Dialeto / The Last Tribe
The Last Tribe Spielzeit: 46:59
Medium: CD
Label: MoonJune Records, 2013
Stil: Fusion, Prog Rock

Review vom 26.07.2013


Wolfgang Giese
Wir haben es mit einer Band aus dem brasilianischen São Paulo zu tun. Nach 1991 und 2010 erscheint mit "The Last Tribe" ein drittes Album von Dialeto, das internationale Debüt. Mag man in Verbindung mit Brasilien vielleicht zunächst an Folklore, Samba und ähnliches denken - der Blick auf die veröffentlichende Plattenfirma wird dieses Bild möglicherweise zurechtrücken. MoonJune Records ist ein New Yorker Label mit folgender Absicht: »The focus of MoonJune is to discover and release music by artists from a variety of international settings - exploring the expanding boundaries of genuine, challenging, 'non-over-produced music' that cannot be easily categorized into any specific format or genre.«
Also, irgendwie wird sich angesichts des Labels MoonJune Records die Musik zwischen Prog Rock, Jazz Rock und Fusion ansiedeln, was sich durch einen Blick auf die dort geführten Bands und Musiker erhärten lässt: Allan Holdsworth, Soft Machine Legacy und viele andere. So kann ich eine sich vorwiegend im Fusion-Bereich eingerichtete Musik hören, ein Power-Trio der etwas anderen Art. Tatsächlich ist es eine Mischung aus Prog Rock und Jazz Rock, die angesichts des Trioformats aufpassen muss, nicht in Gleichförmigkeit abzurutschen. Das ursprüngliche Format der Band mit Gitarre/Bass/Schlagzeug existiert darüber hinaus auch nicht mehr. Die Rolle des Basses wurde durch eine 'Touch Guitar' ersetzt - offensichtlich so etwas wie der Chapman Stick im Bassbereich. Das Grummeln im Sound scheint darauf hinzuweisen, dass jedoch auch mit der Touch Guitar Bassläufe erzeugt werden.
Ob nun die Soloarbeit allein von Coelho verrichtet wird, vermag ich so nicht zu erkennen. Aber wie dem auch sei, wenn nur ein Soloinstrument vorhanden ist, dann muss die Band als Ganzes schon etwas leisten, um einen Spannungsbogen zu erzeugen und auch zu halten - das klappt so nicht immer. Druck ist vorhanden, nur ab und zu wird dieser zurückgefahren, beispielsweise bei der Ballade "Lydia In The Playground", die im Gegensatz zu eher wuchtigen Sounds wie bei "Dorian Grey" oder "Whereisit" steht, das schon in Richtung Hard Rock geht. "Chromaterius" ist auch wieder ein wenig anders, ein wenig erinnert es mich an die Musik und Gitarrenspielereien von
King Crimson. Überhaupt, vom ersten Song an ziehen sich die Gitarrenschleifen recht verspielt durch das ganze Album und bestimmen eindeutig das Geschehen. Dazu klopft mir der Drummer oft zu hart und ein wenig Swing oder Groove in seinem Spiel hätte der Musik insgesamt mehr Elastizität verliehen.
"Vintitreis" scheint fast ein wenig in Richtung Gong zu marschieren. Eingangs klingt es nach deren typischen Vibraphonklängen - mit der Touch Guitar erzeugt? Jedenfalls ist dies für mich der wohl interessanteste Titel, denn er ist hinsichtlich der Komposition und des Arrangements vielschichtiger und interessanter als die anderen Stücke. Hier schwingt sehr viel druckvoller Jazz Rock von hoher Güte!
Insgesamt halte ich den Gesamtvortrag nicht für bahnbrechend, richtungsweisend oder faszinierend. Eher ist es grundsätzlich solide im Ansatz, mit Optionen in die Positivrichtung, mit Entwicklungspotenzial, auch ohne einen vierten Musiker hinzuzunehmen.
Line-up:
Nelson Coelho (guitar)
Jorge Pescara (touch guitars)
Miguel Angel (drums)
Tracklist
01:Windmaster (6:26)
02:Dorian Grey (4:27)
03:The Last Tribe (1:56)
04:Lydia In The Playground (5:20)
05:Unimpossible (7:47)
06:Tarde Demais (3:40)
07:Vintitreis (4:19)
08:Whereisit (5:11)
09:Sand Horses (4:07)
10:Chromaterius (3:42)
(All compositions and arrangements by Nelson Coelho)
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