Captain Obvious / Live At Bar227/Hamburg 02/24/07
Live At Bar 227/Hamburg 02/24/07 Spielzeit: 61:46
Medium: CD
Label: Eigenvertrieb, 2007
Stil: Jam Rock


Review vom 28.04.2008


Ulli Heiser
Normalerweise ist es ja so, dass die Rezi-Exemplare von Promotern oder Label kommen. Normalerweise ... .
Dann passiert es, dass Bands ihre Alben schicken. Oftmals unangekündigt und immer in der Hoffnung, dass ihr Werk einer breiten Leserschaft vorgestellt wird. Seltener ist der Fall, dass sich jemand meldet und sagt, wenn dir die und die gefallen, dann müsste auch unsere Musik ins Rezensenten-Schema passen. Letzteres ist meistens spannend, weil, wenn das Cola zum Alt will, passt das mit dem Krefelder in der Regel.
So auch in diesem Fall und ich denke, ich beuge nicht den Datenschutz, wenn ich ihre Mail an mich hier zitiere:
»Moin Ulli,
habe gerade Deine Rezension zu unseren Freunden Ginger gelesen (mit denen wir auch im Herbst ein paar Shows spielen werden) - und nach allem was Du so schreibst bin ich relativ sicher, dass Du mit meiner Kapelle auch was anfangen können müsstest, so hoffe ich zumindest ...«
.
Ginger, ja. Deren The Misty Glapf Sessions hatte ich kürzlich in der Mache und war schwer begeistert. Wer mit denen zusammen spielt, muss kompatibel sein - mit Ginger und mit meinem Geschmack.
My goodness, sie sind es. Und wie!
Feststellen konnte ich das gleich, denn (Fäustel) Captain Obvious bieten ihre Konzerte kostenlos als Download (siehe Linkblock unten) an. Nicht nur in schwacher 64Kbps MP3-Qualität, sondern (Hammer) auch als VBR MP3s und im Ogg Vorbis-Format. Und sie setzen noch eins drauf und schreiben auf ihre Website (Vorschlaghammer) »OUR MUSIC IS NOT FOR SALE !«.
Das sind keine Worthülsen, denn diese Show hier haben sie 250 mal gebrannt und in Hamburg umsonst verteilt! (Dampframme, oder?)
Nun mag sich der normale Mensch fragen, was die Band denn eigentlich will. Kein Geld verdienen? Gerade in Anbetracht der grassierenden Rezensions-CD-Verstümmelungen seitens einiger Labels mutet dieser Weg der 'Öffentlichkeitsarbeit' an wie die frische Brise im Mief einer tagelang getragenen Survival-Unterwäsche. Wenn der Überlebenskampf der eigentlich bereits im Koma liegenden Musikindustrie mehr solcher 'Gegner' hätte, käme das Biz vielleicht drauf, dass man sich erst Appetit holt und dann 'zuschlägt'. Wer im Ernst kennt denn einige Kilometer außerhalb Hamburgs diese Band?
Genau.
Hat man aber die Witterung erst mal aufgenommen, werden auch Kauf-CDs ihre Abnehmer finden. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Es gibt aber noch einen anderen Grund, den Mammon außen vor zu lassen: Die Freude an der Musik, am Spielen und dies den Fans live im Gesicht abzulesen. Gut, ich gebe zu, auch wir 'beugen' uns ab und an 'freiwillig' dem kaputten Zeitgeist und besprechen eine durch Voice overs oder andere Perversitäten kastrierte Promo-CD. Schließlich ist unser Ziel nicht das Füllen des heimischen Plattenregals, sondern unseren Lesern für sie Wichtiges und Neues vorzustellen. Konsequent wäre es, alle schwanzlosen Promos dahin zu schicken, wo sie herkamen ... . Zumal Bands wie Captain Obvious dafür sorgen, für lau an die Musik zu kommen, die wir mögen. Wie auch die 'ganz kleinen Musikschmieden', die trotz Mini-Etat hochwertige Produkte in hervorragender Aufmachung an die schreibende Zunft schicken, weil sie wissen, wie man potenziellen Käuferschichten die Nase lang macht. Alle anderen, die Großkopferten, werden sich durch die Zeit belehren lassen müssen.
