Defy Tolerance / Stop The Bleeding
Stop The Bleeding Spielzeit: 36:22
Medium: CD
Label: Able Records, 2013
Stil: Modern Rock, Alternative Metal

Review vom 06.12.2013


René Francke
Die heutige Musiklandschaft ist zu großen Teilen wie ein Dickicht aus wilden Gewächsen, durch das man sich als Hörer und Rezensent vorzugsweise mit einem Buschmesser bewaffnet seinen Weg bahnen muss - immer Ausschau haltend nach seltenen, hell leuchtenden Wunderblumen, die in diesen wirren Gestrüppwelten wie Perlen auf dem Meeresboden auf ihre Entdeckung warten. Ähnlich kann man sich die imperiale Waldung der Rock-Musik vorstellen, in dessen vielfarbigen Tiefen eine schier unendliche Fülle an Unterarten vorzufinden ist. Beispielsweise gibt es da die eng beieinander liegenden Gehölze namens Post Grunge und Alternative Metal. Jene Stile wuchsen vor allem in den späten 1990ern und frühen 2000ern durch Bands wie Godsmack, Alter Bridge, Creed, Sevendust, Bush oder Staind zu beachtlicher Größe heran.
Seit jener Zeit haben sich - wie jeder Organismus - auch die akustischen Forstgebiete Post Grunge und Alternative Metal stetig weiterentwickelt, gewandelt, wobei man mittlerweile eine Menge Mut und Kraft mitbringen muss, um sich durch das zähe Unterholz der Waldstücke zu schlagen und herausragenden Klangblüten wie den zuvor genannten über den Weg zu laufen. Auch die Kapelle Defy Tolerance könnte sich als eine derartig edle Knospe erweisen.
Nun sind Genregrenzen stets fließend, da bildet die Mucke von Defy Tolerance keine Ausnahme. Ihr Stil ist mehrheitlich im Modern Rock, teilweise auch im Alternative Metal angesiedelt. Wenn man so will spielen die vier Jungs einen modernen Post-Grunge-Alternative-Metal-Mix im allseits beliebten D-Tuning. Was bei Defy Tolerance vom ursprünglichen Post Grunge übriggeblieben ist, sind die Texte voller Selbstzweifel und Wut. Allein die Songtitel dieser Combo sprechen Bände: "Ball And Chain", "Suffocate", "Get You Nowhere", "Empty Bottle" oder "Epic Failure" sind suizidale Seelenschürfgesänge.
Das aus Phoenix, Arizona stammende Quartett um Frontmann Freddy Kilo macht seit zwei Jahren Musik - und das auf recht eindrucksvolle Weise. Auf ihrem in diesem Jahr veröffentlichten Debütalbum "Stop The Bleeding" klingen Defy Tolerance als wären sie schon ein kräftiger, mannshoher Baum, der sich in jungen Jahren gegen viele andere Auswüchse auf dem lichtarmen Waldboden durchgesetzt hat und nun dem lichtreichen Rockhimmel entgegenstrebt.
Im stürmischen Opener "Ball And Chain" ist der Einfluss von Godsmack unverkennbar. Kilos Stimme ist in diesem und allen anderen neun Songs sauber, kraftvoll und variabel. Killer Numero Zwo "Suffocate" schnürt einem wahrhaftig die Röhre ab: Die Rhythmusmaschine Garin Wolfe treibt das enge und druckvolle Zusammenspiel zwischen Brian Millers Gitarre und Donny Silvas Bass vor sich her, während Kilo Gesangslinien schmettert, die genauso gut aus der großen Post Grunge-Ära der Jahrtausendwende stammen könnten. Im dunklen, übellaunigen "Live for Today" schraubt Kilo sein Timbre auf eine nüchterne Aaron Lewis-Stimme herunter, um von der Sinnsuche nach Balance im Leben zu philosophieren. Die Singleauskopplung "Get You Nowhere" ist ein süchtig machender Hit, eine Kombination aus geballter Energie, einem catchy Refrain und einer soliden Rhythmusfestung.
"Empty Bottle" wechselt in mitreißender Metal-Manier zwischen Mid- und Uptempo und verzaubert durch heftig groovende Gitarrenriffs. Auch hier ist Kilos außerordentliche Gesangsleistung hervorzuheben. Im Text geht es um den Verlust eines geliebten Menschen, der dem Alkohol verfallen ist. "Zombified" ist ein weiterer düsterer Rockamboss, der stark durch Alice In Chains beeinflusst ist und dessen harmonische Stimmlinien wie eine Reminiszenz an Layne Staley anmuten. Die mächtige Klangwand von "Epic Failure" schafft es den Raum restlos auszufüllen. Im abschließenden "No Complaints" beteuert Kilo bei der Untermalung mit akustischen Gitarren, dass er nicht zu denen gehört, die sich ständig beschweren. Das klang auf den Tracks davor aber noch ganz anders! Und das ist auch gut so.
Parallelen zu anderen Künstlern findet man immer, so auch bei Defy Tolerance. Was aber eine Band oder einen Solokünstler auszeichnet, ist der unverkennbare Klang, der Wiedererkennungswert. Defy Tolerance bieten straighten und punktgenauen Modern Rock mit beeindruckender Tiefe. Diese Jungs haben das Zeug dazu, im dichten Fichtendickicht der aktuellen Rockmusik schon von weitem erkannt zu werden und zu einem imposanten Baum heranzureifen.
Line-up:
Freddy Kilo (vocals, guitar)
Donny Silva (bass)
Brian Miller (guitar)
Garin Wolfe (drums)

Additional musicians:
Ken Marry (drums - #5,7,10)
Krys Van Slyke (bass - #5,7,10)
Adam Petry (lyrics - #5; music & lyrics - #2)
Tracklist
01:Ball And Chain
02:Suffocate
03:Live For Today
04:Get You Nowhere
05:Empty Bottle
06:Zombified
07:Time And Money
08:Epic Failure
09:Until I'm Done
10:No Complaints
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