Dixie Chicks / The Essential Dixie Chicks
The Essential Spielzeit: 65:54 (CD 1), 56:54 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: Sony Music, 2010
Stil: Country Rock

Review vom 23.10.2010


Steve Braun
Endlich mal ein Review, bei dem ich die Musik nicht näher beschreiben muss, weil eigentlich jeder Leser, der in 'meinen' Genres wildert, die Musik der Dixie Chicks kennt und eine Meinung zu deren Stil hat. Die einen verachten die Südstaaten-Hühnchen wegen ihres Mainstream-Country - die anderen lieben sie genau deswegen. Ihre Songs nudeln durch alle deutschen Radiostationen und - das kann ich schon vorwegnehmen - der Käufer von "The Essential Dixie Chicks" wird mit allen wichtigen und beachtenswerten Hits der Band versorgt.
Verachten oder lieben: Wo steht der Verfasser dieser Zeilen? Das ist nicht leicht zu beantworten... Ganz sicher ist mir Mucke in der Art der Dixie Chicks generell zu 'mainstreamig', zu kommerziell und ganz sicher mag ich es lieber, wenn Country Rock einige Widerhaken hat, wie bspw. Cross Canadian Ragweed oder Shooter Jennings. Aber die Chicks sind eine ganz einsame Ausnahme! Zu oft haben die drei Texanerinnen bewiesen, dass sie Köpfchen haben, dass sie bereit sind, gegen den Strom zu schwimmen. Und solche eingängigen Songs wie die ihren, zumeist kleine Meisterwerke, wollen schließlich erstmal komponiert werden. Also, ganz klar: Ich liebe die Dixie Chicks!
Dixie ChicksBegonnen haben sie 1989 mit lupenreinem Bluegrass. Im Lauf der Jahre zogen die drei wunderhübschen Damen immer deutlicher in Richtung Country Rock. Ihre Mixtur aus Bluegrass, Country, Rock und Pop spricht naturgemäß eine enorme Bandbreite von Hörern an. Sicherlich ist das musikalisches 'Easy-Listening', aber die Texte, liebe Leute, haben es in sich. So singen die Chicks in "Not Ready To Make Nice":
»Es ist eine traurige, traurige Geschichte, dass eine Mutter ihre Tochter lehrt, einen völlig Fremden zu hassen.
Und wieso können die Worte, die ich gesagt habe, jemanden so in Rage bringen, dass man mir einen Brief schreibt,
in dem man mir sagt, ich solle die Klappe halten und nur singen, anderenfalls wäre mein Leben vorbei?«

Dieser Text war die Folge von Hasstiraden, die den Dixie Chicks nach einer öffentlichen Kritik der Sängerin Natalie Maines an 'Dabbeljuh' Bushs Politik entgegen schlug. Wildgewordene Rednecks wollten Natalie und ihre Kolleginnen lynchen. Country-Radiostationen nahmen ihre Songs aus dem Repertoire. Dabei hatte sie anlässlich eines Konzertes Anfang März 2003 in London lediglich zu sagen gewagt, die Band sei »...tief beschämt, dass der Präsident der Vereinigten Staaten ebenfalls aus Texas stamme.« Bush hatte gerade den Irakkrieg aufgrund abstruser Lügen angezettelt - die Briten waren sofort dabei. Die Reaktionen waren derart aufgewühlt, dass Natalie sich wenige Tage später in einer öffentlichen Erklärung bei Präsident Bush entschuldigte. Die Wogen - Gegner hatten Dixie Chicks-CDs gesammelt und mit einem Bulldozer zerstört - konnte sie damit jedoch nicht mehr glätten. Im Gegenteil: Nun wandten sich auch die US-Friedensaktivisten enttäuscht ob dieses 'Zurückruderns' ab. Es folgte ein jahrelanges Spießrutenlaufen in dessen Folge sich die Dixie Chicks zwischenzeitlich entnervt und ausgebrannt zurückzogen.
Doch damit nicht genug: In "Travelin' Soldier" besingen die Dixie Chicks das Elend der Soldaten in Afghanistan. Während "Goodbye Earl" die Rache an einem prügelnden Ehemann beschreibt. Sie unterstützen massiv mediale Kampagnen für die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. Mit Toby Keith legten sie sich wegen dessen Song "Courtesy Of The Red, White And Blue" an, um sich nach einer heftigen Debatte über 9/11 bald wieder zu vertragen. Auch in zwei Präsidentschaftswahlkämpfe griffen sie - wie übrigens Toby Keith - zugunsten liberaler Kandidaten wie Barack Obama ein. Viel Feind - viel Ehr'... Kein Wunder, dass die Dixie Chicks ihre dokumentarische Biografie "Shut Up And Sing" (Maul halten und singen!) nannten.
Die Kritik blieb von diesem Wirbel gänzlich unbeeindruckt: Für das Album Taking The Long Way - das erste seit vier Jahren - hagelte es 2007 stapelweise Grammies.
Mit "The Essential Dixie Chicks" ist nun die erste umfassende Retrospektive des US-Country-Trios erschienen. Dreißig Songs aus den Alben "Wide Open Spaces" (1998), "Fly" (1999), "Home" (2002) und "Taking The Long Way" (2006) sind auf zwei CDs gepackt worden - und: Es bleiben keine Wünsche offen. Nicht nur, dass alle wichtigen Hits wie "Not Ready To Make Nice", "There's Your Trouble", "Wide Open Spaces", "You Were Mine", "Ready To Run", "Cowboy Take Me Away" und Fleetwood Macs "Landslide" vertreten sind - diese Compilation zeigt auch sehr schön den Wandel der Chicks vom Bluegrass und Mainstream-Country zu stärker Rock-orientierten Songs, vor allem von der "Taking The Long Way"-Scheibe. Es fehlt lediglich die Benefiz-Single für die Opfer des Hurrikans Katrina, "I Hope".
Nun kann man sich darüber schlecht streiten, ob "The Essential..." musikalisch belanglos am Hörer vorbeirauscht oder mit eingängigen Songs gute Laune verbreitet - das ist wie immer reine Geschmackssache. Ich persönlich finde die wunderschön abwechslungsreich arrangierten Songs an einem kühlen Herbsttag einfach nur seelenwärmend. Man kann sich der Magie dieser eingängigen 'Gassenhauer' nur schwer entziehen. Gelegentlich - wie bei "Lubbock Or Leave It" - lassen es die Texanerinnen rocken und rollen, bis die sprichwörtliche Schwarte kracht.
Mit "The Essential..." werden sicherlich vor allem Musikfreunde angesprochen, die sich niemals alle Scheiben der Dixie Chicks zulegen würden. Hier liegt die Stärke dieser Compilation: ein kompetenter Überblick des Schaffens der Band für 'kleines Geld'.
Abgerundet wird das Album durch ein 16-seitiges, farbiges Booklet mit Liner-notes von Bob Mehr.
Line-up:
Natalie Maines (Gesang)
Emily Robison (Gitarre, Dobro, Banjo)
Martie Maguire (Geige, Mandoline)
Tracklist
CD 1:
01:Not Ready To Make Nice (4:00)
02:The Long Way Round (4:35)
03:Easy Silence (4:05)
04:Lubbock Or Leave It (3:55)
05:Bitter End (4:39)
06:Silent House (5:27)
07:Lullaby (5:54)
08:Everybody Knows (4:20)
09:Long Time Gone (4:10)
10:Travelin' Soldier (5:44)
11:Landslide (3:50)
12:Lil Jack Slade (2:24)
13:Truth No. 2 (4:29)
14:White Trash Wedding (2:21)
15:Top Of The World (6:01)
CD 2:
01:Ready To Run (3:52)
02:Cowboy Take Me Away (4:48)
03:Goodbye Earl (4:20)
04:Some Days You Gotta Dance (2:29)
05:Heartbreak Town (3:54)
06:Sin Wagon (3:39)
07:Without You (3:32)
08:Let Him Fly (3:09)
09:Wide Open Spaces (3:46)
10:Theres Your Trouble (3:13)
11:You Were Mine (3:39)
12:I Can Love You Better (3:55)
13:Tonight The Heartaches On Me (3:27)
14:Give It Up Or Let Me Go (4:58)
15:I Believe In Love (04:13)
Externe Links: