Eric Clapton & Steve Winwood
03.06.2010, 02 World, Hamburg
Eric Clapton & Steve Winwood
02 World, Hamburg
03. Juni 2010
Konzertbericht
Stil: Rock'n'Blues


Artikel vom 12.06.2010


Olaf 'Olli' Oetken
Am Ende wächst zusammen, was zusammen gehört.
Oh ja, Steve Winwood und Eric Clapton spielten zwar nicht gemeinsam im Sandkasten, kreuzten aber bereits in der Frühphase ihrer Karrieren ihre musikalischen Talente (Powerhouse, 1966), was letztlich in der legendären 'Supergroup' Blind Faith gipfelte, eine personelle Verquickung von Cream (Prototyp aller 'Supergruppen', vor allem vom medialen Aspekt her) und Family. Derartige Konstellationen mit heterogenen Egos und einem gewaltigen Medientsunami können nicht gut gehen, und wenn die Mehrzahl des Publikums, durch letzteres Phänomen in die Irre geführt, bei den Konzerten Cream II erwartet und die LP alleine wegen des provokanten Coverbildes oder der angeheizten Massenhysterie kauft wie geschnitten Brot, dann verbleibt folgerichtig dieser Konstellation nur eine sehr kurze 'Lebenszeit'.
Was aber erwartet das Publikum 41 Jahre später von einer Zusammenarbeit der musikalischen Köpfe Blind Faiths?
Es gibt in der Gegenwart keine mediale Hysterie, keine Studioplatte, dafür aber umfangreiche Dokumente in Ton und Bild von gemeinsamen Auftritten, die erst zwei Jahre zurückliegen. Es dürfte also klar auf der Hand liegen, was kommt! Und doch kann sich der Schreiberling dieser Zeilen des Eindrucks nicht erwehren, dass ein nicht geringer Anteil des Publikums beispielsweise bei Mark Knopfler besser aufgehoben wäre, oder bei den Eagles, oder etwa bei Chris DeBurgh?
Der Empfangsapplaus ist jedenfalls so steif, wie Herr Müller Lüdenscheid nach einem Hexenschuss, was folgerichtig zunächst zu einer wenig feurigen, mäßig inspirierten Performance auf der vergleichsweise schlichten Bühne führt. Ob "Had To Cry Today" als Opener, "After Midnight" als claptonischer Crowd-Pleaser oder "Pearly Queen" als Traffic-Legende, es wird tadellos musiziert ohne wirklich fesseln zu können. Im kompletten ersten Teil des Konzerts erstarrt leider alles in professioneller Routine.
Es steht sehr viel Qualität auf der Bühne: Neben den beiden Hauptprotagonisten agiert ein ungemein unauffälliger, aber effektiv rhythmischer Willie Weeks am Bass, Steve Gadd am Schlagwerk gibt den grobdynamischen Poltergeist, der aber auch feindynamische Akzente zu setzen weiß (er zieht aber meines Erachtens im Vergleich zu Ian Thomas, der vor zwei Jahren im Madison Square Garden trommelte, bezüglich der rhythmischen Fähigkeiten den Kürzeren - ihm fehlt der Swing!), Chris Stainton glänzt als rundum verlässlicher, solider Teamplayer an den Tasten und Michelle John & Sharon White ergänzen die Männerriege als unfallfreie Backgroundsängerinnen.
Das Zusammenspiel lässt keine Wünsche offen. Ganz im Gegenteil, zwei Relikte der 60er, die sich bis zur Gegenwart ihre musikalische Relevanz bewahrt haben, zelebrieren ganz harmonisch und in voller Eintracht ihre eigene, persönliche Vergangenheit, wenn auch letztlich mit größerer Bluesschlagseite (Clapton-Dominanz).
Und doch mag der Funke nicht so recht überspringen, zu schematisch, zu schablonenhaft, zu formelhaft, zu gestanzt erscheinen die Darbietungen, wobei Eric Clapton das Wort, und, in seinen besseren Momenten, mit abgeklärt ökonomisch sensibler Saitenvirtuosität den TON angibt (diesen Saitenton hat nur einer!), während Steve Winwood als formal gleichberechtigter Partner an der Orgel, teilweise ebenfalls an den Saiten und mit bestens aufgelegter Soulstimme glänzen kann. Zudem strahlt wenigstens er genau die Frische aus, die der Gesamtperformance bis dato leider abgeht.
Dies ändert sich ausgerechnet im akustischen Mittelblock, speziell beim von Clapton fantastisch gespielten "Driftin'", wo euphorische Publikumsreaktionen sichtbar stimulierende Wirkung beim Altmeister zeitigen. Plötzlich hebt sich der unsichtbare Vorhang der Alltagsroutine, und es werden magische Momente kreiert, die eigentlich schon zu einem früheren Zeitpunkt erwartbar waren. Speziell das fünfzehnminütige Jam-Monument "Voodoo Chile", wo Clapton das Kunststück vollbringt,
Jimi Hendrix zu huldigen, ohne eine Sekunde lang nach selbigem zu klingen und ohne eine Spur Langeweile aufkommen zu lassen, reißt das vormals so reserviert wirkende Publikum komplett von den Stühlen. Standing Ovations für ein Stück, bei dessen Studioeinspielung vor 42 Jahren Steve Winwood höchstpersönlich an den Tasten saß. Anschließend knallt das im Grunde todgenudelte "Cocaine" mit geradezu jugendlicher Frische in die kalt wirkende und leider auch klingende Mehrzweckarena, das Volk tobt, der Teufel speit, die Bühne brennt und es muss die Frage gestattet sein, wieso nicht gleich so?
Mit "Dear Mr. Fantasy" gibt es leider nur die eine Standardzugabe, angesichts der plötzlich herrschenden Hochstimmung ein Frevel, denn erst in dieser letzten halben Stunde herrscht auf und vor der Bühne eine Atmosphäre, in der Legenden entstehen können, wo aus guten Konzerten herausragende werden!
So bleibt als Fazit festzuhalten, dass Eric Clapton und Steve Winwood sich nicht nur hörbar musikalisch, sondern auch sichtbar (Körpersprache, Gestik und Mimik) früh gesucht und jetzt endlich gefunden haben, aber in Anbetracht ihres Lebensalters und -wandels (Clapton) im Kontext einer richtigen Tournee (tags zuvor war die Bundeshauptstadt beglückt worden) nur noch sporadisch zu außergewöhnlichen Taten aufschwingen können. Geschenkt, endlich ist zusammengewachsen, was zusammen gehört, in Zeiten des tagtäglichen Hörsturzes eine Wonne für die geschundene Seele.
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