Deep Purple/Alice Cooper
Rockdinosaurier zwischen Museum und Cyberspace!
Beobachtet am 12.02.2006 in der Messehalle, Erfurt
Deep Purple
Deep Purple Deep Purple und Alice Cooper sind zwei der letzten Exemplare einer Spezies, die so langsam auszusterben droht, nämlich die der 'Rockdinosaurier'. Beide haben sie eine nicht unerhebliche Epoche Musikgeschichte mitgeschrieben. "Smoke On The Water" und "Schools Out" sind auch den nicht so musikkompetenten Konsumenten ein fester Begriff.
Deep PurpleDiese Rockurgesteine mit Vorzeigediskographie haben heute keine Einträge ins 'Guinness Buch' als lauteste Band der Welt mehr nötig.
Gerade eben waren beide mit neuen Studioalben im Gepäck, sozusagen als doppelter musikalischer Vorratspack, in deutschen und europäischen Konzerthallen unterwegs. Mit wenig visuellem Schnickschnack und Klamotten kommt die musizierende Herrenriege um den Sechzigjährigen Frontmann Ian Gillan aus, der barfüssig über die Bühne tänzelt und die Songs aus über drei Jahrzehnten Bandgeschichte in das Auditorium posaunt.
Deep PurpleAls wirklich disziplinierte Bühnenarbeiter wirken sie derzeit reifer als zuvor, wie ein besonderer Weinjahrgang, der beim Öffnen eben sein bestes Bukett entfaltet.
Anders dagegen inszeniert sich der einzig wahre Schminkprophet Vincent Damon Furnier mit dem Requisitenfundus einer schwarzen Broadway-Show, um damals wie heute seinen Jüngern die hässliche Fratze Amerikas vorzuhalten. Der 58-Jährige und seine Gefolgschaft versucht immer noch mit seinem persiflierten Rock'n' Roll Varietee, inklusive eigener Enthauptung mit der Guillotine, sein Publikum wachzurütteln. Mit einer Leichtigkeit und Perfektion zelebrieren selbige erfrischend die nicht ganz unironischen Verspieltheiten von Altrockern, die nichts zu verlieren haben". (Zitty)
Deep PurpleFünfzig Jahre Sex, Drugs und Rock 'n' Roll ist aber mittlerweile in ein Dilemma geraten bzw. befindet sich in einer kreativlosen Phase (abgesehen von verschwindend kleinen Ausnahmen), und deshalb verkauft dieser die immer gleichen und altbewährten Mythen einfach dauernd neu.
Eigentlich wartet man derweilen noch auf die Verkünder eines neuen musikalischen Aufbruchs, jagt aber immer wieder Hypes, die unsere Umwelt nicht braucht, hinterher.
Dabei existiert der selige Rock 'n' Roll auf der Strasse, wo sich die Herren von der Musikindustrie einmal genauer umschauen sollten, als ihre Finanzinfusionen in künstlich aufgeblasene 'Möchtegern'-Castings zu spritzen.
So werden irgendwelche Gitarrenschwingerbands auf den Olymp gehoben und so manche Medien heucheln ihre Mischung aus Penetranz, oberflächlichem Boulevard und blinder Ehrfurcht.
Deep PurpleMedienforscher diagnostizieren ein Ende des mythischen Zeitalters, Konsumenten sind keine Utopisten mehr, sondern vermehrt User, die pragmatisch den 'Cyberspace' im Wesentlichen zu E-Mail, Online-Shopping, Tele-Banking nutzen.
Bequem klickt es sich durch ein Paralleluniversum, das mal ein virtuelles Kaufhaus, mal ein Musiksender, eine Peepshow oder gar eine elektronische Illustrierte liefert.
Komprimierte MP3-Files kreisen körperlos und ohne Qualitätsverlust um den Globus, enthalten Töne, Texte, Bilder und werden ungeniert heruntergeladen, auf CDs gebrannt, um auf Schulhöfen, in Büros, im heimischen Wohnzimmer an eine übersättigte Klientel weiterverteilt zu werden.
