Carpet / Elysian Pleasures
Elysian Pleasures Spielzeit: 49:08
Medium: CD
Label: Elektrohasch Records, 2013
Stil: Psychedelic Rock

Review vom 22.05.2013


Joachim 'Joe' Brookes
Die von der niederländischen Band Nits besungenen "... Dutch Mountains" gibt es gar nicht. Sehr wohl kann man den Titel des zweiten Albums "Elysian Pleasures" der Augsburger Gruppe Carpet wörtlich nehmen. Die acht Songs sind keine Fiktion und trotzdem motivieren sie den Hörer, nach den akustischen Bauvorlagen der Band sein eigenes Traumschloss entstehen zu lassen.
2009 begann Carpet als Soloprojekt von Maximilian Stephan. Im gleichen Jahr erschien das Debüt "The Eye Is The Heart Mirror". Mittlerweile knüpft der Musiker nicht mehr alleine am Teppich seiner Vorstellungen. Auf der einen Seite spielt natürlich immer noch der Maximilian Stephan und von den anderen drei Seiten nähern sich Jakob Mader, Sigmund Perner sowie Hubert Steiner. Mit ihren durch die unterschiedlichen Instrumente gefärbten eigenen Teil der Teppichknüferei, fließen die Farben zum Zentrum hin, dort, wo sich die vier Künstler treffen, dort, wo man schließlich seine Individualität auch für das gemeinsame Musizieren einsetzt/verändert, immer weiter zusammen. Diese Mitte ist dann auch mit dem Brennpunkt einer Linse zu vergleichen. Das monochrome Licht wird gebündelt und dahinter entsteht im Kopf des Hörers eine kaleidoskopartige Fantasiewelt.
Carpet macht Musik, die man durchaus mit Psychedelic Rock überschrieben kann, allerdings darf man bei dieser Combo doch mit einer nicht unbedingt alltäglichen Auslegung des Genres rechnen. Alleine schon die eingesetzten Instrumente wie Klarinette, Vibrafon, Xylofon oder Waldhorn (von Gastspieler Andreas Unterreiner) legen die Vermutung nahe, dass Carpet ein sehr individuell geprägtes Verständnis vom psychedelischen Rock hat. Um es deutlicher zu sagen ... man kann eher von Psychedelic Jazz mit Prog-Elementen sprechen. Dazu kommt noch ein gehöriges Stück Experimentier- und Improvisationsfreude.
Das am Beginn der Platte stehende Titelstück "Elysian Pleasures" ist gut inszenierter Prog Rock, versehen mit einem anmutigen Gesang. Carpet macht deutlich, wie vielschichtig ihre variable Musik sein kann. Heftige Dynamik wechselt wie andere das Hemd mit tief blau gefärbten, sphärischen Phasen und man kommt irgendwie nicht umhin, sich freiwillig auf diese tollen Klangcollagen einzulassen. In den ersten gut sechseinhalb Minuten mischt Andreas Unterreiner auf der Trompete ordentlich mit.
Der "Elysian Pleasures"-Schmelztiegel ist gerade einmal angeheizt worden und schon gibt es in Form von "Nearly Four" neuen Zündstoff, dieses Mal für die lodernde Flamme der Sechziger-/Siebzigerjahre. Dieser Song ist aus meiner Sicht als eine Hommage, eine tiefe Verbeugung an die Ära zu verstehen. Carpet begibt sich in einem relativ geradlinigen Stück ganz geschickt auf eine Zeitreise. Kompliment! Mit jedem Track wird ein neues Tor für den Hörer geöffnet. Neben der Tatsache, dass die Musiker auf ihren Instrumenten über eine authentische Aussagekraft verfügen, gibt jede Nummer den Blick auf eine anders gestaltete Landschaft frei. In der vom weiteren Gast Jan Kiesewetter gebotenen Saxofon-Achterbahnfahrt in "Man Changing The Atoms" bleibt Carpet zum ersten Mal nicht auf dem bisherigen Teppich. An den vorhandenen Bodenbelag wurde ein Stück drangeknüpft.
"In Tides" zeigt etwas von den Vorlieben der Band. Es hat den Anschein, als sei man nicht ganz abgeneigt, wenn in Zusammenhang mit Carpet auch der Name Pink Floyd fällt. Bevor einem hier noch die Worte ausgehen, müssen die letzten beiden Tracks Erwähnung finden. Anmut pur, Nachdenklichkeit im Einklang mit dahinschmelzender Stimmung. Oh, wie wunderschön ... "Smoke Signals" ist die relaxte Ausnahme der Dynamik. Genau die setzt mit dramatischen Ausläufern wieder in "For The Love Of Bokeh" ein. Nach unterschiedlich langen Kurzfilmen kommt dieses Stück nun in Spielfilmformat auf den geneigten Hörer zu. Über dreizehn Minuten reiht Carpet eine aussagekräftige Phase an die andere. Auch hier lässt die Band nichts für den Rezensenten übrig, um es unter den Teppich zu kehren. Carpet spielt das Meisterstück am Schluss. Die Ideenquelle scheint kein Ende zu haben.
Randbemerkung: Man muss wohl in diese bestimmte Zeit der Babyboomer hineingeboren worden sein, um mit den vielen Schauspielerinnen/Schauspielern (habe ich da irgendwo Maria Andergast gesehen?), Bikini-Mädels oder der Oswald Kolle-Aufklärungswelle etwas anfangen zu können. Das kulinarische Buffet auf der Digipakinnenseite macht Appetit auf die Musik.
Wenn einen Musik grundsätzlich auch auf andere Gedanken bringen soll, dann hat Carpet dies mit "Elysian Pleasures" definitiv geschafft.
Line-up:
Maximilian Stephan (guitars, vocals, minimoog, clarinet, mellotron)
Jakob Mader (drums, percussion, vibraphone, marimba, xylophone, glockenspiel)
Sigmund Perner (Rhodes, grand piano, organ, accordion, mellotron)
Hubert Steiner (bass)

With:
Andreas Unterreiner (trumpet, flugelhorn)
Jan Kiesewetter (saxophone)
Tracklist
01:Elysian Pleasures (6:35)
02:Nearly Four (3:39)
03:Man Changing The Atoms (7:28)
04:In Tides (5:50)
05:Serpentine (4:44)
06:Birds' Nest (4:20)
07:Smoke Signals (3:13)
08:For The Love Of Bokeh (13:19)
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