Deadman / Chimes At Midnight &
How Shall We Than Live?
Chimes At Midnight & How Shall We Then Live? Spielzeit: 32:21 (DVD), 26:24 (CD)
Medium: DVD/CD
DVD-Technik: k. A.
Label: Rootsy.Nu Records, 2014
Stil: Roots Rock

Review vom 12.05.2014


Steve Braun
Als Deadman - in persona Steven Collins - im vergangenen Herbst die Songs zur neuen EP "How Shall We Then Live?" begannen, schälte sich bereits während der Ausnahmesessions die Idee zu einem Kurzfilm heraus. Der Plot sollte sich an der literarischen Figur Sir John Falstaff von William Shakespear orientieren und Orson Welles interpretierende Filmcollage "Glocken um Mitternacht" (Chimes At Midnight) neu bearbeiten. Gemeinsam mit den Filmemachern Chip Tompkins und J. Hawkins war zügig ein Drehbuch geschrieben und die entsprechenden Darsteller gesucht - Collins produzierte, Hawkins führte Regie.
Mr. Deadman ging es bei dieser Neuinterpretation von "Chimes At Midnight" um ein künstlerisches Projekt auf mehreren Ebenen - musikalisch, filmisch, fotografisch, malerisch sowie die Ebene des Geschichtenerzählens an sich. Aus der Not (das musikalische Material langte nicht für ein reguläres Album) wurde somit nicht nur eine Tugend geboren, sondern ein kleines Gesamtkunstwerk geschaffen, das durch ein herrliches, in dramatischem Schwarz-Weiß gehaltenes Booklet vortrefflich abgerundet wird!
Widmen wir uns erst einmal der Musik... und die ist - wie immer bei Deadman - ein Klasse für sich. Mit der erneut wild umformierten Band im Rücken, hat Steven Collins mal wieder sechs kleine Masterpieces abgeliefert, die virtuosen Roots Rock mit klassischem Country Rock und (seltsamem) Americana mixen. Allein schon der Opener "Yound And Alive" stellt sich als 'Cremeschnittchen' heraus: Collins' düstere, fast unnahbar-finstere Stimme werden von lieblich 'zirpenden', überaus weiblichen Background Vocals konterkariert. Der Rhythmus treibt die sparsam getupften Gitarren galoppierend voran und löst sich in einem Refrain, dessen Hook man so schnell nicht wieder aus dem Ohr gekommt. Ein bärenstarker Rootsrocker und perfekter Auftakt!
Schaurig-defätistisch präsentiert sich "Javert" im schunkeligen Dreivierteltakt, der mit "Hard Pill" etwas weniger depressiv aufgenommen wird. Beides lupenreine Americana-Stücke, die an diverse Inkarnationen David Eugene Edwards' erinnern.
Nach so viel (durchaus angenehm empfundenem) Trübsinn sattelt Deadman mit "Our Fellow Man" fröhlich die Hühner. Zu einem munteren Shuffle-Rhythmus duellieren sich die halbakustische Gretsch und das 'Schifferklavier', dass es die helle Freude ist. Old-timey Country mit der genau dosierten Dosis Country Rock gewürzt...
Nachdenklich fragt Steven Collins dann: "How Can We Then Live?" - die Antwort scheint wenig Hoffnung zu vermitteln. Mit dem abschließenden "Things Have Changed" roots-rockt sich Deadman wieder in Dur-Gefilde - lässig aus dem (natürlich karierten) Hemdsärmel wie seinerzeit die
Dire Straits. Wie gesagt: sechs wahre Perlchen - mein Favorit ist aber ganz klar "Young And Alive"!
Der etwa siebzehnminütige Schwarzweißfilm stellt ein sehr eigenwilliges Remake des Orson Welles-Klassikers "Chimes At Midnight" dar. Die Szenerie spiegelt ein Vergnügungsetablissement der Belle Époque wider, das subtil-surreal den Standort zwischen Europa und dem Wilden Westen zu wechseln scheint. Zu den Klängen der Hausband, selbstredend von Deadman dargestellt, verstricken sich die Akteure - in vier Akten - in längst verflossenen Zeiten und Ritualen, während vor der Tür das reale Leben pulsiert... in das Der Poet 'seine' Euterpe letztlich entführt.
Interaktionen finden einzig auf pantomimischer Ebene statt, während - wie schon gesagt - die Band diese unwirkliche Kulisse musikalisch untermalt. Eine sehr freie, interpretative Inszenierung, der man den hohen künstlerischen Anspruch durchaus anmerkt.
Einblicke in die Dreharbeiten sowie einige erklärende Worte von Steven Collins und einigen Hauptakteuren (leider auf Englisch, ohne Untertitel) bietet das kurz "Behind The Scenes"-Featurette.
Auch wenn der musikalische Nährwert dieser Veröffentlichung eher EP-Ansprüchen genügen muss, sollte sich der Roots Rock-Fan keinesfalls diese Doppelveröffentlichung "Chimes At Midnight & How Shall We Than Live?" entgehen lassen. Ein richtig schönes Booklet ist wie das Outfit des Digipaks ein echter Hingucker und beides rundet eine blitzsaubere Deadman-Scheibe gekonnt ab.
Line-up:
Steven Collins (lead vocals, guitars, percussion)
Bryce Clarke (electric and acoustic guitars)
Matt Lara (accordion)
Nick Chambers (drums)
Will Dupuy (upright bass)

Guests:
Matt R. Johnso (drums - #1)
Morgan Thompson (bass - #1)
Don Cento (analog keys - #1)
Sara Stein, Kara Bliss (backing vocals - #1)
Brennan Leigh (Backing vocals - #4)
Tracklist
Chimes At Midnight (DVD):
01:Chimes At Midnight (18:38)
02:Behind The Scenes (14:43)
How Shall We Then Live? (CD):
01:Young And Alive (4:52)
02:Javert (4:53)
03:Hard Pill (2:56)
04:Our Fellow Man (3:23)
05:How Shall We Then Live? (3:48)
06:Things Have Changed (6:22)
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