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Schon der Titel der CD "Voices" lässt doch im Grunde vermuten: Blackmore jr. erfreut uns dieses Mal mit einem Album, das nicht wie sein Vorgänger rein instrumental ist, sondern einen gewissen Fokus auf Stimmen legt? Könnte es dann auch noch sein, dass er nicht alles selbst singt und mit den Freunden in & Friends dann in der Tat Vokalisten gemeint sind? Alles richtig, Jürgen Richard Blackmore hat ein Line-up zusammengestellt, das neben hervorragenden Instrumentalisten auch stimmliche Leckerbissen zu bieten hat - und die Vorankündigung verspricht uns zudem noch eine Reise durch Zeit und Raum, würde man salopp sagen. Alte Wegbegleiter und neue Kollegen und Freunde haben ihre Einflüsse aus Gegenwart und Vergangenheit mit einfließen lassen, sodass nun ein Gesamtwerk mit den unterschiedlichsten Facetten vorliegt. Und dieses wollen wir jetzt mal in die Drehmaschine stecken.
Der Titeltrack "Voices" lässt uns bei den ersten Tönen schon in orientalischen Assoziationen davon schweben. Man möchte an Sitar-Klänge, oder die von anderen Langhalslauten, glauben, wähnt sich ganz leicht an die "Gates Of Babylon" erinnert und entfleucht zeitgleich auf sehr rockigen Riffs mit den typischen Gitarrenläufen unseres Protagonisten. Dazu kommt dann Markus Engelstädter mit glasklarer Stimme. Als deutscher Ausnahmesänger gefeiert, bekannt von "Rock meets Classic" , "Flash", "Rocky Horror Show" und anderen Inszenierungen oder natürlich auch als Solo-Künstler hat er neben dem Opener (Anspieltipp) auch dem später folgenden "Victorious" seine Stimme geliehen.
"Guardian Angel" als Nr. 2 der Scheibe muss nicht viele Töne von sich geben, um klar zu machen, wohin uns dieser Song entführen möchte. Klassisch klingt es zu Beginn, fast sakral, nur um nach wenigen Augenblicken die ersten rockigen Gitarren-Harmonien einfließen zu lassen, fast unmittelbar begleitet von der einsetzenden Stimme Oliver Hartmanns. Nicht nur wegen seiner Aktivitäten bei Avantasia oder At Vance bekannt und beliebt, gibt er im Vergleich zu seinem 'Vorsänger' auf Stück eins dem Ganzen einen andeutungsweise leicht raueren, härteren Touch, braucht sich in Sachen Virtuosität auch nicht nur ansatzweise zu verstecken.
Erst wenn Michael Bormann ( Jaded Heart) nach einem schönen, sich stetig steigernden Gitarren-Intro bei der dritten Nummer, "Beethoven" zum Mikro greift, wird es wirklich härter und wir bekommen neben erneut sehr eindringlichem Saitenwerk eine rockige Röhre zu hören. Wer als Hörer seinen Fokus auf Blackmores Arbeit an der Six-String legt, dem empfiehlt es sich, hier die Ohren gut aufzusperren.
"Destructive Mania" bringt uns dann zum ersten Mal auf dieser Scheibe eine der beteiligten Frauen in Form von Cathrine Jauer und dieser Song ist auch direkt mein nächster Anspieltipp. Hier wird in schönster AOR-Manier ein sehr eingängiger Melodienteppich geknüpft: Intro, hartes Riff, Rhythmus-Fraktion und dann der Gesang. Frau Jauer gibt dieser eher schnellen Nummer mit ihrer fein modellierten Stimme einen sehr individuellen Touch; muss man sich auf jeden Fall mal merken.
"Incomplete", wieder mit Michael Bormann, fährt ein paar Gänge zurück und kommt wie eine Ballade daher, mit schönem Wechselspiel zwischen Keyboards und Gitarre. Ganz anders wirkt dagegen "Devil In Disguise", das zäher, schleppend und trotzdem irgendwie aufdringlich, fast schon böse - passend zum Titel - aus den Speakern drückt. Nach ca. vier Minuten gibt es dann einen kleinen Break mit einer instrumentalen Passage, seichten choral anmutenden Backing-Vocals, immer wieder durchbrochen von Paul Morris' Keyboards - sehr geschickt arrangiert und auch hier wieder mit leicht orientalisch klingenden Ansätzen. Noch ein Tipp zum Reinhören.
