Elvis Costello / National Ransom
National Ransom Spielzeit: 63:11
Medium: CD
Label: Concord Records/Universal Music Germany, 2010
Stil: Alternative Rock

Review vom 24.10.2010


Joachim 'Joe' Brookes
Vielleicht steht ja immer noch Declan Patrick Aloysius MacManus in seinem Personalausweis. Der Sohn des Bandleaders Ross MacManus nannte sich später zunächst P.D. Costello und als Elvis Costello ist er wohl ganz vielen Musikfans bestens bekannt. Es sein erlaubt, an dieser Stelle einige Eckdaten seines interessanten Werdeganges zu nenne. Wem das bekannt ist, der lese bitte beim sechsten Absatz weiter.
1977 erschien sein Debüt "My Aim Is True". Die Platte ist geprägt vom Pub Rock und punkig war sie auch. Begleitet wurde er von der Band Clover, später bekannt als Huey Lewis And The News. Seine Texte besaßen von Beginn an eine mächtige Portion Ironie, wenn nicht Zynismus. Mit der balladesken Singleauskopplung "Alison" war er dann auch Gast in den Charts und schon bald gab er seiner Begleitband den Namen The Attractions. Nick Lowe produzierte die erste Platte.
Musikalisch sorgte Elvis Costello für einen Rundumschlag der Stile. Man war nie sicher, was er auf der nächsten Platte bringen würde. Mit dem Nachfolger "This Year's Model" (1978) war harter Rock angesagt und "Armed Forces" ein Gemischtwarenladen an Genres. Neben seiner Musik machte er sich auch als Produzent einen Namen. So hatte Costello die erste Platte der Ska-Band The Specials unter den Fittichen.
1980 machte er sich mit "Get Happy" in Anlehnung an Motown- beziehungsweise Stax-Songs über soulige Nummern her. Ein Jahr später hatte Costello das Genre Country entdeckt, auch wenn "Almost Blue" mehr als nur diesen Stil repräsentiert. Mit "Imperial Bedroom" (1982) näherte er sich den Beatles. Bei "Punch The Clock" (1983) befanden sich eine Bläserabteilung sowie der Jazz-Trompeter Chet Baker im Line-up.
Mit einem weiteren Blick auf seine Produzententätigkeit standen dann für längere Zeit die
The Pogues auf dem Plan. Unter dem Deckmantel The Coward Brothers und der Single "The People's Limousine" begann eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit seinem musikalischen Bruder T-Bone Burnett. Mal gab es Musik mit den Attractions und dann wieder nicht. Bemerkenswert ist wohl auch seine kompositorische Zusammenarbeit mit Paul McCartney. "Spike" (1989) war das Ergebnis und gemeinsam geschriebene Songs erschienen auch auf Platten des Ex-Beatles-Bassisten.
Costello schrieb viele Nummern für andere Künstler und ganz aktuell vereint ihn "National Ransom" wieder mit T-Bone Burnett (als Produzent und Musiker). Hier sind bunt gemischt Musiker der Imposters, mit denen er genauso schon zusammen spielte wie auch mit den Sugarcanes vertreten. Darüber hinaus wirken Vince Gill, Leon Russell, Buddy Miller sowie Marc Ribot mit.
"National Ransom" ist, so wie es sich durch die Karriere des Elvis Costello zog und zieht, ein Kreuzzug der musikalischen Vielfältigkeit und alle diese Song-Ideen unter einen Hut zu bekommen, schaffen nicht viele. Elvis Costello ist definitiv einer dieser Paradiesvögel, die so etwas zustande bringen.
Beim Titelsong "National Ransom" kommt mit viel Drum-Drive ein ganzer Gitarrenberg (samt Steel-Guitar) auf den Hörer zu und einerseits machen die Sechssaiter gemeinsame Sache. Anderseits hat man den Eindruck, die scheren sich einen Dreck um die anderen und spielen ihr Ding runter. Unglaublich, wie das reinhaut. Dann kommt es zu "Jimmie Standing In The Rain". Der Hörer hat den starken Eindruck, als wolle Costello ihn so lange im Regen stehen lassen, bis er triefnass mit tropfender Nase dasteht. Die über vier Minuten sind zwischen Tango und New Orleans angesiedelt, wenn es da überhaupt ein gemeinsames Zuhause gibt. Bei Costello schon!
Die Streicher-Ballade "Stations Of The Cross" präsentiert einen herrlich emotional singenden Protagonisten, der nichts an stimmlichen Qualitäten eingebüßt hat. Neben dem weiblichen Chorgesang sollte man unbedingt auf die Partitur des Klaviers achten. Ganz große Klasse! Auch bei der Besetzung in den einzelnen Nummern ist sowohl großes Besteck wie auch nur der Löffel angesagt. Klein ist die Zahl der Mitwirkenden in "A Slow Drag With Josephine" und groß die Wirkung bei diesem Country-Song mit Twang-Gitarre. Da rockt "Five Small Words" fast schon entlang der Normalität. Das Stück ist eine verspätete Sommerprise pur.
Bemerkenswert auf "National Ransom" ist jeder Song. Die Liebes-Ballade "You Hung The Moon" mit schmachtenden Streichern könnte ohne Probleme aus einem Film der Sechzigerjahre stammen und gleich danach bleibt das Ambiente ruhig, aber Costello & Co. wechseln ins Singer/Songwriter-Lager. Wenn "Dr. Watson, I Presume" dran ist, wird es Country-bluesig und diese Nummer löst die Gravitation, einige Meter über dem Erdboden schwebend, auf. "One Bell Ringing" ist eine himmlische Ballade mit gefühlvoller Bläserbegleitung und einer sparsam, aber effektvoll mitwirkenden, im Keller der Töne spielenden Klarinette.
Welch eine Kehrtwende! "The Spell That You Cast" klingt wie die Beatles zu Beginn ihrer Karriere. Hoch lebe der Rock'n'Roll! Dann treibt er mit seinem Vornamensvetter ein Spielchen: "My Lovely Jezebel". Das Ende gestaltet sich als Tanznummer aus einer längst vergangenen Zeit mit vielen Streichern.
Wie immer ist mein Fazit kurz, denn es ist schon alles geschrieben: Im Jahr 2010 ist Elvis Costello richtig gut und immer noch eine Klasse für sich.
Tracklist
01:National Ransom (4:05)
02:Jimmie Standing In The Rain (4:15)
03:Stations Of The Cross (4:58)
04:A Slow Drag With Josephine (2:43)
05:Five Small Words (4:45)
06:Church Underground (5:02)
07:You Hung The Moon (3:55)
08:Bullets For The Newborn King (3:35)
09:I Lost You (2:56)
10:Dr. Watson, I Presume (3:40)
11:One Bell Ringing (3:37)
12:The Spell That You Cast (2:31)
13:That's Not The Part Of Him You're Leaving (4:43)
14:My Lovely Jezebel (2:31)
15:All These Strangers (5:53)
16:A Voice In The Dark (3:33)
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