20 Jahre Desaster
17.10.09, Koblenz, Schiff 'Pure Liner 1'
20 Jahre Desaster 20 Jahre Desaster
Koblenz, Schiff 'Pure Liner 1'
17. Oktober 2009
Stil: Thrash Metal


Artikel vom 30.10.2009




Andrea Groh
20 Jahre DesasterDesaster, Black-Thrasher aus Koblenz, die mit ihrem Gründungsjahr 1989 nicht mehr ganz den Anschluss an die großen deutschen Thrash-Bands der 80er schafften, dennoch im Untergrund einen hohen Status haben - gerade im Ausland, vor allem in Südamerika - kamen auf die Idee, ihr 20jähriges Bestehen auf einem Rheinschiff zu feiern, ähnlich der ebenfalls dort veranstalteten Metal Cruise, auch wenn es nicht unter die reguläre Reihe fiel, war es doch im Prinzip dasselbe.
Was ist eine Metal Cruise?
Für Nicht-An-Rheiner: auf dem Rhein vor allem zwischen Mainz und Köln, aber auch auf Teilen der Mosel fahren Linien-mäßig Ausflugsschiffe, bekannteste Linie sind die Köln-Düsseldorfer, es gibt aber noch mehr. Hauptbereich ist das Mittelrheintal, Touristen aus Deutschland, USA und Japan sehen sich die Burgen und Loreley an. Die Schiffe lassen sich auch für Events chartern, z.B. Betriebsausflüge, Hochzeiten, Partys, Konzerte. Vor ein paar Jahren kam in Koblenz jemand auf die Idee, auf einem Schiff ein Metalkonzert mit drei Bands zu machen. Die Metal Cruise wurde begeistert aufgenommen und daher zu einer regelmäßigen Veranstaltung, meistens zweimal jährlich.
20 Jahre DesasterIm Vorfeld kam es zu einigen Schwierigkeiten, es stellte sich heraus, dass die MS Rheingold am ursprünglich gebuchten Tag (26.9.) doch nicht verfügbar war, der Termin wurde auf den 17.10. verschoben und auf ein anderes Schiff ausgewichen, die Pure-Liner 1, was mit Unkosten verbunden war, aber dafür konnten statt der bereits frühzeitig ausverkauften limitierten 450 Tickets schließlich 495 Stück verkauft werden, mit Crew und Band waren knapp 600 Menschen an Bord. Die Verschiebung wurde zum Glück frühzeitig über die Total-Desaster-Bandhomepage bekannt gegeben, denn ein paar Tage vor dem Ereignis wurde diese gehackt, so dass niemand dort mehr nachsehen kann/konnte, wer es versuchte, fing sich Trojaner ein - wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann (wer immer das war, sollte mal richtig Kiel geholt werden!!!!) Auch am Abend selbst gab es wohl noch organisatorische Probleme, der Einlass fing verspätet an und verlief schleppend, da aus Platzgründen keine Taschen zugelassen wurden, so dass die wartenden Fans, die übrigens nicht nur aus den verschiedensten Regionen Deutschlands, sondern ganz Europa kamen (Schweden, Griechen, Italiener, Spanier und Engländer sind uns aufgefallen) erst einmal im kalten Koblenzer Wind standen und warteten.
20 Jahre DesasterEndlich auf dem Schiff, zeigt sich schnell, dass eine Metal Cruise zwar eine großartige Idee, aber als Ort nicht gerade optimal für eine Konzert ist. Die Verhältnisse auf dem Schiff sind ziemlich eng, auf dem unteren Deck ist die Bühne und das Mischpult in ein paar Metern Entfernung - diese Fläche lässt sich mit einem typischen vor der Bühne-Bereiches eines normalen Hallenkonzertes vergleichen, ist aber recht klein im Verhältnis zum gesamten Schiff. Der Clou ist: das Ganze ist nach oben offen, so dass man vom oberen Deck heruntersehen kann. Klingt toll. Problem sind die engen Gänge am Rand, wenn man zum Getränkestand, dem auf der anderen Seite befindlichen Bonstand (Getränke nur gegen Bon), Metalmarkt oder zur Toilette wollte. Also permanent Bewegung und Gedränge dort. Die Leute waren sehr friedlich und zuvorkommend, ließen die durch, die wollten, aber in der Enge gab es trotzdem Geschubse und Stau. Das nervte schon. Das Gedränge wäre kleiner gewesen, wenn die zweite Treppe (hinter dem Getränkestand und den Toiletten) nicht im abgesperrten VIP Bereich gelegen hätte, der im Verhältnis zu den wenigen sich dort aufhaltenden Gestalten (z.B. der Chefredakteur eines rheinischen Printmagazins im Bereich harter Musik) überdimensioniert war.
Noch eine Randbemerkung zum Thema Metal Cruise:
Das Schiff legt im Dunkeln ab, während die Bands spielen, was irgendwie sinnlos ist, weil die Leute ja kommen um die Bands zu betrachten und im Dunkeln sieht man von der Umgebung sowieso außer Lichtern nicht viel.
20 Jahre DesasterKommen wir nun zum Konzert, was ja der Kern des ganzen Events ist, da konnte man über die Auswahl nicht meckern. Vorgruppen waren Witchburner, die wie Desaster der Metaller-Vereinigung "Hellbangers Moselfranken" angehören. Ordentlicher Old-School-Thrash sehr germanischer Prägung, Highlights wie "Hexenhammer" und "Blood of Witches" wurden geboten, leider war der Sound nicht so optimal. Als erste Vorgruppe fanden die hessischen Hexenverbrenner nicht ganz so viel Aufmerksamkeit, weil manche sich noch orientieren mussten oder die Frage stellen 'fahren wir eigentlich schon', aber einige zeigten sich auch sehr angetan von der Musik.
Als Zweites folgten Martin Missy and the Protectors. Protector war eine der härtesten Bands Deutschlands Mitte bis Ende der 80er, spielten Mischung aus Thrash/Death/Hardcore, die wohl zu heftig war und zu anspruchsvoll was das Songwriting und die sozialkritischen Lyrics anging, daher nicht so erfolgreich. Die Originalband gibt es schon lange nicht mehr, lediglich Ex-Sänger Martin Missy tritt mit Mitgliedern der Schweden von Mastema und Suicidal Winds auf und spielt die alten Songs. Was zwar von der instrumentalen Seite her nicht ganz dasselbe ist, aber besser Protector in dieser Form als gar nicht, vor allem für die jüngeren, die im Gegensatz zu mir nie das Glück hatten, die Band damals live zu sehen und Klassiker wie "Golem", "Holy Inquisition" und das kultige "Kain and Abel" zu hören. Mit den erwähnten Abstrichen war es dennoch ein guter Auftritt.
20 Jahre DesasterGegen viertel vor Elf legte dann der Headliner Desaster los mit einer Zeitreise, bei der ganz alte Songs mit dem damaligen Sänger/Bassist Creator Cassie gespielt wurden. Schade, dass dieses Konzept nicht beibehalten wurde, wäre eine schöne Idee gewesen, auch wenn der zweite Sänger Okkulto nicht anwesend war, weil er der Einladung nicht folgen wollte.
So ging es über in einen normalen Desaster-Gig, bei dem alte und neue Songs gemischt wurden (von "Satans Soldiers Syndicate" über "Necropolis Karthago" und "Die By Teutonic Steel" bis "Hellbangers"), was beileibe nichts Schlechtes ist, aber für ein solches Event etwas dürftig. Die Musik des ca. 90-minütigem Auftritts war gut gespielt und riss das Publikum mit, dieses feierte die Band begeistert, vor allem in den ersten Reihen ging es rund, mit Stagediven und allem was dazugehört.
Von diesem Blickpunkt gesehen, war alles in Ordnung und es gäbe für ein normales Konzert nichts zu meckern, nur hätte man den Fans doch noch etwas bieten können, was dem Jubiläumscharakter entsprochen hätte, beispielsweise mehr Gaststars (bei "Metallized Blood" haben einige auf Toto von Living Death gehofft, der aber wohl auch nicht wollte) oder wenigstens eine Fortführung der Reise durch die Bandgeschichte.
Etwas in diesem Sinne gab es dennoch in Form eines Videozusammenschnitts, der auf in die Bordwand integrierten Plasmabildschirmen ablief. Zu dem erschien exklusiv für diesen Abend ein Box-Set, auf 999 Boxen limitiert, 666 davon mit 4 Picture LPs, die 333 'Die Hard' Versionen enthalten noch zusätzliche Booklets, Shirt, Patch etc.
20 Jahre DesasterKurz nach Mitternacht legte das Schiff wieder an, etwa 20 Minuten später waren Desaster fertig und die Fans verließen das Schiff entweder Richtung Open End After Show Party im nahe gelegenen Florinsmarkt oder zur Heimreise. Etwas Wartezeit und Ungeduld gab es noch, bis der Container mit den Taschen geöffnet wurde.
Fazit des Abends: Die 20 Jahre Feier war schon ein besonderes Ereignis (daher bin ich auch ziemlich viel auf das Drumherum eingegangen) und wir freuen uns darüber, dort gewesen zu sein, leider wurde das Ganze von einigen Problemen überschattet, war aber immerhin kein 'Totales Desaster'. Wünschen wir also der Band weitere 20, mindestens jedoch 10 Jahre Bestehen - die dann vielleicht mit einem Event gefeiert werden (wie wäre es mit der Zerstörung der Festung Ehrenbreitstein?), das ohne Schwierigkeiten abläuft. Bis dahin bleiben uns noch die regulären Tour und Tonträgerveröffentlichungen der sympathischen Koblenzer Untergrund-Black-Thrasher.
Das Thema Metal Cruise (auch wenn es nicht offiziell so bezeichnet wurde, war es im Prinzip eine) ist organisationstechnisch nicht so einfach und hat doch gewisse Haken, obwohl die Idee großartig ist.
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