Midnight Rider
A Tribute To The Allman Brothers Band
Midnight Rider Spielzeit: 61:14
Medium: CD
Label: Goldenlane Records (Cleopatra Records), 2014
Stil: Southern Rock

Review vom 16.07.2014


Ulli Heiser
Wenn es eine Band verdient hat, mit einem Tribute-Album, eingespielt von namhaften Musikern, geehrt zu werden, so gehört die Allman Brothers Band ganz weit nach oben auf der Vorschlagsliste.
Man hat sich als Musiker allerdings kein leichtes Ziel gesteckt, denn es wird sich an Nummern gewagt, die so tief in Ohr und Hirn verwurzelt sind, dass man als Hörer fast Angst hat, die Scheibe in den Player zu werfen. Ja, man wagt sich an eine Band, die vielen heilig ist; eine Band, die trotz einiger Todesfälle sowie Besetzungswechseln stets nach den ersten Takten unverwechselbar identifiziert wird.
Die Allman Brothers Band kommt aus dem Süden der USA. Genauer gesagt, erblickte sie in Jacksonville, Florida im Jahre 1969 das Licht der Welt. Die Brüder Duane und Gregg Allman, Dickey Betts, Butch Trucks, Berry Oakley sowie Jai Johanny 'Jaimoe' Johanson stellten die Urbesetzung und gelten als die Väter des Southern Rock. Dabei ist diese Spielart bei Weitem nicht das einzige Pfund, mit dem die ABB wucherten. Ihre Musik beinhaltet gehörige Portionen Blues, hier und da auch jazzige Strukturen und besonders live jammige Auswüchse. Ihr Album "At Fillmore East" beweist dies eindrucksvoll und gehört zu den besten Livescheiben, die man seinen Ohren gönnen kann. Mit diesem Album schafften sie den Durchbruch und so finden sich richtigerweise auch Nummern daraus auf diesem Tribut-Sampler.
"Whipping Post", stimmlich dargeboten von Southern-Rocker Jimmy Hall (Wet Willie), erfährt durch Steve Morse adäquate Gitarrenunterstützung. Der Charakter dieser Nummer wird perfekt transportiert, wie auch (erstaunlicherweise) bei "In Memory Of Elizabeth Reed" von Blueser
Eric Gales. Seine Interpretation lässt nichts vom Original vermissen. Leider kann ich das von Blues-Kollegin Debbie Davis nicht behaupten. Ihr "Soulshine" kommt mir etwas zu schwachbrüstig daher. Das mag sicher daran liegen, dass man bei diesem Stück andere, gewaltigere Stimmen im Ohr hat. Klasse aber das Orgelspiel von Melvin Seals (Jerry Garcia Band) und auch die Gitarrenarbeit von Frau Davies. Und bevor mir jetzt Bluesfans oder gar Feministinnen den Alligator in die Badewanne wünschen: Die Nummer ist nicht vermurkst, aber dieses Stück schreit unbedingt nach einer absolut kräftigen (männlichen?) Stimme.
Vielleicht naturgemäß sind besonders die Songs, die von Southern-Rockern intoniert werden, eine ganz andere Klasse. Die Molly Hatchet-Version von "Melissa" lässt den Swamp dampfen und auch Artimus Pyle (Ex-Lynyrd Skynyrd) ist mit "Blue Sky" ganz tief im Süden verwurzelt. Als durchaus gelungen geht auch Pat Travers mit dem "Midnight Rider" durch. Sicherlich härter gespielt, aber das ist dieser Nummer nicht abträglich. Auch dem "Ramblin' Man" erfährt durch die Sangeskünste der Oak Ridge Boys nichts Negatives. Den quirligen Grundtenor der Nummer, die Blueser
Tinsley Ellis' Gitarre veredelt, kann anscheinend nichts und niemand zerstören.
Ganz anders ist das bei "I'm No Angel". Gut, dieser Song stand noch nie auf meiner Liste mit guten Allman-Songs. Und ein Leon Russell, den ich ansonsten sehr schätze, ändert nichts daran. Mit Sicherheit ist "I'm No Angel" eine Nummer, die Leon steht, aber seine Art des Musizierens passt meiner Meinung nach nicht in den Kontext dieses Albums. Allerdings sind die 'Zutaten' von Reese Wynans (Stevie Ray Vaughans Double Trouble und Ronnie Earl (Ex-Roomful Of Blues) nicht von schlechten Eltern.
Natürlich darf eine der besten Instrumentalnummern des Rock, "Jessica" nicht fehlen. Roy Rogers (nein, natürlich nicht der singende Cowboy, sondern ein Blues-Gitarrist), Progger John Wesley und Jim Eshelman gehen in diesem alles überrollenden Stück richtig auf und es sprudelt dermaßen vital aus den Lautsprechern, dass es die wahre Freude ist. "One Way Out" wird durch Robben Ford und Martin Gerschwitz äußerst lebendig dargeboten. Besonders die instrumentalen Passagen sind ein Genuss. Die Vita des Deutschen Martin Gerschwitz ist durchaus interessant: Man kennt ihn von Bands wie Vanilla Fudge, Iron Butterfly, Walter Trout, Eric Burdon und Percy Sledge. Aber auch mit Howard Carpendale stand er auf der Bühne. Sollte also einmal die Frage kommen, was die Allman Brothers Band mit Howard Carpendale verbindet, dann gibt es nun eine Antwort ...
Mit fast brachialer Härte zelebriert Eli Cook den "Statesboro Blues", während "Southbound" lecker lockeres Feeling verströmt. Commander Cody und die Slidegitarre Sonny Landreths jammen wunderbar durch viel zu wenige Minuten.
Tja, alles in allem eine schöne Tribut-CD. Wenn auch die Überlegung erlaubt sein muss, ob man denn nicht besser gleich die Originale auflegt. Das muss jeder selbst entscheiden. Aber es ist schon interessant zu hören, wie andere die Musik der Allmans spielen. Und dass es gerade diese Truppe verdient hat, in dieser Form geehrt zu werden, schrieb ich bereits eingangs.
Tracklist
01:Midnight Rider - Pat Travers
02:Ramblin Man - Oak Ridge Boys, Tinsley Ellis & Kevin McKendree
03:Melissa - Molly Hatchet
04:Blue Sky - Artimus Pyle Band
05:Whipping Post - Jimmy Hall & Steve Morse
06:Jessica - Roy Rogers, John Wesley & Jim Eshelman
07:One Way Out - Robben Ford & Martin Gerschwitz
08:Soulshine - Debbie Davies & Melvin Seals
09:Statesboro Blues - Eli Cook
10:In Memory Of Elizabeth Reed - Eric Gales
11:Southbound - Commander Cody & Sonny Landreth
12:I'm No Angel (Greg Allman solo) - Leon Russell, Reese Wynans & Ronnie Earl
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