Deep Purple / Rapture Of The Deep
Rapture Of The Deep
Wow, was ist denn hier los?
Rolling Stones = neue Platte
Paul McCartney = neue Platte
Eric Clapton = neue Platte
Cream = Reunion und CD + DVD Veröffentlichung
Status Quo = neue Platte
Robert Plant = neue Platte (ja, war auch dieses Jahr)
etc. PP
Britischer Dinosaurieraufstand?
Und jetzt auch noch Deep Purple!
Gerne bemüht als Mitbegründer des Terminus 'Hard Rock', obwohl anno 1968 die Anfänge doch etwas anders aussahen.
Aber ab Sommer 1969 fand sich dann die legendäre MKII - Besetzung, bestehend aus Ian Gillan (voc.), Ritchie Blackmore (guit.), Roger Glover (bass), Jon Lord (keys) und Ian Paice (drums), zusammen und veröffentlichte ausgesprochen erfolgreich 4 Studioalben, ein Live-Doppelalbum und das ambitionierte Projekt "Concerto For Group And Orchestra".
Die Ergebnisse und Spuren für die weitere Entwicklung der Rockmusik sind bekannt, genauso wie personelle Wechsel bis zum vorläufigen Ende der Gruppe 1976. MKII stieg 1984 mit dem erfolgreichen Studiocomeback "Perfect Strangers" wie Phönix aus der Asche und zeitigte weitere zwei Studioalben, bevor wieder einmal ein Personalwechsel anstand, der 1992 zurückgenommen wurde. 1994 stieg schließlich Originalgründungsmitglied Ritchie Blackmore zum zweiten und letzten Mal nach 1975 aus und seitdem ist MKII Geschichte.
Nachdem 2002 auch das weitere Originalgründungsmitglied Jon Lord die Gruppe verlassen hatte (ausnahmsweise mal nicht im Streit!) befindet sich nunmehr mit Schlagwerker Ian Paice nur noch ein Originalmitglied in den Reihen von Deep Purple. Zu den übriggebliebenen MKII Helden gesellen sich mittlerweile der Saitenartist Steve Morse (immerhin schon seit November 1994) und der Tastenakrobat Don Airey, beide selbstredend mit langer musikalischer Vita.
Dieses Quintett brachte vor ca. 2 ½ Jahren ihr erstes Album raus ("Bananas"), an dem Jon Lord allerdings noch in Teilen am Songwriting beteiligt war. Dies wirkte sich unüberhörbar auf die Tastenbeiträge Don Aireys aus, außerdem gab es beim Songwriting auch Co-Produktionen von Ian Gillan mit dem Produzenten Michael Bradford, so dass jetzt mit dem brandneuen "Rapture Of The Deep" erstmals ein Werk vorliegt, wo alle Songs in den Credits die fünf aktuellen Mitglieder von Deep Purple ausweisen.
Der Kollege Frank Hesterberg hatte ja das Album bereits vor einem Monat mit Hilfe einer Kurzpromo und zwei Wochen später das Ganze komplett vorgestellt. Er ist dabei zu Erkenntnissen gelangt, die ich persönlich so nicht teilen kann:
"Die Nummern "Money Talks", "Wrong Man" und "Rapture Of The Deep" könnten aus der Zeit von "Fireball" stammen ..."
Gut, fangen wir mal ganz streng mit der musikalischen Seite an. Mit Verlaub, ich höre fast nichts, was mich auch nur annähernd an "Fireball" von 1971 erinnern könnte, oder an DP Alben, die kurz davor und danach erschienen sind.
Meine diesbezügliche Erkenntnis hat sehr viel mit einer anderen Aussage des Kollegen zu tun:
"Natürlich ist ein Richie Blackmore und ein Jon Lord für die Band heute nicht mehr greifbar - aber bei dem neuen Scheibchen vermisse ich sie wirklich nicht. Hier stimmt von vorn bis hinten einfach alles. Morse und Airey spielen sich frei und keiner denkt dabei noch an Blackmore/Lord."
Hier darf und sollte sich natürlich jeder/jede seine/ihre eigene Meinung bilden, aber ich denke schon, dass das brandneue Werk deutlich offenbart, dass die Herren Morse/Airey (musikalisch/technisch/individuell als Persönlichkeit) reichlich wenig mit Blackmore/Lord zu tun haben. Und daraus folgt zwingend, dass Deep Purple anno 2005 relativ wenig mit den Deep Purple zu Zeiten von "Fireball" gemein haben.
Das heißt im Klartext, wer nun erwartet, dass auf "Rapture Of The Deep" die altbekannten, klassischen Deep Purple erklingen und zum gepflegten Partyheadbanging einladen, wird vermutlich arg enttäuscht werden!
Insofern finde ich es auch schwierig, von "einem der besten Deep Purple-Alben aller Zeiten" zu sprechen. Die prägenden, musikalischen Köpfe der Originalband, nämlich Blackmore/Lord, waren einfach zu signifikant, als dass mensch den kreativen Output Deep Purples von heute in eine Reihe mit den Produktionen der Vorgenannten stellen könnte.
Aber was hören wir nun wirklich von Deep Purple 2005?
"Zurück zu den Anfängen - die wilden 70iger lassen grüßen!"
"Mit Steve Morse und Don Airey zurück zu den Roots."

Nun, vielleicht habe ich ja etwas an den Ohren, aber diese Aussagen führen meines Erachtens etwas in die Irre. Und zwar deshalb, weil es gerade die große Stärke von "Rapture Of The Deep" ist, nur sehr bedingt an sogenannte 'gute, alte Zeit' anzuknüpfen.
Das liegt mit Sicherheit nicht zuletzt am Produzenten Michael Bradford, der schon für das Vorgängeralbum "Bananas" (2003) verantwortlich zeichnete, und der u.a. Künstler wie Uncle Kracker, Kid Rock und Terence Trent D'arby betreute und produzierte.
