Für mich war "Jeremias" das aufwändigste und ambitionierteste Projekt, das ich je gemacht habe.
Circle Of Illusion "Jeremias - Foreshadow Of Forgotten" war beileibe nicht die erste Rockoper, die uns in diesem Jahr zur Besprechung vorlag. Es war aber die stilistisch überraschendste und bestach durch ein vielfältiges Arrangement, eine kluge Story und eine tolle Aufmachung. Insgesamt für mich das überzeugendste Opus dieses Genres in diesem Jahr.

Allesamt gute Gründe, dem Mastermind hinter Circle Of Illusion - dem Wiener Pianisten
Gerald Peter - mal auf den Zahn zu fühlen. Schließlich steckt hinter einem solch ambitionierten Konzept eine ganze Menge filigranster Tüftelei...

Fotos: Sabine Böhm (MoreMetal)
Artwork: Florian Solly (Flow Design)

Interview vom 09.11.2013


Steve Braun
RockTimes: Hi, Gerald! Zunächst einmal unsere Glückwünsche zu Eurer grandiosen Rockoper Jeremias - Foreshadow Of Forgotten. Wie ist denn das mediale Echo und bist Du zufrieden damit?
Gerald: Vielen Dank! Es hat bisher einige sehr positive Reaktionen und Reviews in Magazinen aus aller Welt gegeben, womit ich sehr zufrieden bin! In Österreich gibt's relativ wenig mediales Echo - aber aufgrund der kleinen Progressive-Szene in Österreich war das auch zu erwarten.
RockTimes: Wie sind denn die Reaktionen außerhalb des deutschsprachigen Raumes?
Gerald: Es gab einige Reviews aus dem französisch- bzw. englisch-sprachigen Raum (z. B. bei liveprog, lady obscure, music-news.com, music-waves.fr), die alle sehr positiv waren - unter anderem mit Zitaten wie »the best music coming from Austria since Falco.«.
RockTimes: Fünf Musiker, drei Sänger, eine Rockoper - daraus könnte man auch schließen, dass Circle Of Illusion eher ein Projekt als eine feste Band. Ist das so?
Gerald: Es hat als Projekt mit mir alleine begonnen. Später kamen Rupert Träxler und Taris Brown hinzu. Seit 2011 sind wir aber eine Band, die vor hat, mehr Live-Acts zu spielen!
Gerald Peter RockTimes: Seit wann trugst Du Dich denn mit der Idee zu diesem ambitionierten Werk und was hat Dich dazu inspiriert?
Gerald: Die Idee, ein Konzeptalbum bzw. eine progressive Rockoper zu schreiben, trug ich seit 2005 in mir. Da hatte ich begriffen, dass ich das Zeug dazu habe, und dass ich es auch verwirklichen möchte. Inspiriert haben mich sehr stark
Dream Theater mit "Scenes From A Memor" und "Six Degrees Of Inner Turbulence", Neal Morse mit "Testimony" und die Idee, dass Musik in Form einer kontinuierlichen Geschichte bzw. eines durchgehenden Films abläuft.
RockTimes: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Florian Braun [aka Taris Brown] und wie lange hat es letztendlich gedauert, bis das Konzept konkret Gestalt annahm?
Gerald: Wir haben uns durch Zufall im Jahr 2010 in einer Funk-Band kennengelernt. Am Anfang war ich zwar sehr skeptisch, aber seit der ersten Aufnahme-Session war ich sicher: Flo ist der richtige Mann! Als ich ihm dann auch noch von meiner Idee erzählte, das Ganze in eine durchgehende Geschichte zu verpacken, war er begeistert und wir begannen gemeinsam (zu Beginn noch mit einem dritten kreativen Kopf), uns eine durchgehende Geschichte zu überlegen. Später hat Flo dann den Part der Geschichte- bzw. des Texteschreiben alleine übernommen. Die Herausforderung, Texte zu bereits vorhandener Musik bzw. Melodien zu schreiben, hat er wunderbar gemeistert!
RockTimes:... und daran anschließend die berüchtigte Henne-Ei-Frage: Was war zuerst da? Die Band oder das Konzept? Oder andersrum gefragt: Ist die Band speziell nach den konzeptionellen Anforderungen 'zusammengestellt' worden?
Gerald: Das Konzept, die Musik und Komposition war zuerst da. Ich habe mir dann die Leute dafür gesucht, um es auf CD und Bühne umzusetzen. Ich habe dafür die besten Leute in meiner Umgebung gefunden und dafür begeistern können, worüber ich sehr froh bin!
