Various Artists / ACT: 15 Magic Years
ACT: 15 Magic Years Spielzeit: 76:19
Medium: CD
Label: ACT, 2007
Stil: Jazz

Review vom 02.06.2007


Joachim 'Joe' Brookes
Drei Buchstaben, zwei Ziffern…
Das mittlerweile in München beheimatete Label ACT feiert 15-jähriges Jubiläum!
Durch den Chef, Siegfried Loch (Jahrgang 1940), hat sich das Independent-Label mit über 200 Veröffentlichungen im Laufe seiner Existenz zu einer renommierten Adresse für viele Künstler und Bands entwickelt, die eine große Spanne verschiedenster Jazz-Stile vertreten und bereits mit einigen Auszeichnungen geehrt wurden.
Im Fokus stehen einerseits Musiker aus Skandinavien (Nils Landgren, e.s.t. Esbjörn Svensson Trio, Ulf Wakenius, Lars Danielsson oder die Sängerinnen Viktoria Tolstoy und Rigmor Gustafsson) und andererseits werden Nachwuchskünstler aus Deutschland gefördert.
Siegfried Loch ist Synonym für ein Leben mit und für die Musik.
In enger Verbindung mit ihm stehen bedeutende Namen der Szene: Klaus Doldinger, The Rattles, Katja Ebstein, Amon Düül, Can, Heinz Rudolf Kunze, Marius Müller-Westernhagen oder Al Jarreau.
1998 wurde Siegfried Loch für sein Lebenswerk mit dem Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet.
Es darf also gefeiert werden!
So vielfältig, wie die Musik des Labels, fallen auch die Feierlichkeiten zum Jubiläum aus.
Loch hat nicht nur ein Herz für die Musik, sondern verlinkt diese mit der Kunst. Viele Label-Musiker wurden durch Bilder seiner Sammlung zu musikalischen Interpretationen inspiriert.
Unter dem Titel "Paint It Blue" können in der Zeit vom 11. März bis 3. Juni 2007 im Museum für Moderne Kunst, Weserburg (Bremen) ausgestellte Werke betrachtet werden. Im gleichen Zeitraum gibt es noch eine Sonderausstellung unter dem Motto: "Photos: Siggi Loch. 50 Jahre Musikgeschichte festgehalten mit seiner Kamera."
Es darf also (weiter) gefeiert werden!
Am Freitag, dem 6.7.2007 findet ein 'Jubilee Concert' in der Essener Philharmonie statt. Auftreten werden drei Acts: Michael Wollny (piano), das radio.string.quartett.vienna und die Sängerin Rigmor Gustafsson.
Tags darauf hat man die Gelegenheit das Traumzeit-Festival im Landschaftspark Duisburg-Nord-Kraftzentrale zu besuchen. Zum Auftakt spielen [em] Wollny/Kruse/Schaefer gefolgt von Vince Mendoza, der sein Projekt "Blauklang" mit den Musikern Nguyên Lê, Markus Stockhausen, Claudio Puntin, Steffen Schorn, Arkady Shilkloper, Lars Danielsson, Peter Erskine, Christopher Dell u.a. vorstellt.
"Blauklang" ist eine WDR-Auftragskomposition, in der Bilder des Malers Ernst Wilhelm Nay in Töne umgesetzt wurden. Zur Live-Musik werden die Bilder des Künstlers via Slide-Show gezeigt.
Parallel findet vom 5. bis 29.7. in der Cubus Kunsthalle, Duisburg eine weitere Loch Foto-Ausstellung statt. Doris Janicki, Bürgermeisterin der Stadt Duisburg, hält die Eröffnungsrede und die musikalischen Beiträge kommen von Ulf Wakenius (guitar).
Es darf also (zuhause) gefeiert werden!
Mit dem Album "15 Magic Years".
Diese randvolle CD bietet einen hervorragenden Einblick in die durch viele Musiker des Labels präsentierte Musik. Na ja, dann doch mit einigen Ausnahmen, sollte man hinzufügen. Einen Konnex zum Blues hatte auch ein Siegfried Loch: In den Jahren 1963-1965 war er der Produzent der "American Folk Blues Festival"-Alben.
Kein Wunder, dass das Jubiläums-Album mit John Lee Hooker eröffnet wird. "Della Mae" ist natürlich feinster Blues im bekannt guten Hooker-Stil vom 1965er-AFBF mit Buddy Guy am Bass.
Das Trio [em] Wollny/Kruse/Schaefer gibt es erst seit 2002 und "Funèbre" stammt von seinem aktuellen Werk "[em] II". Young German Jazz: Fürwahr, denn der Pianist Michael Wollny ist noch keine 30 Jahre 'alt'. Beeindrucken kann das Zusammenspiel von Wollny und Eva Kruse am akustischen Bass. Der Song ist zum Ende hin toll 'improvisierter' Jazz. Ruhige meditative Phasen wechseln mit der Lebhaftigkeit einer Großstadt.
ACT bietet nicht nur instrumentalen Jazz. Die schwedische Sängerin Viktoria Tolstoy veröffentlichte bereits als 22-jährige 'unter den Fittichen' von Esbjörn Svensson ihr erstes Album mit dem Titel "White Russian". Herrlich verträumten Soul-Jazz liefert sie mit ihrem Beitrag "Shining On You" für "15 Magic Years" ab. Gesegnet mit einer einfühlsamen Stimme, getragen von einem klasse Chorus und einem gefühlvollen Nils Landgren-Posaunensolo ist der Track ein Hinhörer.
Beim Lesen der Tracklist auf der Rückseite des Digipacks, dem ein 71-seitiger Katalog mit allen Veröffentlichungen des Labels beiliegt, stößt man unvermittelt auf den Namen Norah Jones, die für zwei Songs als Gast auf der CD "Free Country" (2002) des Gitarristen und Sängers Joel Harrison am Mikro stand. Damals war die Jones ein unbeschriebenes Blatt und das ruhige, atmosphärische "Tennessee Waltz" hat durch Rob Thomas (violine) und Tony Cedras (accordion) einen gewissen Country Jazz-Flair. Man meint, dieser Pee Wee King/Redd Stewart-Klassiker ist ihr wie auf den Leib geschrieben.
Vocal Jazz von einer weiteren Schwedin, Rigmor Gustafsson, hören wir in "Fragile", einem Track vom "Sentimental Journey"-Album des Posaunisten und Sängers Nils Landgren. Die Wirkung von "Fragile" auf den Hörer ist nicht von peripherem Charakter. Musik, die unter die Haut geht! Landgrens und Rigmors Gesang sind kontrastierend, im Duett findet jedoch ein Synergie-Effekt statt.
Schließlich kommen wir mit "Mangusto" und der Sängerin Huong Thanh zu einer Variante des Jazz, die mit traditionellen vietnamesischen Elementen gemischt wird. Mächtige Trommeln eröffnen den Song und wahrlich, diese Spielart des Jazz versetzt einen ins Mekong-Delta. Erinnert der erste Teil der Nummer an eine Art Tempelmusik, treten die dominanten Trommeln in den Hintergrund und der instrumentale zweite Teil ist Traummusik mit südostasiatischem Einschlag.
Für Jazz mit tradierten Elementen steht auch Bengt-Arne Wallin, das Jazz Baltica Ensemble und der polnische Trompeter Tomasz Stanko. Wallin veröffentlichte 1962 auf Rat von Quincy Jones die Folk Jazz-Platte "Old Folklore in Swedish Modern". Neu arrangiert war 1998 der Rerelease "The Birth And Re-Birth Of Swedish Folk Jazz" ein absolutes Highlight im ACT-Katalog und wenn man den Song nach fast zehn Jahren nun auf dem Sampler anhört, ist es noch stets ein Höhepunkt. "Down By The Old Well" ist eine Live-Einspielung vom JazzBaltica-Festival aus dem Jahr 1997. 14 Musiker, in der Mehrzahl Bläser, liefern ein einzigartiges Dokument des Folk-Jazz im Big Band-Sound, über dem Tomasz Stanko 'thront', ab. Es ist mir ja schon einiges an Jazz zu Ohren gekommen, aber diese vor Originalität, Tradition und Neuzeit strotzende Nummer ist einfach nur beeindruckend.