Der Sound ist einfach ein anderer, er wirkt vergleichsweise auf der Höhe der Zeit, ohne den alten Background völlig zu verleugnen.
Allerdings muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die kopiergeschützte neue Disc in den Mitten völlig verhangen ist, bei der Sprache scharfe, zischelnde und somit unsaubere S-Laute von sich gibt und insgesamt gesehen nicht annähernd die luftige, transparente, räumliche und differenzierte Durchhörbarkeit erreicht, welche die 1996er Remastered-Version von "Fireball" auszeichnet. Wenn ich bedenke, dass zwischen beiden Originalaufnahmen geschlagene 34 Jahre liegen, dann frage ich mich ernsthaft, ob seitens der Musikindustrie das Tonträgermedium CD bewusst zu Grabe getragen werden soll?!
Aber zurück zur eigentlichen Musik.
Diese zeichnet sich nämlich mitnichten durch die Attribute aus, die Anfang der 70er für die Mucke Deep Purples Pate standen - nämlich die hochenergetische, äußerst spannende Konterkarierung von Jon Lords klassischer (im wahrsten Sinne des Wortes) Ausprägung und dem harten, bluesbeeinflussten Rock 'n' Rolls Ritchie Blackmores. Waren früher viele Songs von Deep Purple in letzter Konsequenz mitreißender oder zumindest grooviger Rock 'n' Roll in einer bis dato nicht bekannten Ausprägung, so kommt "Rapture Of The Deep" heute vergleichsweise düster und sperrig daher.
Statt Anklänge an die Klassik gibt's deutliche Orienttendenzen (Titelsong), der Opener "Money Talks" macht mit tiefergelegtem Riffing auf sich aufmerksam, genauso wie "Wrong Man", wo eine für das ganze Album signifikant schwermütige, fast depressiv dunkle Stimmung verbreitet wird. Die Texte sind ernsthaft, ambitioniert wie ihre musikalische Umsetzung, nehmen teilweise deutlich zum desolaten Zustand unserer vermeintlichen Zivilisation Stellung und zeichnen in ihrer Tendenz wahrlich ein düsteres Bild. In diesem Zusammenhang gewinnen das Coverartwork und der Titel des Albums ihre vermutlich intendierte Bedeutung.
Mit dem tollen "Clearly Quite Absurd" ist eine Ballade vorhanden, sehr dramatisch angelegt und mit einer fast Angst einflößenden Orgel.
Hellere Hoffnungsschimmer bekommen wir lediglich durch "Girls Like That" und "Don't Let Go", die sich durch fast poppige Refrains und geniale Hooklines auszeichnen.
"Back To Back" fällt dagegen völlig aus dem Rahmen, gemahnt es doch durch seinen riffigen Funky-Groove an die MKIII Besetzung mit David Coverdale und Glenn Hughes und besticht durch ein furioses Solo von Steve Morse und wilden Moog-Synthesizer - Klängen.
Mit "Kiss Tomorrow Goodbye" rocken wir dagegen dem Weltuntergang entgegen, hier geht's tatsächlich richtig kraftvoll und aggressiv zur Sache.
Der "Junkyard Blues" entpuppt sich als tatsächlicher Blues, allerdings stark riffrockend, mit sehr dunkler Grundstimmung, einem konterkarierend fröhlichen Piano, Ian Paice in Klasse-Form, wie übrigens auf dem ganzen Album, einer geilen Hookline und einem Steve Morse, der einmal mehr deutlich beweist, dass er wirklich alles spielen kann, aber keine bluesy - guitar!!!
Beim Rausschmeißer "Before Time Began" geht es textlich dann richtig zur Sache (Gemetzel im Namen irgendeines Gottes und als Anklage ganz zum Schluss: "And for those who remain with your chosen gods - May your prayers be answered.").
Das ist starker Tobak und musikalisch passend mit einer Art Militärmarsch unterlegt. Ian Gillan spuckt dazu Gift und Galle, wie er überhaupt hervorragend bei Stimme ist und dem Ganzen eindrucksvoll seinen Stempel aufdrücken kann. Don Airey gewinnt gegenüber dem Vorgängeralbum deutlich an eigenem Profil, leidet aber wie sein sehr solider Kollege Roger Glover am suboptimalen Sound der CD.
Fazit:
Wir haben es hier mit einem musikalisch wie textlich überraschend ambitionierten Werk zu tun, welches in Ruhe und Konzentration gehört werden will.
Auf einer Rock-Party hat es dagegen wenig zu suchen und könnte höchstens die Stimmung vermiesen. Dafür ist es zu sperrig und komplex ausgefallen.
Ich finde das vergleichsweise mutig, denn es erscheint auf einem neuen (kleineren) Label und richtet sich hörbar nicht nach dem Mainstream oder den vermuteten Erwartungen, die an eine Institution wie Deep Purple gerichtet werden, sondern geht scheinbar ganz bewusst neue Wege und unterscheidet sich damit deutlich vom Vorgängeralbum, ohne allerdings Übersongs wie dessen "Walk On" oder solche Schmeichler wie "Haunted" hervorbringen zu können.


Spielzeit: 50:65, Medium: CD, Edel Records, 2005
1:Money Talks (5:33) 2:Wrong Man (4:02) 3:Girls Like That (4:53) 4:Rapture Of The Deep (5:55) 5:Clearly Quite Absurd (5:25) 6:Don´t Let Go (4:33) 7:Back To Back (4:05) 8:Kiss Tomorrow Goodbye (4:20) 9:Junkyard Blues (5:33) 10:Before Time Began (6:31)
Olaf 'Olli' Oetken, 20.10.2005