Natürlich verstehen und verurteilen auch wir, dass Promo-Neuerscheinungen von gewissen(losen) 'Redakteuren' vor Veröffentlichung (das ist übrigens auch nach VÖ verboten) über die einschlägigen Seiten verkauft werden. Aber dafür die gesamte Zunft mit wertlosen Mustern zu verärgern ...?
Genug geschimpft und lamentiert. Grund dafür war eh die Begeisterung über diese Musik, die einem quasi frei Haus und umsonst geliefert wird und darum soll es nun auch endlich gehen. Viele Worte werde ich nicht (mehr) machen, denn ihr seid nur einen Klick vom Genuss der Show entfernt - könnt quasi beim Weiterlesen schon hören, was ich meine, wenn ich diese Mischung aus astreinem, unbändigem und unverbrauchtem Jam Rock beschreibe. Die Show vom Februar 2007 ist die erste der Band überhaupt und doch klingen sie wie alte Hasen, die genau wissen, was des Hörers Herz erfreut. "Suddenly" zeigt bereits gekonnte, groovig jammende Gitarren- und Basslines. Dazu immer diese starke, voll fett tönende Orgel.
2005 gründete sich Captain Obvious, vom original Line-up sind die beiden Gründer janrichter und Maui erhalten. Ursprünglich befuhr der 'Captain' die Blues Rock-Schiene, wechselte aber - auch durch Line-up-Wechsel - in Richtung Jam Rock, wobei aber festzustellen ist, dass eine Portion Blues Rock auch auf diesem Konzert unterschwellig mit im Triebwagen sitzt. Eindeutig dominieren aber hammerstarke Jams, getragen vom perfekten Zusammenspiel von Gitarre und Orgel. Ein jammiger Bass, psychedelische Sequenzen und eine weit mehr als nur songdienliche Percussion-Maschine sorgen für unaufhaltsamen Vorwärtsschub. Früher gab es auch Vocals, aber da der südafrikanische Sänger Thabo nicht regelmäßig mitproben konnte, wechselte man zum rein instrumentalen Jam. Und ich müsste lügen, wenn ich bei dieser Musik Text vermissen täte.
Der unbändige Groove wird durch Einsatz von Wah Wah extrem verstärkt und für Dynamik und Spannung sorgen klasse gesetzte Breaks, Rhythmuswechsel sowie das Spiel von fortissimo zu pianissimo und umgekehrt. Die Mischung aus Jam der Marke Widespread Panic und herrlich psychedelischen Passagen à la Pink Floyd machen die Musik von Captain Obvious zum Suchtmittel.
"WhereAmI": Hört euch diesen Track unbedingt mal genau an. Da steckt alles drin, was diese Gattung Musik so besonders macht. Fast alles, den 'Rest' findet man in "Through The Dust". Herrje, die Orgel, die Hooks, das ist Balsam für des Rezensenten Gemüt. Kollege Olli schwärmte vor kurzem von der neuen Siena Root-Scheibe Far From The Sun. Dann passt Captain Obvious auch für dich. Auch Fans der Ozric Tentacles können sich angesprochen fühlen. Überhaupt, es weht ein Geist, der von A wie Allman Brothers bis Z wie Zero reicht.
Für mich, die Entdeckung des Jahres. Dazu kostenlos in Top-Qualität zum Downloaden - Herz, was willst du mehr. Am 1. und 3. Mai wird die Band beim Deadheadmeeting im Plauener Malzhaus den Keller rocken. Ich freu mich für die Heads und schaue traurig auf den Kalender, der mir auch zeigt, dass es leider immer wieder frustrierend ist, nicht selbst Herr seiner Zeit zu sein. Ich hätte Captain Obvious gerne live erlebt. Als 'Trost' bleiben mir aber weitere Shows, die es zum Herunterladen gibt und genau das werde ich nach dem letzen Buchstaben dieser Review auch tun.
Line-up:
Tim Gressler (bass)
Peter Urban (drums)
janrichter (guitar)
Maui (organ, piano, synth)
Tracklist
01:Jingle
02:Suddenly
03:Red
04:Jam
05:Trippin'
06:Asparagus
07:Piano Intermezzo
08:Turko Stylo
09:Captain Obvious In The House Yeah
10:Bass And Drums
11:WhereAmI
12:Through The Dust
13:Jam
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