The Doors / Live In Boston 1970
Live In Boston 1970 Spielzeit: 77:59 (CD 1), 70:21 (CD 2), 36:17 (CD3)
Medium: 3-CD Set
Label: Rhino, 2007
Stil: Rock


Review vom 06.09.2007


Joachim 'Joe' Brookes
40 Jahre The Doors hatten wir schon hier.
Die Jubiläumsfeierlichkeiten finden nun mit "Live In Boston 1970" eine Fortsetzung. The Doors tourten in diesem Jahr ein letztes Mal mit Jim Morrison. Das Album "Absolutely Live" dokumentierte bereits einige Stationen der Touren aus den Jahren 1969 und 1970.
Mit "Live In Boston" erhalten wir nun zwei komplette Konzerte vom 10.04.1970, die in der Boston Arena von Bruce Botnick mitgeschnitten wurden. Soundtechnisch wird auf den 3 Silberlingen mit über 3 Stunden Musik feine Ware geliefert. Botnick hat für diesen CD-Set ganze Arbeit geleistet, auch wenn sich das eine oder andere Klicken sowie Fiepsen nicht vermeiden ließ. Bis auf zwei Songs handelt es sich hier um unveröffentlichtes Material.
Der CD-Set kommt in einem hochwertigen Digipack daher und im schön gestalteten Booklet melden sich Drummer John Densmore, Gitarrist Robby Krieger, Keyboarder Ray Manzarek sowie Botnick zu Wort.
War ja nicht anders zu erwarten: »Around 4 p.m. the guys arrived for the soundcheck, and Jim was falling-down drunk.«, so Botnicks Erinnerungen.
Dieses musikalische Dokument zeigt die drei Musiker und den Sänger in bestechender Form. Kaum zu glauben, wie sich Morrison, mit gewohnt 'normalem' Alkoholpegel, durch die Songs performt: Wild, leidenschaftlich, spontan, zeitweise seine Kollegen in der Luft hängen lassend, geradezu zum Improvisieren verdammt. Manzarek, Krieger und Densmore zeigen sich als hervorragende Musiker.
Zwei Gigs, ungeschminkt, von der ersten bis zur letzten Minute, ohne sich, wie auf vielen anderen legalen oder illegalen Platten, die Rosinen aus dem großen Kuchen zu picken. Zum Zeitpunkt der Tour war das geniale "Morrison Hotel" auf dem Markt und beide Konzerte beinhalten Tracks aus diesem Album, die zum Teil zu Doors-Klassikern wurden. Seltenheitswert haben Songs wie "Mystery Train", den Elvis Presley oft sang und Robert Johnson "Crossroads".
Von wegen, Setlist: Man sollte sich die Zeit und Muße nehmen, die CDs auch so richtig laut zu hören, denn dann bekommt man auch mit, dass nicht nur Morrison unberechenbar spontan war, sondern sich die Band auf den nächsten Song einigte. Nach "Rock Me" war "Mystery Train" das Ergebnis der Absprache. Der Song entwickelt sich zu einer kleinen Improvisationsorgie seitens Krieger und Manzarek.
"Roadhouse Blues": 12-Takter mit psychedelischer Orgel von Manzarek. Oder "Back Door Man", in dem es Morrison am Arsch vorbei geht, wie er den Text darbietet. Hier merkt man, welch eine Symbolfigur er war.
Manzarek: »We never knew what was going to happen when the shaman went over the edge.«
In "Crossroads" lassen die drei Musiker dem Sänger keine Chance, denn sie spielen die Nummer heftig und gerade aus. Da muss dann ein Morrison durch.
Neben "When The Music's Over" ist "Light My Fire" ein weiterer langer Track. Morrison singt bis zur Undeutlichkeit, lässt Worte aus, um dann doch wieder zu glänzen.
Die knapp zwei Stunden zwischen den beiden Gigs überbrückt der Hörer durch einen Wechsel der CDs.
Morrison muss sich so einiges an Alkoholischem einverleibt haben, denn zu Beginn von "Break On Through" lallt er doch deutlich. Krieger: »The three of us vamping in "Break On Through", waiting for Jim to get it together and come in with "made the scene, week to week, day to day, hour to hour…".« So wird der Song zu einer tollen Improvisation.
Eine Zuschauerin wünscht sich "When The Music's Over" und die 6.000 bekommen es auch. Morrison schreit sich die Seele aus dem Leib und macht den Song durch seine Performance zu einem der magischen Momente des zweiten Konzerts.
Das rhythmisch stampfende "Five To One" zeigt einen toll solierenden Krieger und Morrison scheint sein Mikro fressen zu wollen. Es ist gut vorstellbar, wie er den Mikrofonständer als drittes Standbein benötigt, um nicht von der Bühne zu fallen.