Deep PurpleVerständlich, dass dieses die kränkelnden Musikkonzerne alarmiert bzw. beunruhigt. Vielleicht setzt man deshalb wieder verstärkt auf eine in die Jahre gekommene Verbraucherschicht, die noch der Faszination bzw. Schönheit eines Plattencovers Rechnung trägt , und auch sonst mehr auf die Originale, denn auf Plagiate setzen.
So ist das derzeitige Phänomen von wiederkehrenden gealterten Musikgrössen, oder sogar ein Ausverkauf deren Historie doch kein Zufall.
Schon jetzt kündigen ein Dutzend Rockveteranen ihre Tourneen oder Wiedervereinigungen, wie The Who oder Eric Clapton, vollmundig an.
Deep PurpleDabei möchte man den Stadion-Akteuren zwangsweise keinerlei Profitsucht unterstellen, eher noch einen Selbstbestätigungstrip, um ihrem Denkmal eine neue Makulatur zu verpassen. Gerade in der gegenwärtigen, von der Suche nach verlorenen ethischen Werten, nostalgischer Rückbesinnung bestimmten Zeit, strömt man trotz Hartz IV und sonstigen Gesellschaftsübeln wieder verstärkt in die Konzerte sogenannter 'alten Helden', um vielleicht gerade noch den Rest vom Rock 'n' Roll zu erleben.
Nach all den Schmähungen welcher dieser seit den Fünfzigern erfahren musste, ist es jetzt wieder an der Zeit, in einer Gesellschaft, die mehr Wissen produziert als Kaffee, Baumwolle oder Stahl, die sogar einen neuen Bildungsnotstand bewältigen muss, zum Ursprung bzw. den eigenen Wurzeln zurückzukehren.
Deep PurpleBeachtliches ist hierbei auch bei den Konzertbesuchern zu beobachten, die trotz ungenierter Steigerung der Eintrittspreise investieren, um quasi den vom Aussterben bedrohten 'Rockstars' auf der Bühne, die Schweißperlen von der Stirn zu tupfen.
Es scheint, als sei bei den Rolling Stones mit bis zu 188 Euro teuren Tickets, der Gipfel noch nicht erreicht. Offenbar reicht die Zugkraft der 'Heroen des Rock' noch allemal, um solch ein Preisniveau durchzusetzen.
Deep Purple Ablesen lässt sich ein Legendenwert auch an den teils horrenden Geboten, die beim Internetauktionator für Eintrittskarten von bereits ausverkauften Konzerten abgegeben werden. Es ist mit Sicherheit keine Binsenweisheit, diesen Umstand auf ein gestiegenes Qualitätsbewusstsein der Verbraucher zurückzuführen.
Offenbar hat das Erlebnis 'Live-Musik' als Katalysator einen Stellenwert erlangt, der alle Bedenken hinsichtlich der Kosten hinfällig werden lässt.
Gerade weil Musik heute konserviert, digitalisiert und elektronisch beliebig verfügbar wird, bekommt der Konzertauftritt wieder den Hauch von 'Einzigartigkeit'.
Deep PurpleBesonders in diesem Jahr können sich Veranstalter nicht nur auf die Stones-Karawane, sondern auch auf andere betagte Rock-Senioren verlassen, deren Wert sich bald noch steigern dürfte, auch wenn dieselben schon im Museum oder Kunstgalerien gelandet sind.
Ihr Publikum, das mit ihnen gealtert ist, legt aus reiner Nostalgie gern etwas mehr dafür an, um einen Abend lang, vielleicht sogar mit den Kindern und Enkelkindern, in die eigene Vergangenheit abzutauchen.
Das Beste am Live-Ereignis ist etwas, was Musikproduzenten den Veranstaltern neiden: dass ein Konzert, selbst im 'Cyberspace-Zeitalter', einmalig und nicht reproduzierbar ist.
Das sollte unbedingt auch so bleiben!
Mein besonderer Dank für den freundlichen Support geht an: 'Känguruh Production GmbH' und Ingolf Preiss, 'Saturn'-Erfurt für die Backstagefotos.
Deep Purple


Backstage-Fotos
Deep Purple     Deep Purple     Deep Purple    
Alice Cooper          Deep Purple    
Deep Purple/Alice Cooper, Rockdinosaurier zwischen Museum und Cyberspace!
Ingolf Schmock, Backstage-Fotos: Ingolf Preiss, 10.03.2006