Billy Cobham / Compass Point
Compass Piont Spielzeit: 45:10 (CD 1), 41:30 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: Purple Pyramid Records/Cleopatra Records, 2013
Stil: Fusion

Review vom 24.08.2013


Joachim 'Joe' Brookes
"Compass Point" dokumentiert auf zwei Scheiben Konzerte, die Billy Cobham zusammen mit Carl Orr (Guitar), Gary Husband (Keyboards) und dem Bassisten Stefan Rademacher (unter anderem Peter Wölpl) 1997 in New Providence/Bahamas spielte. Wie so oft, fristeten die Aufnahmebänder ein trauriges Dasein in irgendwelchen Regalen. Wem auch immer die Entdeckung zu verdanken ist ... es war eine sehr gute Entscheidung die Mitschnitte nach einer relativ langen Zeit zu veröffentlichen. Im sehr informativen Booklet berichten die vier Musiker sowie Craig Bishop (Recording & Mixing Engineer) über ihre persönlichen Eindrücke und die waren rund um die Auftritte nicht immer rosig. Billy Cobham schreibt unter anderem: »All in all, the experience was genuinely a positive one and will live forever in my memories as one of the mile stones in my musical career.«
Schon während die erste CD läuft, mag man dem Drummer zustimmen. Nach der zweiten Platte und knapp eineinhalb Stunden Musik kommt aus meiner Sicht noch ein 'uneingeschränkt' hinzu. Was das Quartett in den neun Kompositionen, unter anderem auch je eine von Carl Orr ("The Snaffler") und Gary Husband ("Les Cocos"), bietet, ist Fusion fernab von den bekannten, ausgetretenen Pfaden anderer Künstler.
Selbstredend kommen alle Protagonisten solistisch zu Wort. Logisch, ein deutlicher Schwerpunkt liegt da bei dem formidablen Gitarristen und phantasievollen Tastenmann, aber Stefan Rademacher und Billy Cobham haben an einigen Stellen auch das Zepter des Alleingangs in der Hand.
"Compass Point" ist ein wahrer Jungbrunnen. Die Lieder klingen wie frisch aus der Plattenpresse, obwohl es Songs gibt, die schon einige Jahresringe aufweisen können. Hier zeigt sich, wie die unterschiedlich geregelte Fusion-Flamme glimmt beziehungsweise lodert, aber nie an Intensität abnimmt. Furiosen Phasen wie in "Fragolino" stehen schwebend-entspannte Momente als kontrastierende Punkte gegenüber. Über alle Felle und Becken ist die Virtuosität eines Billy Cobham berauschend. Sein Spiel auf der Snare ist unvergleichlich und hat nachhaltige Wirkung. Wenn sich Jazz und Blues zu einer Verabredung treffen, ist die Musik besonders geerdet. Wie kaum ein anderer Schlagzeuger versteht er es, einen unbeschreiblichen Funk in sein Spiel zu implantieren.
Carl Orr und Gary Husband erleben wir als gegenseitige Inspirationsquellen und gemeinsam agierende Musiker. Bei der wunderschönen Ballade "Egg Shells Still On My Head" entstehen Fantasiebilder einer blutrot untergehenden Sonne mit einem bis zum Horizont reichenden fast wellenlosen Meer. Stefan Rademacher kreiert herrliche Bassläufe, die von Gary Husband-Farbtupfern angereichert werden. Carl Orrs Gitarrenspiel fließt in einem traumhaften Ambiente dahin und der Drummer webt dazu ein sehr sanftes Rhythmus-Gewand. Genial!
"Les Cocos", mit typischer Jazzmetrik ausgestattet, gleitet zunächst schwerelos, wie auf einem Luftkissen und wird im Laufe der Spielzeit immer intensiver, nur um sich kurz vor Schluss wieder einer Wellness-Oase des Genres zu nähern. Am Ende wirbeln dann die Trommelstöcke. Super!
Publikumsreaktionen laufen einem beim Hören eher selten über den Weg. "Mirage" kommt, besonders durch die Bassspielereien als ein expressives Funk-Gemälde daher. Carl Orr setzt mit seiner flinken Fingerakrobatik phasenweise Kontrapunkte zum flirrenden Groove eines Billy Cobham. Gary Husband soliert furios auf den schwarzen und weißen Tasten seines E-Pianos. Klasse! Auch hier ist der Protagonist in bemerkenswerter Weise solistisch unterwegs.
Die Einleitung zu "Panama" gestaltet der Schlagzeuger ebenfalls alleine. Die Band ist in einer weiteren Ruhezone der vorliegenden Platte angekommen. Carl Orr sowie Gary Husband zelebrieren ein herrliches Frage-Antwort-Spiel und nicht zum ersten Mal wird vorzüglich improvisiert. Die letzte Gänsehaut erzeugt das Medley "Crosswinds/Stratus". Kompositionen, die Mitte der Siebzigerjahre entstanden, verdeutlichen, wie zeitlos die Fusion eines Billy Cobham ist.
Die Songs auf "Compass Point" zeigen, dass Musik aus dem gerade erwähnten Genre auch von anmutigen Melodien leben und wie zum Beispiel "Stratus" über Ohrwurmcharakter verfügen. Sehr gute Alben müssen nicht immer brandaktuelle Aufnahmen enthalten. Die Veröffentlichung dieses Doppeldeckers ist ein glänzender Beleg dafür.
Line-up:
Billy Cobham (drums)
Gary Husband (keyboards)
Carl Orr (guitar)
Stefan Rademacher (bass)
Tracklist
CD 1:
01:The Snaffler (11:28)
02:Fragolino (8:01)
03:Mushu Creole Blues (10:15)
04:Egg Shells Still On My Head (9:10)
05:Les Cocos (6:16)
CD 2:
01:Mirage (10:05)
02:Panama (12:21)
03:Obliquely Speaking (7:23)
04:Crosswinds/Stratus (11:42)
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