Siebziger ja geplant, dass Jochen Brueckner die eingedeutschte Coverversion eines Bellamy Brothers-Titels mit dem Namen "Ein Bett im Kornfeld" aufnehmen sollte. Schließlich entschied sich das damalige Label jedoch für Jürgen Drews als Interpreten, weil der bereits (durch die Mitwirkung bei den Les Humhries Singers) einen größeren Bekanntheitsgrad hatte. Tja, was wäre wohl passiert? Jochen Brueckner hätte einen deutlichen Batzen mehr Kohle auf dem Konto gehabt, wäre eventuell im Schlager-Genre hängengeblieben und würde heute seinen Lebensunterhalt mit stumpfen Fernseh-Shows sowie auf Mallorca vor promilleverseuchten und feiergeilen Massen singend verdienen, die meist schon so abgefüllt sind, dass sie musikalisch kaum noch A von B unterscheiden können...
Und was ist passiert? Nun, zumindest musikalisch ist es ihm wesentlich besser ergangen. Nachdem seine erste Band Windspiel (in der folkloristische Elemente überwogen) ad acta gelegt war, gab es die vom Westcoast-Sound beeinflusste Combo Highway (die immerhin sechs Jahre lang tourte und vier Alben veröffentlichte), parallel dazu die lose Hamburger Formation Bad News Reunion, die ja auch schon öfter hier bei uns in RockTimes zu Gast war. Bei "Eleven And A Half" handelt es sich dazu bereits um das vierte Soloalbum des norddeutschen Musikers, Komponisten und Sängers. Jede Menge befreundete Musiker (u. a. auch von BNR) hatte er sich dafür eingeladen und konnte darüber hinaus Graham Laybourne als Produzenten gewinnen.
Der Westcoast-Sound spielt nach wie vor eine ziemlich große Rolle in Brueckners Musik, was sich alleine schon bei dem federleichten "Under London Skies" unter Beweis stellt. Feines Songwriting paart sich mit so lockeren wie auch zupackenden Gesangsmelodien. Es gibt Tracks auf dieser Scheibe, die die gute Laune des Hörers durch einen offensichtlichen Drum-Computer (oder zumindest sehr plastischen Sound) etwas runterziehen wollen, was ihnen letzten Endes aber doch nicht gelingt, da fast durchgehend die guten Parts dieser Nummern dennoch überwiegen.
Ab und an (beispielsweise bei "Looking Back") kommen die Gitarren richtig schön rockig und fetzig, wobei die Geschichte aber nie die Gestalt eines waschechten Rockalbums annimmt, sondern gerne im etwas angepoppten Westcoast-Stil der Marke The Eagles, späteren Poco und Konsorten verweilt. Macht aber auch überhaupt nichts, denn wir haben es hier durchaus mit qualitativ hochwertiger Mucke zu tun, die sowohl ganz stark produziert wie auch arrangiert ist. Zeitweise (wie am Anfang von "Phoenix") wandern die Tracks sogar ins Psychedelische ab, ohne dabei aber jeweils auf einen eingängigen Refrain zu verzichten.
Nach so viel Eigenständigkeit kommt die Coverversion des alten The Who-Klassikers "Substitute" dann eher überraschend. Als sehr angenehme Überraschung wohlgemerkt. Und Brueckner wäre nicht Brueckner, hätte er nicht auch diesem Titel seine ganz eigene Klangfarbe verpasst. Mit "Something Better" rundet eine Live-Nummer von Bad News Reunion die Scheibe ab, die direkt danach von dem sehr geilen (und leider viel zu kurzen) "Farther On" beschlossen wird.
"Eleven And A Half" von Jochen Brueckner ist ein perfektes Beispiel für diese speziellen Alben, die mit jedem Durchlauf immer besser und besser und besser werden. Speziell der Drum Sound ist anfangs doch etwas gewöhnungsbedürftig, wird aber sehr schnell von den bereits weiter oben beschriebenen Qualitäten der Songs wett gemacht. Früher hätte man diese Musik als Soft Rock bezeichnet, was aber alles andere als abwertend zu deuten ist, denn damit wurden schließlich auch absolute Hammerscheiben wie Rumours oder ebenso Geniales von Randy Newman betitelt.
Allerdings hört sich Jochen Brueckner ganz anders als die erwähnten Vergleiche (die sowieso hinken) und sehr eigenständig an. Sehr schöne Platte!
Line-up:
Jochen Brueckner (bass, drums & percussion, piano, keyboards, Hammond organ, church organ, Moog, bouzouki, tubular bells, acoustic & electric guitars, lead vocals)
Nico Fintzen (keyboards - #1)
Uli Kringler (acoustic & electric guitars, drums, bass, piano, background vocals)
Stefan Endrigkeit (bass)
Jojo Schlueter (electric guitars, electric sitar, e-bow-, slide-, Wah Wah-, vibro- & 12-string guitars)
Graham Laybourne (sitar, hurdy gurdy, cowbell, mellotron, Hammond organ)
Nick Oosterhuis (Moog bass, Hammond, grand piano)
Dirk Zuther (Hammond organ, mellotron)
Tim-Ole Hoff (drums - #11)
Martin Prill (bass - #11)
Peter Urban (piano & organ - #11)
Ian Cussick (background vocals, indian voice, rastaman voices)
Michael Schlueter (background vocals - #11)
Tracklist
01:On The Edge
02:Under London Skies
03:Rage
04:Two-Faced Man
05:Looking Back
06:Phoenix
07:Broken Headlights
08:Everybody Knows
09:Camara
10:Substitute
11:Something Better
12:Farther On
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