Ganz am Ende der CD findet man mit "Tangos" einen Track aus der allerersten Produktion des Labels: "Jazzpaña", die WDR-Bigband dirigiert vom Songschreiber Vince Mendoza mit den Gastmusikern Al Di Meola (guitar) und Michael Brecker (tenor saxophone). Akustische Flamenco-Gitarren (Los Jovenes Flamenco) treffen auf flirrende Big Band-Arrangements. Perkussive Elemente von Freddie Santiago geben zusätzliche Würze und dann sind da ja auch noch die amerikanischen Jazzer Meola und Brecker. Variantenreich wird über das Thema "Tangos" interpretiert und damit wird "15 Magic Years" die Krone aufgesetzt.
Die WDR-Bigband zum Zweiten: Die Zusammenarbeit mit dem Drummer Bernard Purdie endete im Album "Soul To Jazz" (1996). Im Line-up findet sich neben Michael Brecker auch sein Bruder Randy sowie der Saxofonist Eddie Harris. "Wade In The Water" ist ein weiterer Klassiker und spannungsgeladener gute Laune verbreitender Jazz.
War der Kontrast von John Lee Hooker zu Michael Wollny zu Beginn der CD schon groß, manifestiert sich dieser in "Walk Tall" von der Nils Landgren Funk Unit. Der Bandname ist, zumindest für Nat Adderleys "Walk Tall", Programm: Funk-Jazz at it's best! Sowohl Henrik Janson (guitar), als auch Esbjörn Svensson (keyboards) sind die ersten Glanzlichter des Songs, gefolgt von einem Bläser-Gewitter der Brecker Brothers und Till Brönner. Rhythmische 'Unterstützung' liefert kein geringerer als Airto Moreira.
Dieser Svensson ist ein wahrer Hexer auf den Tasten und mit seiner eigenen Band, dem e.s.t. Esbjörn Svensson Trio ist er durch "Dodge The Dodo" vertreten. Melodische Piano-Läufe begegnen einem treibenden Drum-Rhythmus und was Dan Berglund seinem Doublebass an Tönen entlockt, ist meisterlich verwegen.
Die Review darf nicht enden, ohne wenigstens noch auf einen Track der CD einzugehen:
"Black Is The Colour Of My True Love's Hair" aus dem Album "Europeaña" (1993) des deutschen Jazz-Pianisten Joachim Kühn, der die Platte seinerzeit mit der NDR Radio Philharmonie einspielte. Neben Django Bates (horn) hören wir auch 'Mr Tatort' Klaus Doldinger (soprano saxophone) und Albert Mangelsdorff (trombone). Dank Oboe und Streicher könnte man den Track glatt als Klassik-Jazz bezeichnen.
Das, was Siegfried Loch mit seinem Label ACT und den Künstlern leistet, gebührt höchste Anerkennung und der Rezensent zieht den Hut vor der beeindruckenden Vielfalt des hier gebotenen Jazz.
So trifft der Sampler-Titel "15 Magic Years" voll ins Schwarze!
Es müssen magische 15 Jahre gewesen sein und wir gratulieren nicht nur zu den vergangenen Jahren, sondern wünschen weitere magische Jahre…
Tracklist
01:John Lee Hooker - Della Mae (3:15)
02:[em] Wollny/Kruse/Schaefer - Funèbre (4:45)
03:Lars Daniellson/Nils Petter Molvaer - Asta (5:35)
04:Nils Landgren/Rigmor Gustafsson - Fragile (3:13)
05:David Binney/Chris Potter/Uri Caine/Brian Blade - The Global Soul (4:10)
06:Viktoria Tolstoy - Shining On You (4:03)
07:Gerardo Núñez/Michael Brecker/Chano Dominguez - Calima (4:44)
08:Norah Jones/Joel Harrison - Tennessee Waltz (4:22)
09:Tomasz Stanko/Jazz Baltica Ensemble - Down By The Old Well (6:51)
10:e.s.t. Esbjörn Svensson Trio - Dodge The Dodo (5:15)
11:Soriba Kouyaté/Paolo Fresu/Linley Marthe - Massanicissé (4:14)
12:Eddie Harris/Nils Landgren/WDR Big Band - Wade In The Water (4:45)
13:Nils Landgren Funk Unit/Esbjörn Svensson - Walk Tall (5:17)
14:Nguyên Lê/Huong Thanh/Paolo Fresu - Mangusto (4:08)
15:Joachim Kühn/Django Bates/Michael Gibbs - Black Is The Colour Of My True Love's Hair (4:42)
16:Vince Mendoza/Al Di Meola/Michael Brecker - Tangos (7:08)
Externer Link:
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