Cochise / 118
118 Spielzeit: 53:55
Medium: CD
Label: Metal Mind Productions, 2014
Stil: Grunge, Metal

Review vom 20.03.2014


Steve Braun
Nur mal ganz am Rande bemerkt: Polen ist in jeder Hinsicht ein herrliches Land. Aus einer der schönsten Ecken kommt die hier vorzustellende Band - aus Białystok im Dreiländereck zu Litauen und Belarus gelegen. Wer nur ein einziges Mal im Białowieża-Nationalpark war, weiß, wovon ich rede... Auch das Grauen hat dort einen Namen: das ehemalige Ghetto der Stadt, in dem zehntausende Juden und polnische Widerstandskämpfer ermordet oder im Rahmen der 'Aktion Reinhardt' nach Treblinka - in den sicheren Tod - deportiert wurden. Aber auch der Mut hat dort Zeichen gesetzt: Couragierte Untergrundkämpfer gingen nicht wie Schafe zur Schlachtbank, sondern starben mit dem Gewehr in der Hand...
Genau dieses Spannungsfeld vermeint man in der Musik von Cochise, 2004 in ebendiesem Białystok gegründet, vernehmen zu können: Schönheit, Grauen, Verzweiflung aus der Mut wird, Hoffnung - was natürlich nur eine sehr subjektive Wahrnehmung ist.
"118" (nein, es handelt sich nicht um die polnische Notrufnummer - so zumindest mein erster Gedanke) ist bereits das dritte Album der Mannen um den Schauspieler Paweł Małaszyński. Ganz offensichtlich haben die Herren ihre Lauscher bei der 'Heiligen Dreifaltigkeit des Grunge' feinstens gespitzt. Aber hier fließen, ganz wie bei Alice In Chains, sehr viel Heavy Metal und depressive Stimmungen ein. Manchmal wirken Cochise dabei zwischen den atmosphärischen Kapriolen merkwürdig zerrissen, wobei man den Eindruck nicht los wird, dass hinter all dem ein verborgener Plan, ein imaginäres Exposé stehen könnte.
Erneut rein subjektiv betrachtet, gehen mir die - zum Glück sehr zahlreichen - harmonisch 'schönen' Ingredienzien von "118" am besten ins Gemüt. Die härteren Momente sind mir manchmal, nach meinem Empfinden sehr typisch für Grunge, etwas zu wirr. Wobei ich mir im Grunde ziemlich sicher bin, dass genau dies von Cochise beabsichtigt wurde.
Los geht's mit einem düsteren Dreierblock, der 'grungiger' kaum sein könnte, bevor "Beautiful" seinem Namen alle Ehre macht. Dezent hart, mit sphärischen Melodien und deutlich angezogener 'Handbremse' bewegt sich der Song im angenehm druckvollen Midtempo-Bereich. "Bleed" packt dann sehr beherzt zum 'Edelstahl', allerdings auch hier wieder mit überaus griffigen Harmonien.
Dann folgt ein ganzer Balladen-Block: "Part Of Me", "Cold River", "Before You Sleep" - eine schöner wie die andere... mal härter, mal 'zärter'!! Eine friedliche Szenerie, die von "Dog In Blood" kurzerhand zerknüppelt wird, bevor in "Help" wieder der Grunge 'zu Hilfe' gerufen wird. Mit dem wunderschön zartherben "Little Witch" wird "118" mit der wohl eindrücklichsten Nummer zauberhaft beendet...
Kann man vielleicht nun nachvollziehen, was ich vorhin mit meinem Gestammel von 'zerrissen' meinte???
"118" - handelt es sich, analog zu dem Mystery-Spielfilm und Neoklassiker "Zimmer 1408", schlicht um eine Zimmernummer? Einen "Panic Room"?? Sänger Paweł Małaszyński hielt sich im Rahmen seiner Tätigkeit als Schauspieler oft in Hotelzimmern auf - auffallend viele trugen die Nummer 118. Er verbindet diese Zimmernummer mit einem intimen, manchmal klaustrophobischen Ort, angefüllt mit den emotionalen Hinterlassenschaften der Vormieter. (Wer polnische Hotelzimmer kennt, weiß, wovon er spricht - das sei aber nur scherzhaft nebenbei bemerkt.)
Hochspannend wie dieses ominöse 'Zimmer 118' ist auch unser östliches Nachbarland - auch und gerade musikalisch. Cochise haben sich als eine weitere interessante Facette dieser filigranen Kunstszene entpuppt!
Line-up:
Paweł Małaszyński (vocals)
Wojtek Napora (guitar)
Radek Jasiński (bass)
Czarek Mielko (drums)
Tracklist
01:Sweet Love Generation (3:58)
02:Destroy The Angels (5:18)
03:White Garden (2:51)
04:Beautiful (4:11)
05:Bleed (4:34)
06:Inside Of Me (3:51)
07:Dead Love (3:20)
08:Part Of Me (4:01)
09:Cold River (5:03)
10:Before You Sleep [For Jeremy] (6:08)
11:Dog In Blood (0:58)
12:Help (3:42)
13:Little Witch (5:50)
Externe Links: