Franck Carducci / Oddity
Oddity Spielzeit: 61:12
Medium: CD
Label: Vocation Records, 2011
Stil: Prog Rock

Review vom 02.10.2011


Boris Theobald
Jabberwocky auf Weltraum-Odyssee mit Achilles im Wunderland?
Das ist - mal ganz grob zusammengekürzt - das Konzept dieses Herrn, Franck Carducci, auf seinem ersten Soloalbum. Der mittlerweile in Amsterdam residierende französische Multiinstrumentalist und Musikfreak hat zeitlebens in gefühlten 873,5 Bands gespielt. Und dann 2010 ein Schlüsselerlebnis: Er durfte als Opener für Steve Hackett spielen, der ihn nach dessen und vor seiner eigenen Show im Backstagebereich aufsuchte und sagte: 'Guter Mann!' Oder so ähnlich. Für Carducci war das der entscheidende Auslöser, ein komplett eigenes Album in Angriff zu nehmen.
Die Inspiration für die Texte fand er bei Literat Lewis Carroll, griechischer Mythologie und Stanley Kubricks "Space Odyssey". Die Mischung ist so knallbunt wie das Cover (und so aufregend wie 'Alice' oben ohne - siehe selbiges). Und musikalisch fischt Franck Carducci in bekannten Gewässern, beweist aber auch, dass die nicht alle abgestanden oder umgekippt sind! Überraschungen gibt es inklusive ...
Aber zunächst steht da aber dieses viertelstündige Genesis-Stück. Das gar nicht von Genesis stammt. Aber wenn man sich schon im Booklet das (okay okay ... gestellte) Foto Carduccis anschaut, wie er die The Lamb Lies Down On Broadway-LP-Hülle aufklappt und die Augen weit aufreißt ... Er macht keinen Hehl aus seiner Leidenschaft - und die lebt er richtig, richtig gut aus! Organische Gitarren, extravagante und markante Basslines (der Bass ist sein erklärtes Lieblingswerkzeug!) und atmosphärische Breaks mit dem Zauber einer von Nebelschwaden verhüllten Fantasy-Landschaft. Dazu spacig-psychedelische Einschübe und wunderschöne Querflöten-Passagen, die einen unglaublich authentischen, berührenden Charme versprühen. Old stuff? Great stuff!
Mit "The Quind", einer Carducci'schen Verschmelzung aus 'quiet' und 'mind', wandert der Meister dann eher auf den Spuren eines Roger Waters - Helden hat er ja genügend ... Alles ziemlich zauberhaft, vom klassischen Klavierintro über diese mysteriös anmutenden 'Ouuuuh-Aah'-Vocals, die ich irgendwie von "The Wall" zu kennen glaube", bis hin zu einem krassen Orgel-Didgeridoo-Duett. Das ist doch mal ein Hinhörer! Carduccis Kompositionen wissen auch in ruhigen Momenten zu fesseln.
Witzig wird es bei "The Eyes Of Rage", einer Art Country Folk Rock-Nummer mit Violine und Mandoline sowie weiblichem Parallelgesang von Carduccis französischer Landsfrau, der Chansoniette Yanne Matis. Jetzt folgt das Highlight des Albums - und just hier dreht Monsieur nochmal an der Überraschungsschraube. "Alice's Eerie Dream" ist eine beinahe zwölfminütige Wundertüte, mit der man seinerzeit bei Woodstock unsterblich geworden wäre. Das ist grandios gefühlvoller, Blues-getränkter Classic Rock mit süchtig machender Hookline, die zum Mitsingen, Mitwippen und Auspacken der Luftgitarre verführt. Und episch isses auch noch mit seinen Einschüben von Jazz-Piano-, Funk-, Psychedelic-, Solojam und gospeligem Rhythm & Blues. Mach daraus einen gemeinsamen Auftritt von Joe Bonamassa, Ten Years After und Joe Cocker und du hast nen Welt-Hit!
Nach diesem tollen Highlight wandert der Quasi-Titelsong "The Last Oddity" zunächst wieder auf Spuren Gabriel'scher Genesis. Nach urigen Retro-Synths und mystischen Clean-Gitarren nimmt dann aber auch Carduccis Vertonung von "2001: A Space Odyssey" wieder jammig-verproggte Fahrt auf. Ich denke an Proto-Kaw, an Epitaph, an Deep Purple. Und es klingt so gut, so smooth, hypnotisch und lebendig.
Ganz schön 'zurückgeblieben', dieser Frank Carducci. Dies ist aber bitte mit 'Smiley' zu verstehen. Denn was er hier abliefert, glänzt durch ein fantastisches Feeling - seine Leidenschaft kauft man ihm in jedem Takt ab. Hinzu kommt dieser starke Gesang mit Eindruck und Ausdruck, der auch bei der 'Zugabe' den ganz besonderen Charme ausmacht. Denn seine Violinen-umspielte Coverversion von "The Carpet Crawlers" besticht durch die starke Betonung der Stimme - ein Hinhörer und eine wirklich außergewöhnliche Hommage an die Helden. Das ist das 'i'-Tüpfelchen auf "Oddity", einem kleinen, glitzernden Juwel, das in der großen Musikwelt nur den Wenigsten auffallen wird. Wohl denen, welchen ...
Line-up:
Franck Carducci (basses, electric guitars,acoustic 6 and 12 string guitars, classical guitar, mandolin, lead and backing vocals, mellotron, Hammond organ, tambourine, handclaps)
Phildas Bakhta (drums)
John Hackett (flute)
Richard Vecchi (Hammond organ, piano, Fender Rhodes piano, synths, lead guitar, handclaps)
Florence Marien (vocals, handclaps)
NiKo Leroy (Hammond organ, synths)
Christophe Obadia (lead guitar, didgeridoo, vocals)
Larry Crockett (drums)
Michael Strobel (lead guitar)
Nicolas Gauthier (vocals, handclaps)
Chris Morfin (handclaps)
Julia (voice)
Toff 'Crazy Monk' (drums)
Vivika Sapori-Sudemäe (violin)
Fred Boisson (drums)
Yanne Matis (vocals)
Gilles Carducci (mandolin)
Tracklist
01:Achilles (14:52)
02:The Quind (9:25)
03:The Eyes Of Rage (4:33)
04:Alice's Eerie Dream (11:53)
05:The Last Oddity (10:19)
06:The Carpet Crawlers [Bonus Track] (6:08)
07:Alice's Eerie Dream (Radio Edit) [Bonus Track] (3:59)
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