RockTimes: Nach welchen Kriterien wurden die Gastsänger ausgesucht und daran anschließend: Weshalb fiel - neben dem sicherlich 'gesetzten' Florian - die Wahl auf Elga Shafran und Cara Cole?
Gerald: Es gab einige Interessentinnen. Aber wir haben uns dann für jene entschieden, die stimmlich und vom Typ am besten zur Musik bzw. zu dem passten, was wir suchten.
RockTimes: Welche Qualitäten prädestinierten Elga Shafran und Cara Cole für ihre Rollen?
Gerald: Sie haben beide eine tolle Stimme mit einer breiten Range. Elga hat ein wenig eine weichere Stimme und passt daher besser zur Rolle der leidenden Sarah. Cara hat eine kräftige bzw. sexy Stimme und passt daher super zur Rolle der mächtigen und verführerischen Jelena.
Circle Of Illusion RockTimes: Erzähl' doch bitte mal kurz etwas zu den Lyrics. Wovon handelt "Jeremias..." und was ist die 'Message', falls es denn so was gibt?
Gerald: Ganz kurz zusammengefasst: Jeremy verfällt komplett ohne Erinnerungen, ohne zu wissen wer er ist, in eine skurrile, surreale, bedrohliche Traumwelt. Dort trifft er auf die Charaktere Jelena (die 'Herrscherin') und Sarah (seine große Liebe), die ihn auf metaphorische Art und Weise mit emotionalen Konflikten und ungelösten Probleme seiner Vergangenheit sowie großen Gefahren konfrontieren. Die Message gegen Ende und gleichzeitig das Entkommen aus seinem nicht aufhören wollenden Alptraum ist es, nicht mehr vor seinen Problemen davon zu laufen, sondern sich seiner Vergangenheit, seinem Schicksal, seinen tiefsten Ängsten zu stellen und sich selbst für seine eigenen Fehler zu verzeihen.
RockTimes: Die CD ist ja pickepacke voll geworden. Haben Dich und Flo diese magischen 80 Minuten beim Schreiben und Texten irgendwie limitiert - sprich: Musste die eine oder andere Passage weggelassen werden und wird evtl. nur live gebracht?
Gerald: In den ersten Versionen der Titel waren "Beginning" und "Memory" noch länger, da ich genau auf 80 Minuten Länge kommen wollte. Da "Continuum", "13th Floor" bzw. "Nightmare" länger geworden sind als gedacht, habe ich ein paar Passagen aus "Beginning" und "Memory" (die ohnehin etwas langatmige Wiederholungen waren) wieder entfernt. Bei den Texten ist nichts gekürzt worden, da diese ja geschrieben worden sind, als die Musik schon fertig war.
RockTimes: War das Werk bereits komplett fertig auskomponiert als Ihr ins Studio gegangen seid oder kam dort noch einmal eine gewisse Dynamik in die Geschichte?
Gerald: Es war bereits alles komplett auskomponiert.
RockTimes: Der Aufnahmeprozess war sicherlich sehr aufwändig, oder?
Gerald: Ja! Ich selber habe ja schon 2009 die komplette Komposition in MIDI-Form vorproduziert. Seitdem habe ich mit Rupert und den Sängern kontinuierlich an den Recordings gewerkt. Uli, Aaron und Stephan haben das Ganze im Jahr 2012 innerhalb kürzester Zeit zuletzt im Studio eingespielt. Es waren alle sehr ambitioniert bei der Sache. Für mich war's das aufwändigste und ambitionierteste Projekt, das ich je gemacht habe.
RockTimes: Hättest Du gerne ein Orchester eingesetzt? Sicherlich eine Kostenfrage...
Gerald: Natürlich! Aber die Zusammenarbeit mit Orchester ist etwas, das ich auf jeden Fall in Zukunft noch machen möchte!
RockTimes: Wäre eine DVD-Veröffentlichung der Live-Umsetzung eine Option für die Zukunft? Vielleicht ein einmaliges Konzert mit den Wiener Philharmonikern?
Gerald: Tatsächlich hab ich schon öfters darüber nachgedacht. Eine Live-DVD mit Orchester wäre ein realistisches Zukunftsszenario, jedoch eine Budgetfrage.
RockTimes: Deine Keyboards nehmen ja eine zentrale Rolle ein. Ich stelle mir das sehr schwer vor, live umzusetzen oder nimmst Du für Konzerte ein, zwei Tastendrücker hinzu?
Gerald: Ich setze es live alleine um. Dabei habe ich ein recht aufwändiges durchprogrammiertes Keyboard-Setup mit ca. 15 Presets pro Track. Jeder Preset hat im Schnitt vier Splitzonen mit unterschiedlichen Sounds auf zwei Keyboards verteilt. Es gibt ein YouTube-Video, bei dem die 'Tricky-Parts' und Soli demonstriert werden.
RockTimes: Es ist ganz sicherlich finanziell äußerst schwierig, ein solch komplexes Werk 'auf die Straße' zu bringen? Können wir trotzdem in näherer Zukunft mit einer kleinen "Jeremias"-Tour rechnen?
Gerald: Es wird eine große Herausforderung, es umzusetzen - aber es zählt zu den Zukunftspläne! Wann, ist im Moment noch ungewiss!
RockTimes: Ein ganz dickes Lob von meiner Seite für das liebevoll gestaltete Booklet. Wer kam auf diese glorreiche Idee und wer hat die Gestaltung übernommen?
Gerald: Die Idee, die Geschichte komplett als 'Kurzroman-Form' ins Booklet zu geben, stammte von mir, was das ganze Werk auch komplett macht! Die Texte stammen alle von Florian Braun und die tollen Grafiken bzw. das Design von dem sehr talentierten und ambitionierten Grafiker Florian Solly (flowdesign.at). Zwei Gemälde im Booklet (Seite 9 und Seite 11) stammen von meiner Mutter (lacht).
Circle Of Illusion RockTimes: Du hast sicherlich noch andere Projekte am Laufen. Welchen Stellenwert räumst Du Circle Of Illusion für Zukunft ein?
Gerald: Circle Of Illusion ist natürlich mein 'Baby', in das ich sehr, sehr viel Arbeit gesteckt habe. Aber natürlich spiele ich gerne und viel und habe auch andere Projekte am Laufen (z. B. Inspirational Corner). Filmmusik ist überdies auch ein Bereich, der mich sehr interessiert, in den ich mich noch weiter vertiefen möchte. Eine ferne Zukunftsvision wäre es mit Circle Of Illusion und einem Symphonieorchester vor riesigen 3D-Leinwänden selbst komponierte Musik zu 3D-Kunst-Animationsfilmen zu spielen, es als Gesamtkonzert-Multimediashow aufzuziehen und damit auf Tournee zu gehen. Aber in nächster Zeit liegt mein Fokus auf Live-Performen und der Präsentation von "Jeremias".
RockTimes: Wird das nächste Circle Of Illusion-Album wieder ein Konzeptalbum sein oder könntest Du Dir auch vorstellen, ein 'ganz normales' zu machen?
Gerald: Aus derzeitiger Sicht wird mein nächstes Album ein Solopiano-Album (lacht) - danach ist alles noch ungewiss. Aber ich könnte mir schon gut vorstellen, dass "Jeremias" nicht das letzte Konzeptalbum gewesen sein wird. Es wären genug musikalische Ideen vorhanden. Aber da wäre es cool, von Beginn an mit einem Animationsfilm-Studio zusammenzuarbeiten, sodass dabei ein Film entsteht, der auf der Bühne mit läuft.
RockTimes: Gibt es bereits Ideen für eine neue Veröffentlichung? Mit diesem Klassealbum habt Ihr die Messlatte ziemlich hoch gelegt. Siehst Du darin eine Belastung oder eher eine Herausforderung?
Gerald: Derzeit gibt es keine Pläne. Natürlich wird das eine Herausforderung (lacht).
RockTimes: Noch eine Message an unsere Leserschaft?
Gerald: Bitte erzählt allen von Circle Of Illusion, vor allem in euren Freundeskreisen!
RockTimes: Und auch Du musst meine obligatorische Scherzfrage beantworten, wobei hier eine 'freche Schnauze' gefragt ist: Was wolltest Du schon immer mal von einem (Piefke-)Journalisten gefragt werden??
Gerald: Darf ich Dich sponsern?
RockTimes: Wir danken Dir sehr herzlich für dieses Interview und hoffen, bald von einem Konzert von Circle Of Illusion berichten zu können!
Außerdem danken wir Michael Schetter von Generation Prog, der dieses Mail-Interview ermöglichte, und Sabine Böhm von den geschätzten Kollegen von MoreMetal für die Fotos sowie Florian Solly für das Artwork.
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