"Build Me A Woman" groovt prächtig und "You Make Me Real" ist ein klasse Rock'n'Roller in Doors-Manier.
Die letzte CD steht im Zeichen von "Light My Fire", das mit einigen Zitaten versehen wurde. Ray Manzarek tobt sich an seiner Orgel so richtig aus und nach einem kurzen "Fever" intoniert Morrison "Summertime", während die Band beim "Light My Fire"-Thema bleibt. Krieger spielt abermals ein tolles Solo, dann steigt Jim wieder mit "Summertime" ein. In "Light My Fire (Reprise)" scheint sich der Sänger das Mikro in den Hals zu schieben. Völlig verfremdet, der Sound.
Klasse auch die Kommunikation von Morrison mit dem Publikum über die beiden Gigs hinweg. »Would anybody like to see my genitals?«, so Morrison am Ende von "They Want More". Dann: »Forget it!«.
Für "Been Down So Long" gibt es dann noch etwas Besonderes. Die Instrumente werden getauscht: Manzarek spielt Gitarre, Krieger ist am Bass zu hören. Manzarek trifft da nicht immer den richtigen Ton. Schräge Sachen, die er da spielt. Sei es drum, das ist der Doors-Blues.
Ein weiters Lied folgt. Nach 15 Sekunden löst sich alles in Wohlgefallen auf, denn… man hat der Band den Saft abgedreht. Es folgen Buh-Rufe eines aufgebrachten Publikums. »Let's have some fun!«… rhythmisches Klatschen der Zuschauer… nichts passiert auf der Bühne… grelle Pfiffe… Schimpfwörter sind zu hören… 'We want more'… Morrison scheint den Bühnenboden mit dem Mikrofonständer zu bearbeiten… Chaos… ein ohrenbetäubender Knall… Das Konzert findet ein unrühmliches Ende.
Man kann gar nicht alles in Worte fassen. Ein wirklich denkwürdiges Ereignis in der Boston Arena am 10.04.1970.
"Live In Boston 1970" zu hören macht Spaß!
Am Ende der Review sollen Zitat der drei Musiker stellvertretend für ein Fazit stehen.
Ray Manzarek: »What a wild Doors night.«
Robby Krieger: »Was he doing it for the effect? No, that's just Jim, and that's why the people loved to take that chance - the possibility of seeing an awful show on the off-chance they might witness magic!«
John Densmore: »… but he is so damn passionate…«
Line-up:
Jim Morrison (vocals)
Ray Manzarek (keyboards)
Robby Krieger (guitar)
John Densmore (drums)
Tracklist
CD 1: First Show
01:Start (0:07)
02:All Right, All Right, All Right (0:10)
03:Roadhouse Moan (1:33)
04:Roadhouse Blues (4:55)
05:Ship Of Fools (6:26)
06:Alabama Song (Whisky Bar) (2:01)
07:Back Door Man (2:16)
08:Five To One (9:08)
09:When The Music's Over (14:44)
10:Rock Me (7:14)
11:Mystery Train (7:18)
12:Away In India (1:54)
13:Crossroads (5:14)
14:Prelude To Wake Up! (0:48)
15:Wake Up! (1:32)
16:Light My Fire (12:31)
CD 2: Second Show
01:Start (1:21)
02:Break On Through (8:12)
03:I Believe In Democracy (0:32)
04:When The Music's Over (14:19)
05:Roadhouse Blues (5:53)
06:The Spy (5:42)
07:Alabama Song (Whisky Bar) (1:39)
08:Back Door Man (2:27)
09:Five To One (7:05)
10:Astrology Rap (0:45)
11:Build Me A Woman (3:56)
12:You Make Me Real (3:26)
13:Wait A Minute (0:44)
14:Mystery Train (7:52)
15:Away In India (2:51)
16:Crossroads (3:30)
CD 3: Second Show (Continued)
01:Band Intros (0:35)
02:Adolf Hitler (0:22)
03:Light My Fire (5:47)
04:Fever (Light My Fire Continued) (0:23)
05:Summertime (Light My Fire Continued) (7:28)
06:St. James Infirmary Blues (Light My Fire Continued) (0:46)
07:Graveyard Poem (Light My Fire Continued) (1:12)
08:Light My Fire (Reprise) (2:11)
09:More, More, More! (0:18)
10:Ladies & Gentlemen (0:13)
11:We Can't Instigate (0:13)
12:They Want More (1:15)
13:Been Down So Long (6:12)
14:Power Turned Off (9:15)
Externe Links: