Deep Purple / Come Taste The Band
Come Taste The Band
Machen wir erneut eine musikalische Zeitreise, diesmal in das Jahr 1975. Was hatte sich in Sachen Deep Purple ereignet? Der von vielen als Bandleader ausgemachte und egozentrische Ritchie Blackmore hatte die Band verlassen. Und nachdem David Coverdale und Glenn Hughes kurz zuvor zur Band gestoßen waren, stellte sich nun wirklich die Frage, in welche Richtung Deep Purple wohl gehen würden. Man schaue sich nur den Titel des Albums an und dann wird einem klar, dass auch die Musiker ziemlich verunsichert darüber waren, wie das neue Line Up wohl bei den Fans ankommen würde.
"Come Taste The Band" erschien bereits 11 Monate nach dem "Stormbringer"-Album. Nun, das war in den Siebzigern eine schnelle Zeit. Und bevor wir zur Musik kommen, noch eine kleine, aber wahre Anekdote zu den Aufnahmen der Songs auf dem Album:
Entgegen des Vermerks auf dem Album-Cover wurden nicht alle Songs zwischen dem 03.08. und 01.09.75 in den 'Musicland-Studios' in München aufgenommen. Bereits im Juni/Juli 1975 hatte man sich mit Tommy Bolin in den bekannten 'Pirate-Sound'-Hallen für Jam-Sessions getroffen. In Parallel-Räumlichkeiten der Hallen probte zeitgleich Ritchie Blackmore mit seiner neuen Formation Rainbow. Er bot den Vermietern ausreichend Geld, um die Hallen für sich und die Band alleine zur Verfügung zu haben. Und obwohl weite Teile des Songmaterials von "Come Taste The Band" eben in den 'Pirate-Sound'-Hallen entstanden, vermied man die Angaben auf dem Cover, sondern verwies auf die späteren Studioaufnahmen in München.
Gleich zu Beginn der Studioaufnahmen funkte es auch zwischen Tommy Bolin und Martin Birch (Produzent), denn die beiden verstanden sich anfangs überhaupt nicht. Überhaupt waren Bolin und der ausgestiegene Blackmore zwei vollkommen unterschiedliche Gitarristen. Bolin hatte nichts für Systematik und Technik übrig, was ihm zwar einen leichteren Zugang zur Jazzmusik verschaffte, dafür hatte er jedoch zunehmend Schwierigkeiten im Spielen der alten Purple-Songs. Später hieß es, dass Bolin zwar immer wusste, was er spielen sollte, aber nicht wie!
Obwohl die Songs auf dem Album allesamt sicherlich nicht schlecht waren, muss man zur Kenntnis nehmen, dass diese Platte wenig Spielraum für eigene Kreativität der einzelnen Musiker lässt. "Come Taste The Band" wurde sehr schnell von den damaligen Kritikern als eine durchschnittliche Hard Rock-Scheibe abgetan. Deep Purple galten mit diesem Silberling als eine Band von Vielen.
Über 30 Jahre später kann man wohl sagen, dass die Songs trotz allem gut sind. "Comin' Home" ist noch immer treibend und wird erstaunlich gut von den Hammond-Orgel-Sounds eines Jon Lord geprägt. Das fetzig schleppende "Lady Luck" ist eine tolle Rock-Nummer und das von Tommy Bolin während der Proben geschriebene "Gettin' Tighter" groovt ohne Ende. Ian Paice bezeichnet noch heute den Song "Dealer" als einen seiner Favoriten.
"I Need Love" mit seinem erdigen Rhythmus geht dann doch mehr in Richtung der alten Purple und "Love Child" erinnert, obwohl damals etwas moderner, an "Heartbreaker" von Led Zeppelin. Und wollen wir nicht vergessen, dass Glenn Hughes Bass spielte und eine tolle Stimme hat. Umso mehr komme ich zu dem Schluss, dass "You Keep On Moving" einer der besten Songs 'ever' ist.
Im Ergebnis finde ich, dass Coverdale auf dieser Scheibe nicht gerade seine beste Phase hatte, aber dass Hughes und Bolin trotz aller damaligen Drogenprobleme ein schönes und interessantes Stück Musikgeschichte abgeliefert haben. Tommy Bolin verstarb leider bereits am 04.12.1976. Daran sei noch einmal bei dieser Gelegenheit erinnert.
Line Up:
Guitars: Tommy Bolin
Vocals: David Coverdale
Bass: Glenn Hughes
Keyboards: Jon Lord
Drums: Ian Paice


Spielzeit: 37:16, Medium: CD, EMI Records LTD., 1990 (1975), Classic Rock
1:Comin' Home (3:55) 2:Lady Luck (2:48) 3:Gettin' Tighter (3:37) 4:Dealer (3:50) 5:I Need Love (4:23) 6:Drifter (4:02) 7:Love Child (3:08) 8:a) This Time Around b) Owed To "G" (Instrumental) (6:10) 9:You Keep On Moving (5:19)
Ralf 'Jogi' Ruhenstroth, 26.06.2006