Auch wenn es der Titel beinahe hätte vermuten lassen müssen, "Jekyll & Hyde" ist beim ersten Hören die größte Überraschung und für mich die beste Komposition. Was balladenhaft langsam und von Dave Esser schön gesungen beginnt, wechselt nach einem eindrucksvoll lang gehaltenen Ton (Bravo, Herr Esser!) zu einer schnellen und echt rockigen Nummer, die zunehmend an Fahrt gewinnt, in ihrer Dramaturgie perfekt aufgebaut ist und die Metamorphose des Dr. Jekyll zu Mr. Hyde wirklich glaubhaft rüberbringt. Einziger Nachteil des etwas unvollständigen Promo-Materials ist die Tatsache, dass man nicht weiß, welche Dame hier so schön den vokalen Background bedient.
Mit "Nanshu" bekommt der Hörer noch einmal eine richtig tolle dramatisch, mystische Story zu hören, intoniert insbesondere durch den Wechselgesang zwischen erneut Dave Esser und der deutschen Sängerin ELA. Beide liefern uns hier eine rockige, in Teilen düster bedrohliche Nummer über einen zu bekämpfenden Unhold (vermute ich), der nach tausend Jahren freigesetzt worden ist, sein Unwesen zu treiben. ELA kommt mit einer erstaunlichen Bandbreite in ihrer Sangeskunst daher, macht dieses fernöstlich anmutende Drama zu einem klanglichen Kunstwerk - mein Favorit.
Auf dem letzten regulären Track darf uns Dave Esser noch einmal schweres Metall in Form des fast episch anmutenden "We Are Rock'n'Roll" darbieten und die achtziger Jahre beschwören. Passend dazu wieder eine treibende Rhythmusfraktion und kurze, prägnante Soli auf Blackmores E-Gitarre.
Der abschließende Bonus - das Instrumentalstück "Dreams" von der Darkness & Light lässt uns noch einmal einem sphärischen Wechselspiel zwischen Synthesizer- und Gitarrenklängen beiwohnen. Im Grunde möchte man fast sagen, ein perfekter Digestif zur Abrundung und zum Ausklang der vorausgegangenen, sehr wechselvollen und individuell akzentuierten, jedoch als Gesamtwerk sehr passenden zehn Songs.
"Voices" ist wahrlich keine Scheibe, die man nur als beinharter Fan kaufen muss. Jeder, dem ein prägnantes Gitarrenspiel und eine abwechslungsreiche, von unterschiedlichen 'Friends' mitgestaltete Sammlung Rocksongs liegt, ist dieses Album nur zu empfehlen. Es handelt sich dabei beileibe nicht um eine schnöde zusammengewürfelte Auswahl aus diversen Töpfen, nein, das Gesamtkonzept stimmt von A - Z. Es schimmern immer wiederkehrende Elemente durch und der/die einzelne Beteiligte hatte trotzdem die Möglichkeit, seinen oder ihren persönlichen Stempel für die Produktion mitzubringen.
Warum die CD in manchen Vorankündigungen als "Part I" ausgewiesen ist, lässt sich an dieser Stelle nur vermuten. Sollte es in der Tat einen zweiten Teil geben, darf man mehr als gespannt sein. Auf jeden Fall wird J. R. Blackmore demnächst auf Promotion-Tour durch unsere Lande ziehen und die Scheibe persönlich vorstellen - schaut einfach auf seine Website für entsprechende weiterführende Info und beizeiten auch die jeweiligen Termine.
Line-up:
J. R. Blackmore (guitar)
Danny Miranda (bass)
Charly Zeleny (drums)
Paul Morris (keyboards)
| Tracklist |
01:Voices (Markus Engelstädter)
02:Guardian Angel (Oliver Hartmann)
03:Beethoven (Michael Bormann)
04:Destructive Mania (Cathrine Jauer)
05:Incomplete (Michael Bormann)
06:Devil In Disguise (Oliver Hartmann)
07:Jekyll & Hyde (Dave Esser)
08:Victorious (Markus Engelstädter)
09:Nanshu (ELA & Dave Esser)
10:We Are Rock'n'Roll (Dave Esser)
11:Dreams - Bonus, instrumental von Darkness & Light
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Externe Links:
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