In The Spirit Of Crazy Horse / Songs For Leonard Peltier
In The Spirit of Crazy Horse - Songs for Leonard Peltier
Eines Tages unterhielt ich mich mit einem Kollegen über Klänge, Sounds und High-End. Er erzählte von einer Platte, die er sich in den USA gekauft hatte, weil er bei einem bestimmten Song den Sound so klasse fand. Diesen Song hatte er in einem Native-Shop in einer Reservation gehört. "Das war unglaublich. Die Trommeln brachten den Dielenboden in Resonanz. Mir standen vor Begeisterung die Tränen in den Augen."
So seine Worte, aber er legte gleich nach:
"Den Rest der Platte kannst du abhaken. Lahmes Zeug, wie Country, nur eben miese Country Musik."
Als Freund des schIechten Geschmacks war mein Interesse natürlich sofort geweckt. Ich lieh mir die Scheibe aus und war, aus dieser Warte gesehen, bitter enttäuscht. Schon der erste Song traf mich voll ins Herz. "Miese Country Musik", hatte der gesagt. Was ich hörte war exzellentes Singer/Songwriter Material, überzeugend vorgetragen und mit "sad" Texten, die vom Schicksal der heutigen "Native Nation" erzählen.
Die CD ist politisch. Die Songs sind zusammengetragen für das "Leonard Peltier Defense Committee". Der Namensgeber sitzt seit Jahren unschuldig in Haft und hat für die Native People den gleichen Stellenwert wie Nelson Mandela für die Ureinwohner Südafrikas.
Die meisten der Künstler sind in Deutschland gänzlich unbekannt. Einige andere aber nicht. Bruce Cockburn sollte vielen Musikfans ein Begriff sein, eben so wie Buffie Sainte-Mary. Den Namen Joanne Shenandoah haben vielleicht auch einige schon gehört. Schließlich hat sie mit Peter Kater zusammengearbeitet, der in der Indianermusik- Szene einer der Häuptlinge ist. Sie ist übrigens gleich mit zwei Stücken auf diesem hervorragenden Sampler vertreten. Wie den Eingangssätzen zu entnehmen ist, handelt es sich nicht um das, was so oft als "Indian Music" gehandelt wird. Kein Pow-Wow, kein War Dance, kein Rain Dance und kein HE-NA-NANA.
Den Anfang macht Joanne Shenandoah mit "Please Sign Here". Es ist ein tragischer, schwermütiger Song mit einem tragischen Text und einem bezeichnenden Refrain: "Please sign here, put your name on the line,
don't worry 'bout the fine print, please sign here."

Joanne singt ihn ausdruckstark und schon bei den ersten Zeilen wird klar, das man mit diesen Leuten nicht tauschen möchte. Im Hintergrund hört man typische Indianerpercussion und die Flute spielt dazu traurige Melodien.
Von einem kurzen, flotteren Akkustikgitarren-Riff getragen werden die Strophen von "Eagle Horse". Die Harmonica stimmt in den beklemmenden Bericht des Interpreten Mitch Walking Elk ein und macht sein Anliegen irgendwie drängend. Auch bei diesem Song zeigt sich, dass die Native Artists ihren eigenen Stil behalten, auch wenn sie auf "unauthentischen" Instrumenten spielen. Da ist dieser ganz bestimmte Takt, dieser unglaubliche Rhythmus, der in jedem der Songs auftaucht.
Ellan Klaver setzt nach mit dem ähnlich instrumentierten "Dakota Wind". Die Harmonica wird zwar durch die Flute ersetzt, aber das besonders passend. Auch Ellen Klaver hat zu erzählen und zwar vom Wind der von den Black Hills herabweht:
"And the wind blows down from the heart of the Black Hills.
And it cries across the claims: Dakota Wind.
Blowin' all around through the cities and prisons
Calling out for justice for Leonard Peltier
Calling out for freedom for Leonard Peltier."
Die Gesangslinie von "Pray For The People" geht Carolyn M. Brittell im Strophenteil etwas hektischer an. Ihr Beitrag erzählt die nächste Facette vom immer noch währenden Freiheitskampf der nordamerikanischen Indianer. Hier wird auch der Feind eindeutig genannt: das FBI. Der Song ist sparsam instrumentiert, aber ohne die typischen Percussion zu vernachlässigen.
Die Akustikgitarre intoniert einen Indianerriff, anders kann man wohl nicht sagen. Kaum ein Song ist besser dazu geeignet, aufzuzeigen, wie die Künstler ihre Roots und ihre Herkunft in ihre Musik übertragen. Viel mehr als seine Gitarre und die weibliche Unterstützung beim Refrain braucht Larry Long bei "Anna Mae" auch nicht. Hier geht es textlich auch um die Wahrheit von "Wounded Knee" und die "Schuld Leonand Peltiers."
Mit "Not For Sale" versucht Alice di Micele klar zu machen, dass nun Schluss sein muss mit dem Ausverkauf der Indianerkultur. Auch ihre Religion und vor allen Dingen ihr Refugium, die legendären Black Hills, stehen nicht mehr zum Verkauf an - allen Einschüchterungen zum Trotz. Mit einer modern klingenden Produktion wartet dieser Song auf. Er ist fast schon peppig, was dazu führt, dass der Kontrast zu den bisher behandelten Songs ziemlich krass erscheint.
"Stolen Land" von Bruce Cockburn ist ein Live- Mitschnitt aus August 1989. Aufgenommen wurde im kanadischen Toronto. Der Song wird von der beeindruckenden Trommel- und Percussionarbeit Michael Sloskis beherrscht. Mehr als die Percussion, die Stimme Bruce Cockburns und seinen anklagenden Text benötigt "Stolen Land" nicht, um ein heimlicher Höhepunkt der Scheibe zu sein. Die Trommelparts von "Stolen Land" waren übrigens der Grund, warum sich mein Kollege seinerzeit die CD gekauft hat.
Einen Gang zurück schaltet Joanne Shenandoah mit "You're A Brave One". Die Instrumentierung ist ähnlich wie bei "Please Sing Here", aber die typisch Native Percussion lässt die Prärie noch klarer vor dem inneren Auge erscheinen. Auch die Flute ist weit im Vordergrund. Dazu kommt ein Mittelteil mit Harmonika und Synthesizer, die in perfekter Harmonie die traurige Stimmung untermalen.
Der "Song For Leonard Peltier" war lange Zeit mein Fave auf dem Album. Wie bei "Anna Mae" wird die Akustikgitarre in einem indianischem Stil angeschlagen. Jim Page singt Strophe auf Strophe bevor er im Refrain fragt:
"How many has gone before, and tell me how many more must be lost to the Indian war?"
Eine weitere Besonderheit ist Pages Intonation des Textes. Ähnlich wie mit der Gitarre akzentuiert der Künstler auf seine ganz eigene Art und Weise.
Das Piano kommt bei Julie Robbins "A Crime That Isn' t Mine" zum Einsatz. Die Dame singt mit großem stimmlichen Volumen und einer geradezu fühlbaren Leidenschaft ihre Botschaft in die Welt. Das später einsetzende Schlagzeug und die Backing-Vocals im Refrain machen diese Nummer zu einem tollen Folk-Rock Song.
Jim Page darf noch mal ran. "Blow Dakota Blow" ist eine Folk Nummer, die vom Melodiebogen auch in Irland hätte geschrieben sein können. Auch die Flute- Arrangements erinnern ein wenig an die grüne Insel. Page nimmt sich für seine Ode 6:19 Minuten Zeit, und die ist auch für den Hörer nicht verschwendet.
"Partiot" von Steven van Zandt wird auf der Compilation von der Band City Folk beigesteuert. Eine gut arrangierte und produzierte Nummer mit partiellem mehrstimmigen Gesang.
Der letzte Song des Albums ist von Buffy Sainte-Mary. "Bury My Heart At Wounded Knee" ist eher ein Rock- als ein Folk Song. Keyboards und E- Gitarre sind auf dem Sampler selten, nicht aber auf der Scheibe, von der dieser Song ursprünglich stammt: Coincidence And Likely Stories ist der Sainte-Mary-Output aus dem Jahr 1992 und klingt ebenfalls ziemlich modern. Textlich ist der Song eine einzige Anklage:
"My girlfriend Annie Mae talked about uranium.
Her head was filled with bullets and her body dumped.
The FBI cut off her hands and told us she'd died of exposure."

Buffys Timbre mit dem leichten Vibrato gibt dem Song eine bestürzende Dramatik.
Den Abschluss der CD bildet ein kurzes Interview, das mit dem einsitzenden Leonard Peltier übers Telefon im Jahr 1988 geführt wurde.
Sicherlich ist In "Spirit of Crazy Horse" keine leichte Kost. Wer sich aber anhören will, was die Nordamerikanischen Indianer wirklich zu sagen haben, sollte sich diese CD zulegen. Mich hat sie jedenfalls dazu gebracht, bestimmte Dinge auch mal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Auch wer sich mit den Texten nicht beschäftigen möchte, bekommt schon von der Akzentuierung der Melodien einen Einblick in das Wesen und in die Wurzeln der Native Nation. Denn auch, wenn man die politischen Absichten dieser Compilation ausser acht lässt, bleibt sie ein tolles Stück Folk- bzw. Folk Rock.
Mein Appell: Bevor ihr euch die nächste "Meditative Indian Music"- CD oder eine weitere Pow-Wow-Scheibe zulegt, probiert es erst mit "In Spirit of Crazy Horse".
Spielzeit: 65:13, Medium: CD, Red Feather 1993
1:Please Sign Here 2:Eagle Horse 3:Dakota Wind 4:Pray For The People 5:Anna Mae 6:Not For Sale 7:Stolen Land 8: You're A Brave One 9:Song For Leonard Peltier 10:A Crime That Isn't Mine 10:Blow Dakota Blow 11:Patriot 12:Bury My Heart At Wounded Knee
Olli "Wahn" Wirtz, 24.11.2004