Dieselknecht / Abgebrannt
Abgebrannt Spielzeit: 37:21
Medium: CD
Label: AgrarBerlin, 2013
Stil: Country

Review vom 30.12.2013


Wolfgang Giese
Man kann es so oder so sehen. Dazu später mehr. Von Punk und Metal sollen sie geprägt sein, die vier Musiker, die laut Pressemitteilung in Dortmund zusammenkamen und Bluegrass lieben lernten. Nun, auf dieser Basis - und dazu grundsätzlich mit Countrymusik - wird von Liebe, Suff und Landwirtschaft gesungen. »Mein alter Fendt rennt und rennt…«, so geht's los mit "Mein grüner Freund". Schön, wenn man einen Trecker als Freund hat und diesem auch noch einen Song widmet.
2009 gab es bereits ein Album von Dieselknecht, "Alte Liebe rostet nicht". Es folgten ein Minialbum und nach "Unrasiert und fern der Heimat" ist "Abgebrannt" nun das dritte Album dieser Band. Country und deutsche Sprache, da fällt mir gleich aktuell Roland Heinrich ein, der Mann, der hier als Gast fungiert und wahrscheinlich überhaupt alle Finger im Spiel hat. Allerdings muss ich viel weiter zurückgehen... nee, nicht auf Truckstop, sondern meine bisher noch immer einzig wahre Country-Band der Republik, die Emsland Hillbillies. Diese Musiker aus dem Emsland nehme ich hier einmal als Vergleich und stelle fest, dass die ein wenig elektrischer und durch den Einsatz der Pedal Steel geprägt waren. Hier geht es fast ganz akustisch zu, also mehr am Bluegrass orientiert, ohne dass es wirklich Bluegrass ist.
Beiden Bands sind die teils skurrilen Texte gemein, die dem Volk direkt aufs Maul schauen, obwohl ich mir bei Dieselknecht nicht immer sicher bin, wie ernst ich das wirklich nehmen soll oder kann. Also geht es eigentlich mehr in Richtung Spaß. Und Humor sollte man schon mitbringen, wenn man diesen teils wirklich extrem schrägen Tönen - allem vorweg dem Gesang - etwas abgewinnen will. Nichts für 'Spaßbremsen' also. Nach ein paar Bier und Schunkeln in der Dorfkneipe dürfte das der Renner sein, wenn man dann beim Titel "Die Ballade von GG Allin" hört, »…und die Hose hast Du vollgepisst«. Hardcore, wie man neudeutsch sagt. Die Schnoddrigkeit des Ruhrpotts ist sprachlich auf diese Weise sicher gut eingefangen, doch mich als Norddeutschen kann das nicht schocken, denn unser Platt ist ähnlich derb.
Schön, dass es noch Musik gibt, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Vielleicht ist ja nicht alles Blödsinn, denn mit dem Song "Fast Winter" wird es doch richtig nachdenklich, fast ein wenig tiefgründig und wehmütig. Klar, Schwachpunkt ist der ziemlich schräge Gesang. Die Sänger sind nicht unbedingt geeignete Kandidaten für "The Voice of Germany", aber das gehört ganz einfach zur Musik, denn genau so muss man das betrachten. In der Tat kommen so einige Parallelen zu den Emsländern, die übrigens noch heute aktiv sind, zum Tragen. Vielleicht sollten sich beide Bands einmal zur Jamsession treffen. »Finster, finster nur der Glühwurm glüht im Ginster« und dann geht die Post ab, ein flotter Song. Hier treffen Folkeinflüsse und fast schon ein wenig Mittelalterliches zusammen. In "...Johnnys Spelunke" gibt's eine richtig schöne Kneipengeschichte, so wie man es sich in einer echten Kaschemme vorstellt, hier mit einem kleinen Hauch der Pogues.
Wie gesagt, man kann es so oder so sehen. Die einen mögen erschüttert den Kopf schütteln und die anderen haben ganz einfach Spaß dabei. Und ich denke, Spaß sollte Vorrang haben, oder?
Zum Abschied wird es dann noch einmal ruhig und melancholisch, und so wird der vergehende Tag recht schön beschrieben. Man sollte sich einfach auf diese Natürlichkeit einlassen, die die Band verbreitet. Und dieser Song ist so richtig schööööön! Dieselknecht - was heißt das genau? Nun, nach den Erklärungen der Band ist das ein anderer Name für Trecker, Traktor oder Zugmaschine - auch Berufskraftfahrer nennen sich so.
Line-up:
Pa (Banjo, Gitarre, Akkordeon, Gesang)
Junior (Snare, Cajón, Gesang)
Smelly XXL (Bass, Gesang)
Marcellus W. (Gitarre, Dobro, Harp, Gesang)
Jan Weichsel (Geige - #6)
Roman Babik (Piano - #11)
Dorothee Lehna (Background-Gesang - #6)
Roland Heinrich (Mundharmonika - #4)
Christian Peirick (Background-Gesang - #4)
Der Liebe Leute Chor (Background - #8)
Tracklist
01:Mein grüner Freund [Kleingünther/Kleingünther]
02:Quatsch mich nicht voll [Kleingünther/Kleingünther]
03:Vogelscheuche [Kleingünther/Kleingünther]
04:Die Ballade von GG Allin [Public Domain/Kleingünther]
05:Messerlied [Durber/Kleingünther]
06:Fast Winter [Kleingünther/Kleingünther]
07:Finster Finster [Public Domain/Kleingünther]
08:Wir saßen in Johnnys Spelunke [Fall/Löhner-Beda]
09:Kolbenfenster-Blues [Kleingünther/Kleingünther]
10:Waschraum [Kleingünther/Kleingünther]
11:Leicht versaut [Kleingünther/Kleingünther]
12:Ein Tag vergeht [Kleingünther/Kleingünther]
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