Eric Clapton, 30.05.2013, O2 World Berlin
O2 World Berlin Eric Clapton
O2 World Berlin
30. Mai 2013
Konzertbericht
Stil: Rock, Blues


Artikel vom 09.06.2013


Holger Ott
Warum muss in Berlin immer alles anders sein, als bei den anderen Konzerten vieler Künstler? So gibt es auch in der Setliste von Eric Clapton einige Änderungen zu den Shows, die er auf seiner Jubiläumstour in den vorangegangenen Städten gespielt hatte. "I Shot The Sheriff" entfällt ebenso wie "Tears In Heaven" und wird durch "Badge" bzw. "Wonderful Tonight" ersetzt. Zudem wird die Show um zwei Songs gekürzt. Zum Teil schade, denn Clapton und seine Begleitband sind in grandioser Spiellaune. Fünfzig Jahre steht er nun auch schon auf der Bühne und gehört damit seit letztem Jahr in diesen erlauchten Kreis. Obwohl der Altmeister so langsam ans Aufhören denkt, will ich doch hoffen, dass er uns noch viele Jahre weiterhin musikalisch erhalten bleibt. Den Gedanken, ihn vielleicht das letzte Mal sehen zu können, habt außer mir offenbar noch viele andere Menschen bewegt und so schafft er es locker, die O2 World in Berlin restlos zu füllen. Selbst auf den vermeidlich schlechtesten Plätzen - ganz oben unter dem Hallendach, seitlich in Höhe der Bühne - ist alles belegt.
Leider befindet sich unter den etwa siebzehntausend Besuchern ein 'schwarzes Schaf', und so schafft es ein einzelner Mensch, dessen Gedankengänge wohl niemand im Saal nachvollziehen kann, die volle Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Nach dem Applaus zu "Layla", dass für mich in einer sehr schönen, ruhigen Version gespielt wird, erschallen laute 'Buh'-Rufe und es fallen mehrere Wörter und Sätze in Fäkalsprache. Mein Gott, was für ein Vollidiot, denke ich mir. Nur weil ihm sein Lieblingssong einmal nicht gefällt, muss man doch nicht gleich so ausfallend werden. Genau in diesem Moment ist auf der Bühne die Songpause und es herrscht totale Ruhe im Saal. Natürlich dringt es bis zu Clapton vor, aber ein Profi wie er, geht auf so etwas nicht ein. Immerhin hat Clapton den Song in all den Jahren mindestens fünftausend Mal gespielt und da steht es ihm wohl zu, ihn so zu spielen, wie er es möchte. Berlin darf sich mal wieder fremdschämen.
Wie der Leser feststellt, hat mich dieser Vorfall dermaßen geärgert, dass ich fast das Vorprogramm vergessen habe. Auch hier, im Vergleich zu anderen Städten, eine kleine Abänderung: Andy Fairweather Low And The Lowriders sind angesagt. Ich gebe zu, dass mir zwar der Name geläufig ist, mich aber seine Musik bislang nicht weiter interessiert hat. Das wird sich schlagartig mit diesem Auftritt ändern. Der Mann ist ein Virtuose an der Gitarre und ihn bei seiner Show zu beobachten, ist eine Augenweide. So dürfen an diesem Abend alle Gitarristen im Saal eine doppelte Lehrstunde in Sachen Handhabung eines Saiteninstrumentes genießen. Er und seine drei Begleiter, alle in schwarzem Anzug, legen sich dermaßen ins Zeug, dass sich das Publikum am Ende seines Vortrages zu tosendem Applaus hinreißen lässt. Andy Fairwethaer Low bringt in fünfundvierzig Minuten zwölf Songs und spielt sich durch das komplette Refugium der Musik, von den goldenen Zwanzigern zum Rock der Neuzeit. So gibt er den verblüfften Zuschauern Swing, Blues und Country bis zur rockigen Auskoppelung "La La Music" aus seinem aktuellen Album "Zone-O-Tone" zum Besten. Mit lediglich einer akustischen und einer elektrischen Gitarre bewaffnet, zeigt er auch ohne viele Effektgeräte, welche Klangfarben aus seinen Instrumenten zu holen sind. Das Quartett schafft es, sich innerhalb kurzer Zeit in die Herzen der Besucher zu spielen und hat an diesem Abend mit Sicherheit viele neue Fans dazu gewonnen. Bedauerlich, dass es an den Merchandise-Ständen nichts von Andy Fairweather Low gibt.
In der recht knappen Umbaupause wuseln unzählige Helfer auf der Bühne. Ich kann mich nicht erinnern, so viele Bühnentechniker in perfekter Harmonie zur gleichen Zeit arbeiten gesehen zu haben, ohne dass sie sich gegenseitig behindern bis der Aufbau steht. Die Bühne in der O2 World ist der Halle entsprechend extrem breit und tief. Clapton und seine Begleiter nutzen die Möglichkeiten, sich zu entfalten, nicht im Mindesten aus. Die Band und die beiden Background-Sängerinnen stehen bzw. sitzen dicht beieinander. Eingerahmt von den beiden Keyboardern und im Rücken gestärkt durch die Rhythmusfraktion an Drums und Bass, steht Slowhand schlicht gekleidet in einem dunkelblauen Poloshirt und Jeans auf der Bühne. Sein Programm läuft ohne viele Worte und beginnt mit den Klassikern "Hello Old Friend" und "My Fathers Eyes". Clapton zupft dabei die Akustische und lässt es dabei zum Anfang recht gemütlich angehen. Mehrere Kameras fangen seine Hände ein und über zwei Video-Leinwände können die Fans jeden seiner Griffe in Übergröße bewundern. Die Detailgenauigkeit offenbart viele Geheimnisse seiner filigranen Spieltechnik, die ihn so berühmt gemacht hat. Dank dieser exzellenten Kameraführung können die Fans auch in späteren Songs die Arbeit der Keyboarder während ihrer Soli bewundern.
Clapton wechselt das Instrument und greift nun endlich zur Elektrischen. Am heutigen Abend favorisiert er die Farbe schwarz und präsentiert mehrere Exemplare seiner geliebten Fender Stratocaster in dieser Ausführung. Auch diese werden überwiegend ohne Plektrum mit den Fingern gespielt. Zupft er sich mal eins vom Mikrofonständer ab, so ist es das Signal für die Band, dass es ab sofort heftiger zur Sache geht. Als "Badge" von Cream angestimmt wird, bricht riesiger Jubel im Saal aus. Dem Altersdurchschnitt der Anwesenden entsprechend werden bei vielen dadurch Erinnerungen an ihre Jugend wach. Schade nur, dass für diesen Titel "I Shot The Sheriff" weichen musste, auf den ich mich gefreut hatte, denn der wurde bei den anderen Shows zuvor in der Abfolge an dieser Stelle präsentiert. Es hätte dann mehr meiner Generation entsprochen.
Obwohl auf der Bühne kaum Bewegung ist, hat die Show einen enormen Unterhaltungswert. Einen großen Anteil hat Keyboarder Paul Carrack daran, der "It Ain't Easy" alleine singt und zwei weitere mit Clapton im Duett. Zusätzlich sorgt er mit den beiden Sängerinnen Michelle John und Sharon White für den Background. Ebenso unterhaltend ist Greg Leisz mit seiner Steel Guitar. Mal leise im Hintergrund und mal fordernd im Solo zieht er des Öfteren die Augen der Fans auf sich, während der Meister an der Gitarre im Dunkeln bleibt. Man erkennt deutlich, dass Eric Clapton der Aufmerksamkeit aus dem Weg geht. Viele Gitarrenparts überlässt er seinem Mitspieler Doyle Bramhall II, einem Linkshänder, der ebenso gekonnt sein Instrument - natürlich eine Strat - beherrscht wie der Rest der Band.
Kurz bevor Clapton "Wonderful Tonight", für das "Tears In Heaven" zum Leidwesen aller entfällt, anstimmt, versinkt er, auf einem Stuhl sitzend, in Nachdenklichkeit. Was mag ihm in diesen Moment durch den Kopf gehen, frage ich mich. Denkt er darüber nach, welchen Song er nun spielen soll? Gehen seine Gedanken an seinen durch einen tragischen Fenstersturz verunglückten Sohn? Niemand außer ihm kennt den Inhalt der Sekunden, in denen er wie abwesend innehält. Als hätte er in diesem Moment die Entscheidung seines Lebens getroffen und um vielleicht nach so vielen Jahren loszulassen, spielt er "Wonderful Tonight" - der emotionalste Teil des Abends.
Um dem Publikum dabei genügend Abwechslung zu bieten, wird die Lichtanlage besonders strapaziert. Optische Effekte in Form von wunderschönen Lichtspielereien sorgen für berauschende Stimmung und setzen die Musiker je nach Einsatz in perfektes Licht. Über der Bühne sind in zwei Halbkreisen viele Videowände im Miniaturformat angeordnet, die, wären sie als Einheit montiert, noch einmal das wiedergeben, was die Kameras gerade einfangen. So aber, in zerklüfteter Form, ist es für das menschliche Auge schwer, den Bildern zu folgen und sie als Ganzes zu interpretieren. Eine echte Aufgabe, die ich so noch nie zuvor auf einer Bühne gesehen habe.
Wie immer vergeht die Zeit viel zu schnell und die Show eines der besten und beständigsten Gitarristen der Musikgeschichte geht dem Ende entgegen. "Cocaine" steht als letzter Titel vor den Zugaben auf der Liste und wie immer wird dieser mitreißend gespielt. Ich habe dieses Stück bereits etliche Male gehört und auch selbst gespielt, dennoch kommt es heute besonders gut rüber. Clapton und seine Leute hauen noch einmal richtig kräftig rein, bevor sie den Song abrupt zum Ende bringen. Ein kurzes Winken und Slowhand verschwindet ins Dunkel.
Standing Ovations und tosender Applaus zwingen ihn nach einigen Minuten förmlich auf die Bühne zurück. "Sunshine Of Your Love", aus ganz alten Zeiten, und das Publikum im Saal tobt. Endlich gibt es kein Halten mehr, alles stürmt nach vorne um Clapton so nahe wie möglich zu sein. Der Song wird gedehnt, mit Gitarrensoli gespickt und da das anscheinend noch nicht reicht, kommt ein dritter Gitarrist während des Songs auf die Bühne. Clapton kündigt ihn zwar namentlich an, aber im Lärm geht das völlig unter. jeder der drei Gitarristen darf sich nun an seiner Fender profilieren und gibt abwechselnd sein Bestes. Abschließend, im Jubel kaum noch zu hören, spielt die Band die letzte Zugabe "High Time We Went", bei der sich Paul Carrack noch einmal im Duett mit Clapton messen darf.
Nach einem außerordentlich gutem Vorprogramm und einem Eric Clapton der mit seiner Band eine grandiose Show geliefert hat, geht wieder ein gelungener Konzertabend zu Ende.

Vielen Dank an Janine Lerch von Go-On-Promotion und dem Concertbuero Zahlmann für die Akkreditierung. An diesem Abend waren leider keine Fotografen zugelassen.
Line-up:
Andy Fairweather Low And The Lowriders:
Andy Fairweather Low (vocals)
Dave Bronce (bass)
Paul Beavis (drums)
Nick Pentelow (saxophon)

Eric Clapton:
Eric Clapton (vocals, guitar)
Doyle Bramhall II (guitar, backing vocals)
Willie Weeks (bass)
Steve Jordan (drums)
Greg Leisz (pedal steel guitar)
Chris Stainton (piano, keyboards)
Paul Carrack (organ, keyboards, vocals)
Michelle John (backing vocals)
Sharon White (backing vocals)
Setlist:
Eric Clapton:
01:Hello Old Friend
02:My Fathers Eyes
03:Tell The Truth
04:Gotta Get Over
05:My Woman Got A Black Cat Bone
06:Got To Get Better In A Little While
07:Come Rain Or Come Shine (Eric Clapton & Paul Carrack - vocals)
08:Badge
09:Driftin' Blues
10:Goodnight, Irene
11:Layla
12:It Ain't Easy (Paul Carrack - vocals)
13:Wonderful Tonight
14:Blues Power
15:Love In Vain
16:Crossroads
17:Litlle Queen Of Spades
18:Cocaine
Encore:
01:Sunshine Of Your Love
02:High Time We Went (Eric Clapton & Paul Carrack - vocals)
Externe Links: