»Ich bin Staub.
Ich will nie wieder zu Staub werden.
Aus Staub bist du gekommen und zum Staub wirst du wieder.
Das ist eine Lüge!
Wir sind alle bewegter atomarer Staub.
Liebt diesen atomaren Staub!
(aus "Dust")«
Die vertonten Gedanken eines zutiefst menschlichenfreundlichen Wissenschaftlers können zuweilen ziemlich 'abgedreht' sein, in metaphysischen Sphären kursieren, zu denen wir Normalsterbliche wohl niemals Zutritt erhalten werden... {Ø}
Ver-rückt (im wahren Wortsinn) präsentiert sich "Immediate Eternity II" des Avantgardemusikers Copernicus, aus dem quirligen Musikschmelztiegel New York City - eine Neueinspielung, die bereits vor elf Jahren erstmals erschien. Und in hohem Maße anstrengend...
Ihr kennt das bestimmt: "Immediate Eternity II" ist eine Platte, die man nach zwei gehörten Stücken am liebsten in der Wertstofftonne entsorgen würde. Zwei weitere - man erkennt das Grundmuster und horcht auf. Noch zwei weitere - und man ist gebannt: abgestoßen und fasziniert zugleich. Während der Silberteller langsam ausrotiert, hat sich bereits die Meinung verfestigt, dass das Gehörte in jedem Fall eine Besprechung wert ist, selbst wenn der begriffsstutzige Rezensent vielleicht nicht alles verstanden hat... wahrscheinlich auch niemals verstehen wird.
Copernicus - allein der Sternenstaub weiß, wie er wirklich heißt - hat eine tiefe Verbundenheit zu Equador. "Immediate Eternity II" hat er, wie die Ersteinspielung auch, in diesem südamerikanischen Land mit einheimischen Musikern aufgenommen und sowohl in einer spanischen wie einer englischen Variante herausgebracht. Eine Tour führte ihn seinerzeit in 25 Städte Equadors und bescherte dem eigenwilligen Sänger und Synthesizerspezialisten einen ungeahnten Erfolg - bis heute. Ursprünglich waren es die niedrigen Produktionskosten, heute verbindet Copernicus bedeutend mehr mit diesem kleinen Land.
"Immediate Eternity II" erscheint wie eine Vorlesung in einem philosophischen Seminar zum Thema 'Menschlichkeit'. Die zehn Texte entpuppen sich als ein einziger Schrei danach, ein eindringlicher Appell an die Gesellschaften, die Politik, jedes einzelne Individuum. Und eine Erinnerung an die altbekannte These, Realität könne niemals mit menschlichen Augen gesehen werden. Man müsse andere Wege finden... Copernicus entlarvt dabei den Makrokosmos als reine Illusion. Für ihn existiert nur der Mikrokosmos, auf atomarer Ebene.
An dieser Stelle würde die philosophische Toleranzschwelle für ein Review überschritten werden, deshalb die Konzentration auf die Musik. Wer sich von dieser zum Kauf animiert fühlt, wird alle Texte im Booklet finden und daraufhin tief in Copericus'sche Gedankenwelten eintauchen können.
Musikalisch kann "Immediate Eternity II" grob ins Jazz-Raster 'einrasten', allerdings in besonders avantgardistische Nischen. Auch hier akzeptiert Copericus keine Grenzen und bricht sie folgerichtig bei jeder Gelegenheit. Manchmal erinnert er frappierend an Gil Scott-Herons "The Revolution Will Not Be Televised" (in "Absolute Truth Is Possible") - an anderen Stellen schweift er in klassische Gefilde ab ("There Is No Difference", ein hübscher Walzer) - der gesangliche Vortrag orientiert sich in seiner teilweise manieriert wirkenden Theatralik stark am Vorbild des 'klassischen' Musicals.
Aus dem Musikerkollektiv ragt eindeutig Gitarrist César Aragundi heraus, der seine Parts oftmals mit einer beißend-rockigen Schärfe einbringt. Seine stets brillanten Soli heben regelmäßig in extraterrestrische Sphären ab. Guter Mann! Die Rhythmusfraktion, Freddy Auz und Juan Carlos Zúñiga Lopez, kommt eindeutig aus der Fusion-Ecke. Der Bass pumpt und pulsiert - die Drums kommen überaus akzentuiert und kräftig auf den Punkt. Newtón Velasquez' Pianofiguren geben den Kompositionen eine flirrende Leichtigkeit, die sie aus den elektronischen Synthesizerklängen positiv hervorhebt.
Wie gesagt: Eine eigenwillige, auf Jazz lediglich basierende Mixtur, die ein Zitat eines anderen Philosophen, Aristoteles, regelrecht herausfordert. »Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.«
Googeln nach Soundfiles sollte bei der Kaufentscheidung helfen. Selten war es sinnvoller, darauf hinzuweisen als hier bei Copericus' "Immediate Eternity II". Ohne mir die esoterisch angehauchten Aussagen zu eigen machen zu wollen, wächst das Album in meinem Fall nach jedem Hören weiter, zu einem wahren Monument heran - ich kann aber auch absolut nachvollziehen, wenn das bei Dir nicht so sein sollte, werter Leser.
Line-up:
Copernicus (vocals, synthesizer)
César Aragundi (guitar)
Newtón Velasquez (keyboards)
Freddy Auz (bass)
Juan Carlos Zúñiga Lopez (drums)
Matty Fillou (tenor saxophone - #6)
Tracklist |
01:Beautiful Humanity (4:33)
02:Balloon Dreams (6:41)
03:Absolute Truth Is Possible (5:54)
04:Free Of Me! (6:17)
05:Dust (3:54)
06:Feel The Nonexistence (7:57)
07:The Carrot (8:16)
08:The Stick (10:55)
09:There Is No Difference (5:27)
10:Viva The New! (9:02)
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Externe Links:
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